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die über das Schanzkleid flogen, versammelten sich die Fische.

      „Ein guter, ruhiger Tag“, sagte der Kapitän schließlich. Er saß mit nacktem Oberkörper in der Sonne und schaute sich die Umgebung in aller Ruhe durch das Spektiv an. Er hatte das Schiff tatsächlich an eine kaum bewohnte Stelle der Küste gesegelt. Größere Siedlungen gab es wohl weiter im Osten oder mit Gewißheit an der Ostküste im Süden des Landes.

      Ein paar Männer wuschen ihre Hemden, einige rasierten sich, drei Mann lagen auf der Back und dösten im Schatten. Der Rumpf der „Zuiderzee“ hob und senkte sich in den Wellen und zerrte an den Tauen. Martin Lemmer schaute nach den Wasserfässern und entschied, daß der Vorrat reichte.

      Ohne Eile wurden die trockenen Kisten wieder in die Laderäume abgefiert. Durch die offenen Luken zog muffiger Dunst ab. Dries Versteeg, der Stückmeister, kümmerte sich schweigend um die Culverinen und putzte die Drehbassen, nachdem er die Rohre gesäubert und getrocknet hatte.

      „Willst du die Fischerboote bekämpfen, Dries?“ rief Antony.

      „Ganz bestimmt nicht. Aber Feuchtigkeit in den Rohren, das ist nicht mal für leere Geschütze gut.“

      „Recht hat er. Laß dich nicht aus der Ruhe bringen“, sagte Greefken.

      Am Schanzkleid, in den Wanten und überall im Tauwerk hingen die hassen Tücher und Kleidungsstücke. Die Sonne brannte fast senkrecht aus einem wolkenlosen Himmel herunter. Vermutlich würde der Regen nicht bis zum Abend auf sich warten lassen. In den zurückliegenden Tagen hatte es fast regelmäßig am späten Nachmittag zu regnen angefangen.

      Die Mannschaft klarte auch unter Deck auf, die Kojen wurden ebenso gelüftet wie die Kammern. Der Erste und der Navigator überprüften die Karten, ließen sich nach dem Essen ein paar Becher Wein bringen und sagten sich, daß die Stunden des Nichtstuns ohnehin so selten waren. Viele Arbeiten, für die sonst keine Zeit blieb, wurden am Nachmittag zumindest angefangen.

      Vier Stunden vor der Abenddämmerung hatte sich der Himmel mit dunklen Wolken überzogen.

      „Wir müssen das Deck räumen!“ rief Willem van Stolk. „Und dann zurrt die Persenninge über die Grätings.“

      „Verstanden, Willem.“

      Der Erste stand auf und steckte das Messer, mit dem er die Fingernägel geputzt und geschnitten hatte, in den Stiefelschaft.

      „Packt mit an“, sagte er. Ein Stück Ladegut nach dem anderen, leidlich trocken, wurde durch die Luken gehievt. „Das Deck wird gleich wieder von selbst gespült.“

      Eine halbe Stunde danach sammelten die Holländer ihre trockenen Hemden und Tücher ein. Vor der Sonne, die über den Baumwipfeln des Uferwaldes hing, schob sich die erste graue Nebelwolke.

      „Das war’s“, sagte Willem van Stolk und rieb einige Tropfen Öl zwischen den Handflächen. Dann verteilte er das Öl in seinem Gesicht. „Der Regen ist pünktlich.“

      Die Helligkeit nahm ab, aus den treibenden Wolken wurde eine zusammenhängende dunkle Wand. Der Wind, der durch die Bäume fauchte, kräuselte die Wellen der Bucht und ließ die „Zuiderzee“ schwanken. Die Blicke der Holländer wanderten zum Himmel, aber noch regnete es nicht. Martin Lemmer teilte die Wachen ein und stellte das Kommando für den nächsten Morgen zusammen.

      „Wir gehen ankerauf und steuern, solange der Wind nicht zu stark ist, nach Südosten“, sagte er. „Auf den Karten habe ich zwei Häfen ausgemacht: Bharuch und Khambhat. Je nachdem – einen laufen wir an. Also: zuerst einen Becher Tee, ein Stück Brot, und dann staken wir aus der Bucht.“

      „So halten wir’s“, sagte der Stückmeister:

      „So versuchen wir’s jedenfalls“, schloß der Kapitän und verschwand in der Kapitänskammer.

