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bitt’re Schmerzen

      Und mit Sehnsucht meine Brust erfüllt.

      Jener Stunde dacht’ ich weinend immer,

      Da ich einst dich fand;

      Dachte Dein beim sanften Abendschimmer

      Oft an meines blauen Flusses Strand.

      Endlich heilte meiner Liebe Wunden

      Die wohltät’ge Zeit;

      Und mein Herz hat wieder Ruh’ gefunden,

      Aber, glaube, nicht Vergessenheit.“

      Aus Madras schrieb Heron noch einmal an den Freund Knebel, der später den Brief an Lotte weitergab. In ihrem Tagebuch klagte sie ihrer Romanze nach, es hieß da in einem englischen Zitat: „It’s the hardest science to forget.“

      Warum der junge Mann sich nicht heftiger um die anmutige Charlotte bemühte, der auch der hochdotierte und hochangesehene Herr von Knebel in aller Korrektheit ein wenig nachstellte – das blieb sein Geheimnis. Mag sein, daß ihm die Karriere doch wichtiger war, daß die Aussichten eines Ausländers, zumal eines Zweitsohnes, dessen älterer Bruder Patronatsherr und Lord wurde, der Mama Lengefeld zu dürftig waren, daß ihm selber nur die Möglichkeit einer späten reichen Heirat blieb – Lotte jedenfalls lernte die „hardest science“, zu vergessen nämlich, und beschied sich mit der Erinnerung.

      Heron schrieb ihr noch aus Rotterdam und dankte ihr für ihr Abschiedsgeschenk, einen kleinen Reiher in winziger Uniform, das ihn immer begleite – Heron heißt „Reiher“ … Lotte schickte ihrem „Reiher“ ihre Silhouette, und er schrieb ihr darauf:

      „Ich habe eine kleine schwarze Gefährtin, sie wird beständig meine Gespielin sein. Ihr ruhiges heiteres Aussehen wird mir manche schwermütige Stunde erleichtern, und in der Betrachtung derselben werde ich mich belebt fühlen durch einige der reinen Gedanken, die das Urbild beseelen.“

      Weil Frau von Lengefeld ihre Töchter und vor allem die jüngere Lotte bei Hofe und natürlich in Weimar unterbringen wollte, mußte die Kleine französisch sprechen können, und Frau von Stein, Gönnerin und Beraterin der Lengefelds, riet dringend zu einer Reise in die französische Schweiz; Frankreich selber, vollends Paris, schien doch zu unsicher.

      Aber die chère mère hatte große Sorgen: eine solche Ausgabe war nur mit Schulden zu bestreiten! Karoline, ach, Karoline hatte doch einen Bewerber, der reich war… nur, die Tochter sträubte sich gegen die Verbindung mit dem jungen Herrn von Beulwitz, der ein trokkener, zuverlässiger, aber langweiliger Geselle war. Er war nicht einmal charmant, und Karoline, die Temperamentvolle, brauchte Attraktionen, Abwechslung, blitzende Lebendigkeit, und sie war erst siebzehn Jahre alt!

      Endlich erreichte die Mutter mit vielerlei Lamento und drängenden Vorwürfen, daß Karoline wenigstens in eine Verlobung einwilligte – die konnte man noch lösen, und bis zur Hochzeit verginge noch Zeit.

      „Bedenke, Kind, wie sich Königstöchter für Land und Familie opfern müssen; und für dich ist es nicht einmal ein Opfergang – dieser nette, ordentliche, wohlerzogene junge Mann, strebsam und sichtlich für eine große Karriere ausersehen!“

      Und Beulwitz schickte Blumen und Schmuckstükke und umwarb die „kleine Braut“ mit bewundernden Blicken. Karoline erlaubte kaum Zärtlichkeiten.

      Die Mama hatte es also nicht lassen können, von der so notwendigen Schweizer Reise zu reden, und welchen Kummer es ihr mache, daß sie die Zukunft der „armen kleinen Lolo“ nun auf immer zerstören müsse, weil sie ja doch eine solch wichtige und entscheidende Studienfahrt nicht machen könnten – des leidigen Geldes wegen… Ach, das Unglück ihres Gatten, dieses unver diente Leid! Und wie er sich noch auf dem Totenbett damit geplagt habe, die Seinen so mittellos und die Mädchen ohne Ausbildung zu verlassen!

