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zufällig einer, der für mich alles thun zu müssen glaubte, kam noch in derselben Nacht zu mir. Er machte mir klar, was Verres für Reden führte: Verres habe ihnen zu Gemüte geführt, wie freigebig er sie schon früher traktiert hätte, gelegentlich seiner eigenen Bewerbung um die Prätur, und erst neulich bei den Wahlen der Konsuln und Prätoren; darauf hab er ihnen sofort Geld versprochen, so viel sie nur begehrten, wenn sie nur meine Wahl zum Polizeimeister verhindern würden. Hierauf hätten einige gesagt, das ginge nicht; andere hätten geantwortet, sie hielten es kaum für durchführbar; endlich hätte sich ein starker Helfer gefunden, ein Mensch aus derselben Familie wie der Angeklagte, Freund und Schüler von dessen Vater, Quintus Verres, aus dem romilischen Bezirk, also aus der hohen Schule der Wahlgeldverteiler: der hätte gegen Hinterlegung einer halben Million Sesterzen 38 die Ausführung versprochen, und schließlich hätten sich auch einige gefunden, die sich bereit erklärten, bei dem Unternehmen hilfreiche Hand zu leisten. Unter diesen Umständen, meinte der herzensgute Mann, könnt er mich nur zur alleräußersten Vorsicht mahnen. – VIIII. (24) Die ernstesten Dinge stürmten damals in einer kurzen Spanne Zeit auf mich ein. Schon drängten die Wahlen: gewaltige Geldsummen führte man in ihnen gegen mich ins Feld. Zugleich nahte der Gerichtstermin: auch ihm drohten die Kassen aus Sicilien. Für den Prozeß alle nötigen Vorbereitungen mit Ruhe und Umsicht zu treffen verhinderte mich der Gedanke an die Wahlen; meine ganze Geistesthätigkeit auf die Wahlen zu konzentrieren, verbot mir der Prozeß. Endlich gegen die Wahlgeldverteiler mit Drohungen vorzugehen, wäre unvernünftig gewesen, weil sie, wie ich wohl merkte, die Fesseln kannten, die dieser Prozeß mir an alle Glieder legen würde. (25) Und gerade in diesem Moment bringt man mir folgende Nachricht: die Sicilianer erhielten von Hortensius die Aufforderung, sich zu einer Beratung in sein Haus zu begeben; sie bewahrten aber ihre Selbständigkeit und, nachdem sie den wahren Zweck der Einladung erkannt, lehnten sie sie einfach ab. Inzwischen rückte der Tag meiner Wahlen heran; Verres hielt sich, wie bei allen Wahlen dieses Jahres, für den unumschränkten Herren der Situation. Er machte sich auf den Weg, der einflußreiche Herr, und lief mit seinem reizend liebenswürdigen Sohne rings in den Wahlbezirken herum; seine alten Freunde vom Vater her, das heißt also die Geldausteiler, sucht' er sämtlich auf und beriet mit ihnen das weitere. Nachdem man dies bemerkt und im Volke verbreitet hatte, setzte Roms Bürgerschaft mit herzlicher Freude durch, daß die Schätze des Verres mir in meiner Amtscarriere ebensowenig schadeten wie sie vorher meinem makellosen Charakter etwas anhaben konnten. – (26) Kaum war ich von all der Sorge um die Wahl befreit, so nahm ich meine Kräfte zusammen, um sie nun, mit bedeutend erleichtertem Sinn, ausschließlich dem Prozesse zu widmen. Da find ich denn zunächst bei meinen Gegnern den Feldzugsplan dahin entworfen, mit Aufgebot aller Mittel müsse die Sache derartig gelenkt werden, daß der Prozeß unter dem Prätor Marcus Metellus, also erst nach Ablauf des gegenwärtigen Amtsjahres, zur Verhandlung käme. Dies bot ihnen unabsehbare Vorteile: erstens war Marcus Metellus ihr intimster Freund; dann war nicht nur Hortensius Konsul, sondern neben ihm auch Quintus Metellus, dessen freundschaftliche Verbindung mit dem Angeklagten euch sofort klar werden soll. Er gab ihm nämlich ein Vorzeichen seiner eigenen Gesinnung in solcher Weise, daß sie für den Angeklagten einer günstigen Vorentscheidung gleichbedeutend war. (27) Oder soll ich etwa diese Vorgänge mit Stillschweigen zudecken? Traut man mir das ernstlich zu? Wenn die Gesundheit unseres Staatswesens und meine ganze moralische Existenz auf dem Spiele stehen, soll ich da an irgend etwas anderes denken als an meine Pflicht und mein Ehrgefühl? – Also man höre. Der eine von den beiden designierten Konsuln, eben Quintus Metellus, läßt die Sicilianer zu sich rufen. Es gehen auch einige hin, weil nämlich Lucius Metellus jetzt als Landvogt in Sicilien schaltete. 39 40 Zu denen spricht Quintus nun etwa so: »ihr seht, ich bin Konsul; von meinen Brüdern hat der eine jetzt als Statthalter die Provinz Sicilien bekommen, der andere wird als Gerichtspräsident in Rom die Erpressungsprozesse leiten; kurz und gut, mit vielerlei Mitteln ist Vorsorge getroffen, daß dem Verres niemand beikommen kann.