      Es dauerte noch eine Stunde, bis die Monsunwolken den gesamten Himmel bedeckten und die Windstöße schwere Regentropfen heranwirbelten. Auf den trockenen Planken erschienen unzählige kleine Punkte, und schließlich folgten die Regengüsse in schrägen Bahnen. Binnen weniger Atemzüge waren die Ränder der Bucht hinter den graublauen Vorhängen aus Wasser unsichtbar geworden.

      Die Mannschaft der „Zuiderzee“ verzog sich unter Deck und wartete, während das Rauschen und das Plätschern über ihnen immer lauter wurde.

      Kapitän Philip Hasard Killigrew stand schräg hinter dem Rudergänger und hielt sich an einem Fall fest. Die Schebecke kreuzte gegen Wind und Strömung, Kurs Süden lag an. Die Sicht betrug nicht mehr als eine Kabellänge. Die Männer, die sich noch an Deck aufhielten, trugen die langen Segeltuchjacken und troffen, wie alles andere, vor Nässe.

      Pete Ballie umklammerte die Pinne, die Schebecke krängte nach Backbord. Der Bug hob und senkte sich und setzte krachend in die See. Ein salziger Schauer wehte vom Bugspriet her und stob über die Decksplanken.

      „Eine feine Segelei ist das aber nicht, Sir!“ schrie Pete und stemmte sich gegen das nasse Holz der Pinne. „Wo sind wir eigentlich?“

      „Auf jeden Fall weit von Ufern und Sandbänken entfernt, Pete!“ rief der Seewolf zurück. „Du hast recht. Wir hätten irgendwo vor Anker gehen sollen.“

      „Zu spät jetzt.“

      „Stimmt“, antwortete Hasard. „Noch ein paar Stunden, dann ist alles vorbei. Dann sehen wir auch, wo wir sind.“

      „Hoffentlich.“

      Der Regen war warm wie immer in diesen Tagen und Nächten. Leichter Dunst zog auf, die Wellen waren weniger hoch als befürchtet. Wenn die Karten richtig gezeichnet waren, und bisher waren sie erstaunlich genau gewesen, dann befanden sie sich jetzt etwa querab der Narbada-Mündung. Der Seewolf überlegte, ob es Zeit für die nächste Kursänderung sei. Schließlich wollte er nicht weiter südlich, womöglich nahe Surat, nach Ruthland suchen, sondern im Westen der trichterförmigen Bucht.

      „Wir fallen nach Westen ab!“ rief er.

      Ben Brighton zeigte von der Kuhl her klar. Das matte Licht der Hecklaterne reichte gerade bis zum Großmast.

      „Abfallen, Pete“, befahl Hasard.

      Die Schoten wurden gefiert, während Pete Ballie Ruder legte.

      Jeder, der in diesem scheußlichen Regen an Deck stand, starrte in die Dunkelheit hinaus und versuchte zu erkennen, in welchem Fahrwasser sich die Schebecke befand. Aber es gab nichts anderes zu sehen als dunkle Wellen mit winzigen Schaumkronen, und auch die Geräusche ließen nicht erkennen, ob Untiefen oder Riffe lauerten.

      Der Bug der Schebecke hatte sich westwärts gerichtet. Die Dreieckssegel waren getrimmt, die Schoten belegt. Der Regen fiel jetzt von Backbord ein.

      Der Seewolf fühlte sich noch immer unbehaglich wie seit Anbruch der Nacht. Längst hatte er eingesehen, daß es besser gewesen wäre, irgendwo in Ufernähe vor Anker zu gehen.

      „Ich kann nur hoffen“, sagte er halb zu sich selbst, „daß die Sonne uns zuliebe etwas früher aufgeht.“

      Die Schebecke schob sich weiter durch Regen und Dunkelheit. Die Männer hofften, am nächsten Tag auf die „Ghost“ zu stoßen. Und dann würden die Kanonen sprechen.

       5.

      „Alle Mann an Deck!“

      Francis Ruthland beugte sich weit über das Schanzkleid. Der Bug der „Ghost“ driftete, Handbreite um Handbreite, durch das pechschwarz erscheinende Wasser. Die Männer stakten von der Kuhl aus mit den Riemen, stemmten deren Blätter gegen die Hochwurzeln der Mangroven und schoben das Schiff aus dem Versteck.

      Die Enden der Rahruten schrammten an den Lianen entlang. Als sich der Bugspriet um die Krümmung schob, blinzelte Ruthland überrascht. Vor der Karavelle stand eine dünne Nebelwand, von der die Sicht auf das freie Wasser versperrt wurde.

      Luftblasen platzten an der Oberfläche des ruhigen Wassers. An der Bordwand rieben sich federnd

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