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Der Schatten des anderen. Marie Louise Fischer
Читать онлайн.Название Der Schatten des anderen
Год выпуска 0
isbn 9788711718551
Автор произведения Marie Louise Fischer
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
»Machen Sie keine Witze.«
»Sie scheinen nicht sehr überrascht, Herr Lewin!«
Er sah mich mehr belustigt als beleidigt an. »Sie verdächtigen mich, gnädiges Fräulein?«
»Ich verdächtige jeden — ich meine, jeden, der regelmäßig in irgendeiner Form an den Quizsendungen Hans Ullrich Gardens beteiligt ist.«
»Wollt ihr mir jetzt nicht endlich erklären, was überhaupt passiert ist?« fragte Dr. Lewin.
»Sonja hat ganz recht — diese Frage kommt reichlich spät, mein Lieber!«
»Also, jetzt werdet doch bitte nicht komisch!« Janos Lewins Lachen klang unecht. »Ihr bildet euch doch wohl nicht im Ernst ein, daß ich etwas mit euren mysteriösen Geschichten zu tun habe? Ich habe seit heute abend sieben Uhr diesen Raum hier nicht verlassen.«
»Haben Sie Zeugen?« fragte ich.
»Jawohl. Die Arbeit, die ich geleistet habe!« Dr. Lewin schwang sich von seinem Sitz, humpelte zum Schreibtisch und warf dort mit wütenden und, wie mir schien, reichlich effektvollen Bewegungen die Papiere durcheinander. »Während ihr auf der Bühne euren Heckmeck gemacht habt, habe ich mir erlaubt, die übernächste Sendung mit und von Hans Ullrich Garden vorzubereiten — geistig vorzubereiten. Glauben Sie im Ernst, ich hätte das getan, wenn ich damit gerechnet hätte, daß er heute abend ins Gras beißt?«
»Ich bin der Meinung, daß man die Kriminalpolizei anrufen sollte«, sagte ich.
Auf einmal waren sich die beiden Männer einig. »Unsinn!« rief Hans Ullrich Garden sofort.
»Alberne Idee!« behauptete Dr. Lewin.
»War das heute abend der erste Mordanschlag?« fragte ich.
»Ja — das heißt — nein.«
»Ja oder nein?« fragte ich.
»Ich habe Drohbriefe bekommen. Lewin, Sie wissen ja davon.«
»Blödsinniges Geschreibsel. Wir haben es natürlich nicht ernst genommen«, sagte Dr. Lewin.
»Ich meine doch«, beharrte ich, »man sollte alles der Kriminalpolizei erzählen, und …«
Das Schrillen des Telefons unterbrach meinen Satz. Ich verstummte. Die beiden Männer sahen sich fast feindselig an, ohne sich von ihren Plätzen zu rühren.
Das Telefon klingelte noch einmal.
»Warum nehmen Sie nicht ab, Lewin?« fragte Hans Ullrich Garden böse.
Janos Lewin zuckte mit den Schultern. »Es ist bestimmt für Sie, Garden!«
»Glaube ich nicht.«
Das Telefon klingelte zum drittenmal.
»Das wird der Intendant sein. Oder haben Sie schon vergessen, daß er auf hundert ist?«
»Der Intendant soll mich …«
Janos Lewin stand auf, humpelte zum Schreibtisch, nahm den Hörer des elfenbeinfarbenen Apparates ab und reichte ihn, ohne sich zu melden, an Hans Ullrich Garden weiter. »Sagen Sie’s ihm selbst, Garden. Der Chef wird sich freuen, wenn er erfährt, was Sie von ihm denken!« zischelte er, während er die Sprechmuschel zuhielt.
Hans Ullrich Garden riß ihm den Hörer wütend aus der Hand. »Hier Garden«, meldete er sich kurz. Dann machte er ein Gesicht, als wenn er selbst nicht wüßte, ob er jetzt erleichtert oder verärgert sein sollte. »Ach, du bist es«, sagte er, »nein, Lilo, das ist völlig ausgeschlossen — nein, das geht wirklich nicht. Tut mir leid. Wir haben — wenn ich dir sage, daß ich nicht kann, dann mußt du mir schließlich glauben, wie? Bitte, mach mir jetzt keine Szene, ich bin abgespannt genug. Ja, ja, ja, natürlich tut es mir leid. Ich werde dich morgen früh anrufen, einverstanden?« Ohne eine Antwort abzuwarten, winkte er Janos Lewin, der mit einem amüsierten Lächeln am Schreibtisch stand, und legte den Hörer auf.
»War diese Dame heute abend auch hinter der Bühne?« fragte ich nachdenklich.
Aber niemand beantwortete mir die Frage.
