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der Seele, ist, wenn deren Lust, wie Ihr sagt, nur aus dem Körper stammt, das glückliche Leben erhalten. Aber was vermag diese stets anhaltende Lust dem Weisen zu gewähren? Denn das, was diese Lust bewirkt, steht nicht in seiner Macht, da das Glück nicht in der Weisheit selbst enthalten sein soll, sondern in den Dingen, welche die Weisheit für die Lust beschafft. Dies sind aber alles äusserliche Dinge und diese sind dem Zufall unterworfen. So wird die Glücksgöttin zur Herrin über das glückliche Leben, von welcher Epikur meint, der Weise kümmere sich wenig um sie.

      Kap. XXVIII. (§ 90.) Lass diese Kleinigkeiten bei Seite, wirst Du mir sagen; den Weisen macht schon die Natur reich, und Epikur hat gelehrt, dass ihr Reichthum erworben werden kann. – Dies klingt sehr schön und ich will nicht widersprechen, aber es widerspricht sich selbst. Denn Epikur bestreitet, dass die schmälste Kost, d.h. die schlechtesten Lebensmittel und Getränke, weniger Lust gewähren wie die ausgewähltesten Gerichte eines Gastmahls. Ich würde dem beistimmen, wenn er für das Glück gleichgiltig erklärt hätte, welche Nahrung man zu sich nehme, ja ich würde es loben; aber er müsste dann auch sagen, wie Sokrates es that, welcher der Lust nirgends erwähnt, nämlich dass der Hunger der beste Koch der Speisen und der Durst der beste Mundschenk der Getränke sei. Wenn aber Jemand Alles auf die Lust bezieht und dabei lebt wie Gallonius und spricht wie Piso der Mässige, so mag ich ihn nicht hören und glaube nicht, dass er so denkt, wie er spricht. (§ 91.) Er meint, die natürlichen Reichthümer seien leicht zu erwerben, weil die Natur mit Wenigem zufrieden sei; dies wäre richtig, wenn Ihr mir die Lust nicht so hoch schätztet. Er sagt, die Lust aus den geringsten Dingen sei nicht schwächer wie die aus den kostbarsten; aber dann darf man nicht blos kein Herz, sondern auch keinen Gaumen haben. Nur wer die Lust selbst gering achtet, darf sagen, dass er den Stör dem Heringe nicht vorziehe; aber wer in der Lust das höchste Gut findet, der muss Alles nach den Sinnen, nicht nach der Vernunft beurtheilen und muss das für das Beste erklären, was das Angenehmste ist. (§ 92.) Aber es mag gelten; mag die höchste Lust durch ein Geringes und meinetwegen durch Nichts erlangt werden, wenn's möglich ist, und mag die Lust aus dem Verzehren der Kresse, von welcher die Perser nach Xenophon zu leben pflegten, nicht geringer sein, als die aus den Syracuser Mahlzeiten, welche Pato so stark tadelt; es mag die Lust so leicht erreichbar sein, sage ich, als Ihr wollt, was sollen wir aber vom Schmerze sagen? dessen Qualen so gross sind, dass bei ihnen ein glückliches Leben nicht möglich ist, sofern der Schmerz das höchste Uebel ist. Selbst Metrodor, beinahe der zweite Epikur, beschreibt den Glücklichen ohngefähr mit den Worten: »Wenn der Körper wohl beschaffen ist und man sicher weiss, dass er so bleiben wird.« Aber kann wohl Jemand sicher wissen, wie sein Körper sich befinden wird, ich sage nicht, innerhalb eines Jahres, sondern am Abend? Deshalb wird man den Schmerz, d.h. das höchste Uebel, immer fürchten müssen, auch wenn er noch nicht da ist, denn er kann schnell eintreten. Wie kann aber die Furcht vor dem höchsten Uebel in einem glücklichen Leben Platz haben? (§ 93.) Epikur, antwortet man, lehrt ja, wie man den Schmerz nicht zu beachten habe. Allein schon dieser Ausspruch, dass man das höchste Uebel nicht beachten solle, ist widersinnig, und welches Mittel giebt er denn an? Der heftigste Schmerz, heisst es, währt nur kurze Zeit. Aber was heisst kurz? und welcher Schmerz ist der heftigste? Kann der heftigste Schmerz nicht mehrere Tage anhalten? ja, nicht sogar mehrere Monate? Du müsstest denn denjenigen Schmerz darunter verstehn, der mit seinem Eintritt auch tödtet. Aber wer fürchtete diesen Schmerz? Beseitige lieber den Schmerz, der den besten und wohlwollendsten Mann, Cn. Octavius, des Marius Sohn, meinen Freund, niederbeugte und nicht blos einmal und für kurze Zeit, sondern häufig und lange. Welche Qualen, ihr unsterblichen Götter, ertrug er, als alle seine Glieder zu brennen schienen. Dennoch galt er nicht für unglücklich, weil dies nicht für das höchste Uebel galt, sondern nur für einen Kranken; aber unglücklich würde er gewesen sein, wenn er bei einem lasterhaften und sündlichen Leben in Lüsten geschwelgt hätte.

