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in den hölzernen Trinkgefäßen tönte über die Decks und vermischte sich sowohl mit dem schadenfrohen Gelächter der Gewinner als auch mit den üblen Flüchen der Verlierer, die sich nur widerstrebend von ihren Silbermünzen trennten.

      Die Männer, die auf der „Madre de Deus“ fuhren, waren beileibe keine Heiligen, auch wenn am Bug des Schiffes ein sehr frommer Name prangte.

      Miguel de Pereira, der sich jetzt an Rafael Cegos, seinen einzigen Offizier, wandte, bildete da keine Ausnahme. Darüber konnte auch die Abneigung, die er gegen das Würfeln hegte, nicht hinwegtäuschen.

      „Zum Teufel, mir gefällt das nicht“, sagte er. „Ich hasse diese Art von Glücksspiel.“

      Der spindeldürre Cegos, dessen schmales, knochiges Gesicht mit dem spärlichen, glatt nach hinten gekämmten Haar an einen Totenschädel erinnerte, zuckte nur mit den Schultern.

      „Wir sollten den Leuten die Laune nicht verderben, Senhor de Pereira. Ein Einschreiten oder gar ein Verbot wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht besonders klug. Das Spiel vertreibt den Männern die Zeit, vielleicht hebt es sogar die derzeit nicht gerade hervorragende Stimmung an Bord.“

      Der Kapitän wußte, daß Cegos recht hatte und bemühte sich deshalb, seinen Widerwillen zu ignorieren. Doch ganz gelang ihm das nicht.

      „Früher habe ich diesen liederlichen Zeitvertreib nicht geduldet“, sagte er. „Kein Wunder, daß ich mich jetzt wie eine Katze fühle, der die Mäuse auf der Nase herumtanzen.“

      Rafael Cegos verzog das schmale Gesicht zu einem dünnen Lächeln. „Sie sollten Ihre Toleranz eher als geschickte Taktik betrachten, Senhor. Auch der bissigste Hund wird zahm wie ein Lamm, wenn man ihm ab und zu einen Knochen oder gar ein Stück Fleisch vorwirft. Ihre Großzügigkeit wird sich am Ende auszahlen.“

      Der Kapitän nickte. „So kann man es natürlich auch sehen, Cegos, und ich glaube sogar, daß Ihre Einstellung richtig ist. Trotzdem werde ich das verdammte Gefühl nicht los, daß irgend etwas an Bord nicht stimmt. Dabei kann ich nicht mal sagen, was es ist. Nur – an der etwas miesen Stimmung allein kann es doch wohl nicht liegen.“

      Rafael Cegos winkte ab. „Die Männer sind nur ein bißchen verärgert. Nach ihrer Meinung haben wir uns mit der halbwracken Galeone vor der Kathiawar-Halbinsel einen ziemlich dicken Fisch durch die Netze gehen lassen. Aber das wird sich bald wieder legen, Senhor. Spätestens beim nächsten guten ‚Geschäft‘ wird alles wieder vergessen sein.“

      Der Erste Offizier spielte damit auf einen Vorfall an, der sich schon vor einigen Tagen ereignet hatte.

      Die „Madre de Deus“ hatte dicht unter der Küste einem ebenfalls portugiesischen Handelsfahrer geholfen, der von einem Dutzend indischer Piratenboote arg in Bedrängnis gebracht worden war.

      Ein Großteil der Leute de Pereiras hätte am liebsten die wertvolle Ladung der bereits mit Kurs auf die Heimat segelnden Galeone „übernommen“ und das „Verschwinden“ des Schiffes den indischen Piraten in die Schuhe geschoben.

      Das wäre in der Tat ein Riesengeschäft gewesen, aber Miguel de Pereira hatte das strikt abgelehnt, obwohl er sonst nicht zimperlich war, wenn es darum ging, den Reichtum seiner Auftraggeber in Lissabon zu mehren und den eigenen Geldbeutel durch dunkle, aber einträgliche Nebengeschäfte zu füllen.

      Das feiste Gesicht de Pereiras rötete sich. Der unterdrückte Ärger war ihm deutlich anzusehen.

      „Ich muß die verehrte Mannschaft wohl wieder mal daran erinnern, daß die ‚Madre de Deus‘ in erster Linie ein portugiesisches Handelsschiff ist“, sagte er scharf. „Außerdem kann ich nur wiederholen, daß es schierer Wahnsinn wäre, Landsleute zu überfallen und auszuplündern. Wir könnten nie mehr nach Portugal zurückkehren. Man würde uns ohne Ausnahme hängen.“

      Cegos kannte diese Argumente des Kapitäns bereits. Was klein begonnen hatte, drohte auszuufern, denn ein Teil der Mannschaft wollte sich mit „Nebengeschäften“ nicht mehr zufriedengeben. Nach Ansicht dieser Männer hätte die „Madre de Deus“ längst unter der schwarzen Flagge segeln können.

