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während er nach seinem Autoschlüssel griff.

      In den Ausstellungsräumen des Kunstsalons Sasse war schon ein interessiertes Publikum versammelt, als das Ehepaar Gerstner eintraf. Jenny löste sich aus einer Gruppe, in deren Mitte sie angeregt plaudernd stand, und kam auf sie zu. »Da seid ihr ja! Nun, wie findet ihr es?« fragte sie mit einer ausholenden Armbewegung.

      »Ihr habt wirklich ganze Arbeit geleistet«, mußte ihr Schwager anerkennen. Dabei ließ er seinen Blick über die zahlreichen, gut placierten Gemälde schweifen, die an den langen Wänden hingen.

      »Und dir sieht man heute gar nichts mehr von der Überlastung an, Jenny«, sagte Vera. »Du siehst großartig aus.« Tatsächlich staunte sie, wie verändert ihre Schwester ihr plötzlich erschien. Das lag nicht nur an einem perfekten Make-up, nicht an der schicken Frisur und auch nicht an dem glatten, ärmellosen, milchig-rosafarbenen Kleid, so schlicht, wie es nur ein sehr bekannter Couturier schaffen konnte – nein, das alles war es nicht. Damit war zu rechnen gewesen, daß Jenny sich heute schön machen würde, da sie an der Seite ihres Gatten repräsentieren mußte. Doch es ging etwas Strahlendes von ihr aus, als sei sie über Nacht aufgeblüht und zu neuem Leben erweckt.

      Zwei Mädchen reichten Sektschalen auf silbernen Tabletts herum, man plauderte, traf Bekannte oder machte sich miteinander bekannt. Dieter Sasse war in seinem Element, er redete und erklärte seinen Gästen die Herkunft und Feinheiten dieser und jener Gemälde, vor denen sie bewundernd standen. Es waren die Werke des Vincent Marian, eines jungen Malers, der in Paris lebte, auf die er besonders hinwies.

      Auch Edgar und Vera betrachteten sie eingehend. »Verstehst du, was er damit ausdrücken will?« fragte Edgar einigermaßen ratlos.

      »Nein«, bekannte Vera. »Aber sie reden hier alle so gescheit darüber, daß wir das nicht laut werden lassen dürfen.« Und mit einem Verschwörerblick sahen sie sich an.

      »Sind sie nicht unheimlich beeindruckend?«

      Jenny war zu ihnen getreten, sie legte den Arm leicht um die Hüfte ihrer Schwester. Vera sah sie an, der Hauch eines spitzbübischen Lächelns glitt über ihr Gesicht.

      »Wer hat denn vor ein paar Tagen gesagt, sie wären wie von Cläuschen gemalt?« fragte sie neckend.

      »Das war natürlich Unsinn«, erwiderte Jenny überlegen. »Man muß sich hineindenken. Sie lassen der Phantasie freien Spielraum.«

      »Anscheinend mangelt es mir an Phantasie«, bemerkte ihr Schwager. »Ich versuche jedenfalls schon seit einer ganzen Weile, mich hineinzudenken, aber es gelingt mir beim besten Willen nicht, in dieser Wirrnis einen Sinn zu finden. Dafür bedarf es wohl einer ganz besonderen Fähigkeit.«

      »Du bist eben ein trockener Bankmensch.« Aber Jenny lachte dabei. »Wartet, ich werde euch den Maler schnell mal vorstellen. Er steht dahinten mit einem Journalisten. Seht euch derweil nur weiter um.«

      Kurze Zeit später kam sie mit einem großen blonden jungen Mann an. Es war Vincent Marian.

      »Meine Schwester bewundert Ihre Bilder sehr«, sagte Jenny nach der Vorstellung, was freilich nicht ganz der Wahrheit entsprach.

      »Danke.« Der Maler neigte seinen Kopf vor Vera. »Ich würde mich sehr freuen, wenn ich auch in Deutschland Anklang fände. In Frankreich bin ich nicht ganz so unbekannt wie hier.«

      »Nun, Sie haben auf alle Fälle einen guten Start, Herr Marian«, äußerte Edgar freundlich. »Die Kunstwelt wird auf Sie aufmerksam. Vielleicht werden Sie berühmt.« Er lächelte. »Der Vorname stimmt ja schon. Es ist Ihnen nur ein glücklicheres Leben zu wünschen als Ihrem großen Kollegen.«

      Er spielte damit auf Vincent van Gogh an, der in größter Armut gestorben war und dessen Bilder jetzt einen unschätzbaren Wert besaßen.

