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hatten die „Zuiderzee“ arg gezaust und gebeutelt, aber nicht wirklich in Gefahr gebracht.

      Martin Lemmer fuhr mit der Hand über sein Kinn. Die Bartstoppeln kratzten. Er winkte ab, gähnte und verzog sich wieder in die warme Koje, in der es nicht weniger als im übrigen Schiff stank. Trotzdem schlief er binnen Minuten erneut ein.

      Die Stunden schlichen dahin, und aus dem Wolkenbruch des frühen Abends wurde im Verlauf der Nacht ein dünnes Nieseln. Zwei Stunden vor Sonnenaufgang vertrieb der Monsunwind die Wolken und den Regen völlig.

      Es merkte kaum einer der Männer unter Deck, wie die Flut das Wasser in die Bucht zurückbrachte und schließlich ein langes Zittern und ein stärkerer Ruck durch den Rumpf ging. Masten und Tauwerk schienen sich zu schütteln, aus der Fock schwappte klatschend das Wasser heraus und verbreitete sich auf den Decksplanken.

      Als Kapitän van Stolk aufwachte, schwamm sein Schiff wieder. Unter dem Kiel waren fünf Handbreiten Wasser, die Ankertrosse hatte sich ebenso gespannt wie die beiden Leinen zum Land.

      Zeeren und Samuel, die Köche, hatten ihr Geschirr auf die Kuhl geschleppt. Der Hunger und noch mehr das Aroma aus den Mucks des Ersten und des Kapitäns, feinster Rum nämlich, brachten einen nach dem anderen auf die Beine. Mit verschlafenen Augen, schweißverklebtem Haar und unrasiert erschien die Crew des holländischen Handelsschiffes auf der Kuhl.

      „Hoffentlich seid ihr einigermaßen wach“, sagte Willem van Stolk und setzte sich auf ein leeres Wasserfäßchen. „Nach dem Freudenmahl wird erst mal das Schiff aufgeklart.“

      „Schon gut, Willem“, antwortete Martin Lemmer in gemütlichem Tonfall. „Ich kümmere mich darum. Wir haben das Aufklaren genauso nötig wie unser alter Kasten.“

      „Ich hab’s nicht eilig“, sagte der Kapitän und blinzelte in die Sonne. „Meint ihr, daß wir morgen früh weitersegeln können? Schließlich sind wir nicht nur zum Ausschlafen hier.“

      „Das habe ich gemerkt.“

      Martin Lemmer setzte sich neben den Kapitän und ließ es sich, ohne viel dabei zu reden, genauso schmecken wie die anderen Seeleute. Die zweite Portion Rum gluckerte in die Becher.

      „Ist das Leck völlig dicht?“ fragte der Kapitän nach einer Weile.

      Swieten legte die Hand an die Stirn und nickte. „Ich habe alle Planken kontrolliert, ebenso die Plankennähte. Leckstellen habe ich nicht mehr feststellen können.“

      Die Sonne war höher geklettert und leuchtete über die Wipfel der Bäume in die kleine Bucht und auf die „Zuiderzee“. Aus der dumpfen Schwüle war trockene Hitze geworden. Willem van Stolk stand auf und ging zwischen den Männern der Crew hindurch bis zum Schanzkleid zwischen der Back und dem Galionsdeck. Schweigend musterte er das Ankertau und die kleinen Wellen, die sich am Bug der Karavelle brachen. Im klaren Wasser huschten Fischschwärme hin und her und führten gleichzeitige Wendungen aus.

      „Gut so“, meinte der Kapitän zu sich und ging zu seiner Crew zurück. „Wir brauchen nicht zu verholen. Das Schiff liegt gut und sicher, denke ich.“

      Er wandte sich an einen Koch und sagte: „Wir brauchen heißes Wasser. Ziemlich viel. Das Schiff sieht genauso verwahrlost aus wie wir alle. Die ‚Zuiderzee‘ ist schließlich kein Seelenverkäufer.“

      „Verstanden, Schipper“, sagte der Erste. „Wir wollen ja auch bei den eingeborenen Fischern und Muschelsammlern einen guten Eindruck hinterlassen.“

      Van Stolk lachte. „So ist es.“

      Willem van Stolk, vierundvierzig Jahre alt, war weder ein Antreiber noch ein Kapitän von der Sorte, die es nicht vertragen konnte, wenn es der Crew gutging und die Seeleute sich ausruhten. Die Crew stammte fast vollzählig aus demselben Ort und segelte schon seit langer Zeit auf der „Zuiderzee“ zusammen.