      Konflikte zwischen der Mannschaft und dem Kapitän, der sich zumindest in der fernen Heimat eine weiße Weste bewahren wollte, konnten somit, gar nicht ausbleiben.

      Für einige Aufwiegler war die Beute, die ihnen vor der Kathiawar-Halbinsel entgangen war, Grund genug, beständig für eine miese Stimmung zu sorgen. Zu diesen Männern gehörten auch Pico und Vasco, die gerade ihre zu Würfelbechern umfunktionierten Mucks umstülpten und hart auf die Planken knallten.

      Die verhaßten Geräusche ließen Miguel de Pereira zusammenzucken.

      „Man trampelt mir auf den Nerven herum!“ stieß er mit verhaltener Wut hervor und blickte wieder zur Kuhl hinunter.

      Dort strebte das Spiel seinem Höhepunkt entgegen.

      „Aus!“ rief der verwahrlost aussehende Vasco und warf Pico einen triumphierenden Blick zu.

      Dieser starrte auf die Würfel. „Was heißt hier ‚aus‘?“

      Vasco lachte heiser. „Aus heißt aus. Du hast verloren, mein Freund. Na, los denn, schieb schon die Penunzen rüber. Sie werden sich verdammt wohl fühlen, wenn sie erst in meinem Beutel klimpern.“

      Der hagere Pico kniff die Augen zusammen.

      „Da wird gar nichts klimpern“, verkündete er. „Das war lediglich der Ausgleich. Von jetzt an beginnt das Rennen erst.“

      „Ich sagte, du hast verloren, Pico.“ Vascos Grinsen gefror zu einer Grimasse.

      Pico tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe. „Was soll diese Behauptung? Kannst du nicht mehr bis neun zählen, oder willst du mich übers Ohr hauen?“

      In Vascos Augen glomm ein gefährliches Feuer. „Wenn du damit sagen willst, daß ich falsch spiele, dann nimm dich in acht, du Ratte. Und jetzt rück endlich die Münzen raus. Dein Einsatz gehört mir, die Würfel beweisen es.“

      Vasco beugte sich vor und streckte ohne Umschweife die Hand nach den Silbermünzen aus, die vor dem mit überkreuzten Beinen auf den Planken hockenden Pico lagen. Doch der schirmte seine „Schätze“ sofort mit beiden Händen ab.

      „Finger weg von meinem Einsatz!“ sagte er wütend. „Die Würfel beweisen nichts, wenn falsch gezählt wird. Mit Beutelschneidern von deiner Sorte sollte man sich gar nicht erst auf ein Spielchen einlassen.“

      Für einen Augenblick herrschte absolute Stille. Selbst die anderen Spieler verstummten und blickten in gespannter Erwartung zu Vasco und Pico hinüber.

      Sie wurden nicht enttäuscht.

      Vasco zog seine Hand zurück, als habe er in ein Schlangennest gegriffen. Einen Augenblick später blitzte die Klinge seines Messers auf.

      „Du nimmst deine Anschuldigung sofort zurück!“ zischte er und schnellte von den Planken hoch. „Und zwar den Falschspieler und den Beutelschneider. Na los, ich warte darauf!“

      Pico erhob sich mit aufreizender Langsamkeit von seinem Sitzplatz und legte die Hand um den Messergriff, der aus seinem Gürtel ragte.

      Während die anderen Spieler, die das Würfeln eingestellt hatten, hastig ihre Münzen einstrichen und zusammen mit den anderen Decksleuten einen Halbkreis um die beiden Streithähne bildeten, hieb de Pereira auf dem Achterdeck wütend die Fäuste auf den Handlauf der Balustrade.

      „Da fahr doch der Teufel rein! Was soll ich hier um der guten Laune willen eigentlich noch alles dulden? Wo steckt Lorenzo? Ich habe ihn seit dem letzten Glasen nicht mehr gesehen. Cegos, sehen Sie sofort nach, was mit dem Profos los ist! Ich erwarte, daß er da unten augenblicklich für Ordnung sorgt.“

      „Ich werde mich darum kümmern, Senhor“, versprach der dürre Offizier. „Vermutlich …“ Er brach ab und wandte sich zum Gehen.

      „Vermutlich?“ fragte der Kapitän scharf. „Sprechen Sie ruhig zu Ende.“

      Cegos zuckte

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