      Kap. XXIX. (§ 94.) Wenn Ihr sagt, dass der grosse Schmerz kurz und der langdauernde leicht sei, so verstehe ich dies nicht Denn ich kenne grosse und zugleich ziemlich lange Schmerzen, die man wohl in anderer Weise wahrhafter ertragen kann, aber diese Weise ist Euch nicht möglich, da Ihr die Sittlichkeit an sich nicht liebt. Es giebt Vorschriften und beinahe Gesetze der Tapferkeit, die verbieten, dass ein Mann im Schmerze sich schwach zeige. Deshalb ist es schlecht, nicht dass man Schmerzen empfindet, denn dies ist mitunter unvermeidlich, sondern wenn man mit Philoctetischem Geschrei jenen Felsen auf Lemnos besudelt:

      »der stumm im Wiederhall des Geheuls und Jammers und Seufzens und Wüthens, selbst stumm, die kläglichen Töne zurückwirft.«

      Solchen Leuten mag Epikur vorsingen, wenn er kann, welchen

      »durch den Vipernbiss die mit Gift erfüllten Adern und Eingeweide schreckliche Qualen bereiten.«

      Epikur ruft also dem Philoctet zu: Wenn Dein Schmerz gross ist, so währt er kurz. – Aber trotzdem liegt er schon das zehnte Jahr in seiner Höhle. – Epikur ruft: Wenn er lange währt, so wird er leicht; denn dann gäbe es Pausen darin und er gönnte Erholung. – (§ 95.) Allein erstens ist dies nicht häufig der Fall und dann, was hilft jenes Nachlassen, da das Andenken an den vergangenen Schinerz noch frisch und die Furcht vor dem kommenden drohenden Schmerz peinigt. – So wird er sterben, sagt Epikur. – Vielleicht ist dies das Beste, aber wo bleibt dann jenes: »Immer hat er mehr Lust?« denn wenn es so sich verhält, so habe Acht, dass Du nicht eine Unthat verübest, wenn Du zum Sterben ermahnst. Vielmehr soll man solchen Leidenden sagen, es sei schmachvoll und unmännlich, vom Schmerz sich schwächen, brechen und beugen zu lassen. Eure Rede: »Wenn Schmerz schwer ist, währt er kurz, und wenn er lang währt, wird er leicht«, ist nur eingelernt; blos mit den Mitteln der Tugend, der Seelengrösse, der Geduld, der Standhaftigkeit kann man den Schmerz lindern.

      Kap. XXX. (§ 96.) Höre, damit ich nicht zu weit abschweife, was Epikur als Sterbender sagt; Du wirst da sehen, dass sein Handeln nicht mit seinen Worten stimmt: »Epikur grüsst den Hermarchos«, heisst es da. »Nachdem ich ein glückliches Leben geführt und an den letzten Tag desselben angelangt bin, habe ich dies geschrieben. Ich leide so sehr an der Blasen- und Eingeweiden-Krankheit, dass die Schmerzen den höchsten Grad erreicht haben.« Welch unglücklicher Mann, man kann ihn nicht anders nennen, wenn der Schmerz das höchste Uebel ist. Aber hören wir ihn selbst: »Alle diese Schmerzen wurden aber durch die Fröhlichkeit der Seele ausgeglichen, die ich empfand bei der Erinnerung an meine Lehre und Entdeckungen. Aber Du sorge, wie es Deiner von Jugend ab gehegten Neigung zu mir und der Philosophie entspricht, für die Kinder des Metrodor.« (§ 97.) Selbst des Epaminondas und des Leonidas Tod' stelle ich nicht über den Tod dieses. Mannes. Von Jenen hatte der Eine die Lacedämonier bei Mantinea besiegt; als er bemerkte, dass ihn selbst eine tödtliche Wunde getroffen habe, so fragte er bei deren Anblick nur, ob sein Schild gerettet sei? und als die Umstehenden dies mit Thränen bejahten, so fragte er, ob die Feinde geschlagen seien? und als auch dies, wie er wünschte, bejaht wurde, liess er den Speer, welcher ihn durchbohrt hatte, sich herausziehn. So entströmte ihm das Blut und er starb fröhlich und siegreich. Und Leonidas, der König der Lacedämonier, stellte bei Thermopylae, wo ihm nur die Wahl blieb zwischen schmählicher Flucht und einem ruhmvollen Tod, sich und seine aus Sparta ausgeführten dreihundert Gefährten den Feinden entgegen. Ruhmvoll ist solcher Tod der Feldherrn; die Philosophen sterben nun zwar meist in ihrem Bett, indess kommt es doch darauf an, wie. Wenn der Sterbende sich glücklich preist, so ist dies höchst lobenswerth. »Die höchsten Schmerzen werden durch meine Fröhlichkeit aufgehoben«, spricht er. (§ 98.) Darin erkenne ich die Stimme eines Philosophen, Epikur, aber Du hast übersehn, was Du hättest sagen sollen. Denn wenn erstlich das wahr ist, an dessen Erinnerung Du Dich erfreust, wie Du sagst, d.h. wenn das, was Du geschrieben und aufgestellt hast, wahr ist, so kannst Du Dich unmöglich freuen; denn es fehlt das, was Du auf den Körper beziehen könntest, und Du hast immer gesagt, dass es keine Freude und keinen Schmerz gebe, der nicht von dem Körper komme. Du sagst: »Ich freue mich des Vergangenen.« »Aber welches Vergangenen?« Bezieht sich dies auf den Körper, so gleichst Du jene Schmerzen mit Deinen Grundsätzen aus und nicht mit der Erinnerung an körperliche Lust. Bezieht sich aber das Vergangene auf die Seele, so ist es unwahr, was Du behauptest, dass es keine Freude der Seele gebe, die sich nicht auf den Körper beziehe. Und weshalb empfiehlst Du zuletzt, für die Kinder Metrodor's zu sorgen? Was bezieht sich bei dieser pflichtmässigen und treuen That, denn dafür halte ich sie,

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