      Wenn es sein mußte, schufteten sie vierundzwanzig Stunden ununterbrochen und wie die Wilden. Das hatten sie während der beiden vergangenen Tage wieder einmal bewiesen. Jetzt wollte er es langsam angehen lassen, er brauchte ebenso Erholung wie seine Leute. Er lehnte sich gegen das Schanzkleid und hielt dem Koch auffordernd den leeren Becher entgegen.

      „Noch einen Schluck“, schlug er vor, „dann fangen wir an, Leute.“

      Nachdem die Köche das leere Geschirr eingesammelt hatten und der letzte Rum getrunken war, ging die Crew daran, das Schiff aufzuklaren. Sie holten eine Pütz nach der anderen voller Salzwasser an Bord, schrubbten die Decksplanken, schossen die Leinen auf und spülten den Schlick durch die Speigatten und die Öffnungen im Schanzkleid außenbords.

      Ein paar enterten über die Wanten auf und brachten die Rahruten und die Schoten in Ordnung. Swieten, der Zimmermann, und der Kapitän packten zwei Lampen und stiegen in den Kielraum hinunter.

      Mit dem Stiel des Kuhfußes prüfte Swieten die Planken. Das Geräusch klang vertrauenerweckend.

      „Gute Arbeit, Swieten“, sagte van Stolk. Er fuhr mit der Hand über die neu eingesetzten und gegengenagelten Teile. „Hält das die Rückfahrt auch noch aus?“

      „Das weiß ich nicht“, erwiderte der Zimmermann. „Hier jedenfalls sind die Planken dicht. Ich habe alles angeschaut und abgeklopft, auch von außenbords.“

      „In Ordnung“, sagte der Kapitän. „Die Luken offenlassen und holt die Ballen zum Trocknen an Deck, solange es nicht regnet.“

      „Habe ich schon angeordnet“, antwortete Martin Lemmer und deutete nach oben. „Luken und Grätings sind offen, die Grätings werden geputzt. Und dann hieven wir das nasse Zeug an Deck.“

      „Gut. Dann kann ich mich also in Ruhe rasieren, wie?“ fragte der Kapitän und nahm die Lampe vom Haken.

      „Selbstverständlich. Ich hab’s auch vor.“

      „Dann hätten wir dieses Abenteuer auch wieder überstanden“, murmelte der Kapitän. Sein Tonfall drückte seine Zufriedenheit aus.

      Er stieg vom Bug bis zum Heck durch alle Laderäume und inspizierte jeden Winkel zwischen und hinter dem Ladegut. Immer wieder klopfte er mit dem Messergriff gegen das Holz und lauschte auf den Klang. Schließlich enterte er wieder aus der stickigen Tiefe an Deck.

      „Alle herhören!“ rief er. „Wir klaren auf und legen einen Ruhetag ein. Morgen früh gehen wir wieder in See. Beeilt euch mit der Ladung – keiner weiß, wann es wieder regnet.“

      „Jawohl, Schipper!“ schrien die Männer voller Begeisterung.

      Der größte Teil der Decksplanken war mittlerweile so sauber, wie es sich für ein gutgeführtes holländisches Kauffahrerschiff gehörte.

      Bis Mittag hatten die Holländer in strahlendem Sonnenschein und der trockenen Hitze ihre „Zuiderzee“ auf Hochglanz gebracht. Kapitän, Erster und Bootsmann wuschen sich das Haar, stutzten die Bärte und schabten sich die Stoppeln vom Hals und von den Wangen.

      Greefken war über die Wanten in den Großmasttopp aufgeentert und suchte die Umgebung mit dem Spektiv des Kapitäns ab.

      „Was siehst du durch den Kieker?“ rief Antony Leuwen von der Kuhl. „Nur Wasser und Vogelschwärme, wie?“

      „Und Fischerboote. Mehr als ein Dutzend. Dort drüben, an Backbord, muß ein Fischerdorf sein!“ rief der Ausguck, ehe er den Kopf drehte und über die Bäume des Ufers hinwegzublicken versuchte. Seit Sonnenaufgang kreisten die Vögel über der Bucht. An die verschiedenen Laute der Tiere, von denen sie nur selten eins sahen, hatten sich die Holländer inzwischen gewöhnt.

      „Bewegen sich die Fischerboote auf uns zu?“ wollte der Erste wissen. Er trocknete mit einem leidlich sauberen Tuch sein Haar und wischte den Schaum aus dem Gesicht.

      „Nein, Martin. Sie haben uns zwar gesehen, aber wir sind für sie nicht wichtig. Vielleicht wissen sie, daß keiner von uns gern Fisch ißt.“

      Die Crew brach in Gelächter aus. Durch die Luken wurden feuchte oder nasse Ballen und Kisten aufwärts auf die trockenen Planken gehievt. Die Crew riß

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