»Los, Lewin«, forderte Garden, »bringen Sie mir jetzt den Chef an die Leitung — aber dalli, wenn ich bitten darf. Wieviel Uhr ist es?« Er warf einen Blick auf seine schwere goldene Armbanduhr. »Wählen Sie die Privatnummer!«
»Wie der hohe Herr befiehlt!« sagte Janos Lewin mit boshaftem Spott. Er zog ein rotes Notizbuch aus der Tasche, blätterte darin herum, bis er die Nummer, die er suchte, gefunden hatte. Dann wählte er.
»Guten Abend, Herr Intendant«, sagte er mit einer kleinen albernen Verbeugung, »bitte, Herr Intendant — Hans Ullrich Garden möchte Sie gern — ja, bitte! Sofort!« Er winkte Hans Ullrich Garden zu.
Aber der Quizmaster dachte nicht daran, aufzustehen, sondern wartete, bis Janos Lewin ihm den Hörer brachte. »Danke!« sagte er kurz, dann in den Apparat hinein: »’n Abend, verehrter Meister. Habe hier gerade ein Dutzend Jungs von der Presse versammelt. Es würde die Herren brennend interessieren, was der Intendant des Hauses gegen die Verwendung von Fräulein Horn als Assistentin einzuwenden hat.« Dann hielt er, während er den anderen reden ließ, den Telefonhörer fünf Zentimeter vom Ohr entfernt. Das wütende Gepolter des Intendanten drang, zwar unverständlich, bis zu mir hin. Ich konnte mir sehr wohl vorstellen, was er Hans Ullrich Garden vorhielt. In dem Moment, als der Intendant eine kleine Verschnaufpause einlegen mußte, sprang Hans Ullrich Garden sofort wieder ein. »Angst vor dem Verwaltungsrat?« wiederholte er höhnisch. »Daß ich nicht kichere! Als ob es auf die paar Piepen noch ankäme! Sie sollen doch erst einmal in meine Sendung kommen, die Herren Rauschebärte — die Augen werden ihnen aufgehen, da können Sie sicher sein! Gut, gut, Herr Intendant, es steht mir nicht zu, Ihnen zu widersprechen — bitte, wiederholen Sie das Ganze von vorhin noch einmal schön langsam, damit ich es wörtlich für die Reporter wiederholen kann.«
Wieder hielt er den Hörer vom Ohr, aber diesmal war das Gepolter des Intendanten schon einige Grade leiser. Er schien sein bestes Pulver schon verschossen zu haben.
»Nein, nein, lange reden können wir darüber nicht!« warf Hans Ullrich Garden nach einer Weile ein. »Auch die nächste Verwaltungsratssitzung kann ich nicht abwarten. Wie stellen Sie sich das denn vor? Die Antwort, die ich von Ihnen erwarte, ist ja klar genug — entweder ja oder nein! Was? Wieso? Ich verstehe Sie gar nicht! Nein, gegen Fräulein Horn ist bestimmt nichts einzuwenden, ich kenne sie nicht erst seit heute. Nein, natürlich nicht. Aber ich habe keine Lust — nein, Herr Intendant. Entweder Sie sagen nein und blamieren mich vor zehn Millionen Zuschauern — dann ist die Sendung geplatzt. Sie können doch nicht von mir verlangen, daß ich — nein, auf keinen Fall. Ich bin nicht für Kompromisse. Ganz und gar nicht. Wenn Sie das nicht wollen, müssen Sie Ihre Zustimmung sofort geben. Ja, das ist mein letztes Wort.«
Er schwieg und ließ den Intendanten reden, der aber inzwischen anscheinend so leise geworden war, daß Hans Ullrich Garden den Hörer dicht ans Ohr pressen mußte. Sein Gesicht erhellte sich von Sekunde zu Sekunde mehr, dann endlich sagte er strahlend: »Danke, Herr Intendant — das ist wirklich sehr liebenswürdig von Ihnen, Herr Intendant. Ich wußte doch, daß ich ganz in Ihrem Sinn gehandelt habe. Ja, natürlich, wir beide haben uns doch immer glänzend verstanden. Ja, unkorrekt, da haben Sie recht, aber es gibt Situationen — was soll man machen!«
Hans Ullrich Garden warf Janos Lewin den Telefonhörer zu, streckte die Beine weit aus und zündete sich eine Zigarette an. »Alles in Ordnung«, triumphierte er, »was sagt ihr nun?«
Janos Lewin hatte den Hörer aufgelegt. »Daß Sie die Unverschämtheit in Person sind, Herr Garden. Wenn Sie glauben, daß Sie sich mit solchen Methoden beliebt machen werden …«
»Beliebt? Wer spricht denn davon? Die Burschen brauchen mich. Solange sie mich brauchen, werden sie mich auch noch vom Galgen abschneiden, wenn