      Es entspann sich noch eine leichte Konversation. Ja, er lebte in Paris, Vincent Marian, er war zum ersten Mal hier in dieser Stadt, die aber doch auch ihr eigenes Flair hatte, wie er feststellen konnte.

      »Ich habe Herrn Marian schon einiges davon gezeigt«, sagte Jenny. »Wir wollten ihn doch nicht allein im Hotel sitzen lassen, und Dieter hatte hier noch letzte Hand anzulegen.«

      »Ja, ich hatte eine bezaubernde Fremdenführerin«, sagte der Maler, und er lächelte Jenny dabei in einer Weise zu, die Vera zu denken gab. Und ihre Schwester, sie lächelte tief in sich hinein…

      »Die beiden flirten miteinander«, behauptete Vera lachend, als sie mit ihrem Mann weiter in den anderen Raum ging, wo die Aquarelle hingen. »Jenny hat heute aber auch direkt etwas Verführerisches an sich. So habe ich sie seit ewigen Zeiten nicht mehr gesehen.«

      »Vielleicht will sie Dieter ein bißchen eifersüchtig machen«, meinte Edgar. »Das würde ihm gar nichts schaden.«

      Da wußten sie noch nicht, daß sie schon bald nicht mehr darüber lachen würden.

      *

      Jenny rief zwei Tage später an.

      »Warum seid ihr denn vorgestern auf einmal verschwunden?« fragte sie.

      »Wir fanden, wir hätten genug für unsere Bildung getan«, scherzte Vera. »Aber es war doch sehr interessant und ein gelungener Abend, nicht wahr?«

      »Das kann man wohl sagen. Die Kunstkritiker haben sich auch sehr wohlwollend über die Exposition geäußert. Einiges ist auch verkauft worden, unter anderem das Gemälde ›Rotes Haus‹ von Vincent Marian. Du erinnerst dich sicher an das große Bild, es hing links an der Wand.«

      »War da ein rotes Haus?«

      »Nicht direkt ein Haus, und rot war es auch nicht, er hat es nur so genannt. Es war sehr symbolisch, mit versetzten Linien auf kubisch-geometrischen Grundformen.«

      »Aha. Da wird er sich ja freuen, daß es einen Käufer gefunden hat. Das bringt doch Geld in die Kasse.«

      »Ja, schon. Aber darauf ist Vincent weniger angewiesen. Er gehört nicht zu den Malern, die am Hungertuch nagen.« Jennys Ton wurde vertraulich. »Weißt du, sein Vater hat eine Fabrik, aus der ihm Gelder zufließen.«

      »Vincent! – Du weißt ja recht gut Bescheid über ihn«, sagte Vera mit einem Lächeln in der Stimme. »Ist er denn noch da?«

      »Ja. Und Dieter hat mich gebeten, mich ihm zu widmen, weil er noch zu tun hat.«

      »Was du nicht ungern getan hast, hm?« bemerkte Vera mit einem gewissen Unterton.

      »Das stimmt. Er ist ein reizender Mensch.« Sie machte eine winzige Pause. »Übrigens fahre ich morgen mit ihm nach Paris.«

      »Nanu?« wunderte sich Vera.

      »Vincent ist nicht mit dem Wagen hier. Ich soll für die verkauften ein paar andere Stücke aus seinem Atelier herschaffen. Dieter ist der Meinung, daß es sich lohnen würde und er hat ja eine Nase dafür.«

      »So, so.« Vera hatte kein gutes Gefühl dabei. »Jenny?«

      »Ja?«

      »Du hast dich doch nicht etwa in Vincent Marian verliebt?«

      Wieder schwieg Jenny einen Augenblick. Dann sagte sie plötzlich. »Und wenn es so wäre?«

      »Jenny!« Vera holte Atem. »Mach keine Dummheiten. Ich muß dich wohl nicht daran erinnern, daß du…« Weiter kam sie nicht.

      »Daß ich verheiratet bin und zwei Kinder habe und Mitverantwortung für das Geschäft trage. Ja, ja, ja, das weiß ich alles«, sagte Jenny in plötzlich aufsteigender Erregung. »Aber deshalb kann man mir doch wohl mal eine kleine Abwechslung gönnen, oder?« Es klang aggressiv.

      »Wenn du mit der Abwechslung nichts weiter als eine Stippvisite nach Paris meinst, noch dazu aus geschäftlichen Gründen, natürlich, Jenny. Nur, es könnte ja auch mehr daraus werden…«

      Jenny lachte, es klang gekünstelt. »Was soll denn mehr werden? Es wird doch alles weitergehen wie bisher.«

      Vera hielt es für richtig, nicht weiter auf dem Thema zu beharren. »Was hörst

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