« – X. (28) Ja, ich bitte dich, Metellus, wenn das nicht Vergewaltigung allen Rechtes ist, was bleibt dann noch übrig? Die Zeugen, noch dazu Sicilianer, also ohnehin eingeschüchterte, niedergeschlagene Menschen, vollends abzuschrecken, erst persönlich, dann durch die Angst vor der Macht des Konsuls und zweier Prätoren! Was würdest du denn für deinen eigenen, unschuldig angegriffenen Bruder oder Vetter thun, wenn du jetzt einem Taugenichts, der dich gar nichts angeht, zuliebe alles Pflicht- und Anstandsgefühl verleugnest, so daß jemand, der dich nicht kennt, seine Aussagen für bare Münze nehmen müßte?! (29) Verres nämlich, so hieß es, sagte geradezu, du verdankest dein Konsulat nicht, wie die übrigen Mitglieder deiner Familie, dem Schicksal, sondern – ihm. 41 Zwei Konsuln also und der Führer der ganzen Untersuchung waren nach Verres' Wunsch bestellt worden; nun kam alles darauf an, den Prozeß ins neue Jahr hinüberzuspielen. »So entgehen wir,« dacht' er sich, »auch nicht bloß dem Manius Acilius Glabrio, der ja die Untersuchung mit viel zuviel Gewissenhaftigkeit und Respekt vor der öffentlichen Meinung führen würde; sondern wir gewinnen noch weitere Vorteile. Da ist unter den Richtern Marcus Caesonius, der Amtskollege unseres Klägers, ein bewährter und bekannter Jurist: der darf unmöglich einer Genossenschaft angehören, die wir, mit welchen Mitteln es auch sei, auf unsere Seite bringen wollen. Das geht schon deshalb nicht, weil er damals als Richter im Juniusprozesse 42 die infame Geschichte nicht bloß übelnahm, sondern sogar ans Licht brachte; den haben wir nach dem ersten Januar nicht mehr im Richterkollegium. (30) Da sind ferner zwei so unzugängliche Menschen und strenge Richter wie Quintus Manlius und Quintus Cornificius; die haben wir dann auch nicht mehr, denn sie werden bis dahin Volkstribunen. Da ist auch der unerbittliche Publius Sulpicius; der muß am fünften Dezember sein Regierungsamt antreten. Da sind ferner Marcus Crepereius, der Mann aus der scharfen Schule seiner Ritterfamilie; Lucius Cassius, dessen Familie nie mit sich spaßen ließ, am wenigsten in Rechtsangelegenheiten; endlich Gnaeus Tremellius mit seiner strengen Redlichkeit und Sorgfalt – diese drei würdigen Herren sind zu militärischen Dienstleistungen abkommandiert, sie werden nach Neujahr nicht mehr zu Gericht sitzen. Außerdem können wir einen an die Stelle des Marcus Metellus nachlosen, da Metellus selbst zur Leitung des ganzen Verfahrens berufen wird. So wird zu Beginn des neuen Jahres der dirigierende Präsident und fast die ganze richtende Körperschaft durch andere Personen ersetzt; mit Leichtigkeit und nach Herzenslust können wir dann alle die schrecklichen Drohungen des Klägers, alle die Erwartungen, die man auf den Prozeß setzt, zu Schanden machen.« – (31) Heute haben wir den fünften August. Auf den Nachmittag um drei Uhr wurde die Sitzung anberaumt. Den heutigen Tag rechnen sie schon gar nicht mehr mit. Binnen zehn Tagen beginnen die Festspiele, die Gnaeus Pompeius veranstalten will; diese Spiele nehmen vierzehn Tage in Anspruch. Dann folgen gleich die »römischen Spiele« nach. So vergeht eine Zwischenzeit von beinahe vierzig Tagen; dann erst gedenken sie auf meine Beschwerden zu antworten, und zwar hoffen sie mit allerlei Reden und Umschweifen die Sache derart in die Länge zu ziehen, daß inzwischen die »Spiele zu Ehren der Victoria« heran kommen. Diese werden bald von den »Plebeierspielen« 43 abgelöst, nach denen dann wenig oder gar keine Tage für Gerichtsverhandlungen mehr übrigbleiben. So, meinen sie, wird die Anklage allmählich schal und erkaltet, ihre Sache aber kommt um so frischer vor den Präsidenten Marcus Metellus. Nun gesteh ich: wenn ich an Metellus' Aufrichtigkeit zweifelte, so würd' ich ihn unter den Richtern nicht geduldet haben; (32) nun aber möcht' ich ihn lieber als Richter denn als Präsidenten bei diesem Prozesse beteiligt sehen: lieber mag er jetzt vereidigt seine eigene, als später ohne Eid die anderen Täfelchen entgegennehmen.

      XI. Nun wend' ich mich au euch, ihr Richter, mit der Frage: was ratet ihr mir zu thun? Denn so viel Rates werdet ihr mir gewiß nicht versagen, wie ihr mir geben könnt ohne den Mund aufzuthun, sobald ich nur sicher bin, euer Stillschweigen zu verstehen. Wenn ich die gesetzlich mir zur Verfügung stehende Zeit für meine Rede verwende, so werd' ich ja die Früchte meiner Arbeit, meines Fleißes, meiner Sorgfalt ernten: meine Anklagerede wird überall den Eindruck zurücklassen, daß seit Menschengedenken niemand mit besserer Vorbereitung, Umsicht und Sicherheit vor die Schranken getreten ist, als ich. Aber bei diesem Ruhme für meine Leistung kann sehr leicht die Gefahr eintreten, daß der Angeklagte mir entschlüpft. Was giebt es also da für ein Aushilfsmittel? Ich denke, es ist weder sehr entlegen, noch sehr schwer aufzufinden. (33) Die Frucht eines glänzenden Erfolges nach einer großen zusammenhängenden Rede spar' ich mir für spätere Zeiten auf; jetzt will ich den Menschen mit Hilfe von Urkunden,

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