      Herr von Beulwitz verstand; und weil ihm wirklich an der sprühenden, blühenden Karoline lag, bot er an, die Reise zu finanzieren.

      Karoline, die sich eigentlich auf die Abwechslung gefreut hatte, sah das alles nur ungern: ein so großes Geschenk verpflichtete, und sie war es, die den Preis bezahlen mußte.

      Sie versuchte, die Hochzeit hinauszuzögern, bis die Reise vorüber wäre; aber sie, die seither robuster und vitaler gewesen war als Lolo, litt plötzlich an einem nervösen Gesichtszucken, das der Arzt auf ein zu kühles Bad zurückführte. Lolo strich der Schwester über Stirn und Wangen, wenn es sie wieder befiel, und Karoline selber beobachtete ihr seltsames Leiden im Spiegel, so oft sich ihr Gesicht zur Grimasse verzerrte …

      „Manchmal kommt es mir vor“, sagte Lotte einmal leise, „als hättest du’s dir gewünscht – wie die heilige Kümmernis ihren Bart!“ Und sie erzählte der Geplagten die Legende von der christlichen Königstochter, die den

      Männerbart bat, sodaß der Bewerber sich mit einigem Befremden von ihr abkehrte.

      Die Fahrt in die französische Schweiz kam zustande. Man fuhr in mehreren Kutschen; zuerst in Richtung Stuttgart – und dahin fuhr man elf Tage lang: Frau von Lengefeld, die beiden Töchter und der Baron von Beulwitz, mit einigen Bediensteten und viel Gepäck.

      Anfang Mai 1783 wollte man in Stuttgart sein, freilich nicht auf dem schnellsten Wege.

      Bequem waren die Fahrten in der engen Kutsche ohnehin nicht, aber erträglicher durch allerlei eingeplante Aufenthalte, Besuche, Abstecher, so daß eine solche Reise ein langdauerndes, aber erlebnisreiches Unternehmen war. Und wenn nicht alles zum wilden Abenteuer ausartete, kein Rad brach, kein Straßenräuber sich von einem überhängenden Baum aufs Kutschendach fallen ließ und mit einer riesigen Pistole „Geld oder Leben“ verlangte, dann war man schon recht zufrieden.

      Trotzdem war’s ein übles Gerüttel und Gestoße, bei nassem Wetter mußte die Wagenplane geschlossen bleiben, so daß die Luft beengend lastete, und auch die Pferde konnten ihre Launen haben, oder gar auf den Poststationen keine guten, kräftigen Tiere bereit sein.

      Immerhin, man war enger zusammengerückt, man lernte sich noch besser kennen, man teilte Proviant und manche körperlichen Beschwerden miteinander, und Beulwitz erwies sich als diskreter und hilfreicher Kavalier.

      Die Fahrt ging über Coburg, Lichtenfels, Bamberg, Forchheim, Nürnberg, Dinkelsbühl, Ellwangen und dann über Gmünd und Schorndorf nach Stuttgart.

      Es war noch hell, ein lauwarmer Maiabend. Man wollte Frau von Wolzogen besuchen, eine Tante der chère mère, die in Stuttgart wohnte, um ihren vier Söhnen nahe zu sein, die – wie einst Schiller – die Hohe Carlsschule des Herzogs Carl Eugen besuchten. Der Herzog sammelte dort bekanntlich begabte junge Leute. Alles, was ihm geeignet schien, Ruf und Ruhm der Anstalt und des Landes zu erhöhen, holte er in seine Schule, um „tüchtige Beamte und Gelehrte“ auszubilden, in seinem Sinn und unter seiner Hand – und nach Ausfertigung eines „Revers“, der in den lebenslangen Dienst des Fürsten verpflichtete.

      Die „Akademie“, die der Kaiser später in den Rang einer Hochschule erhob, wurde militärisch geführt, mit strengem Reglement, in dem auch der Rangunterschied zwischen Bürgers- und Adelssöhnen deutlich gewahrt wurde.

      Aber ihren guten und immer weiterreichenden Ruf dankte die Schule nicht nur dem Rang und den Verbindungen des Herzogs, sondern auch ihren ausge zeichneten Dozenten, die Carl Eugen meist aus Tübingen holte, junge hervorragende Gelehrte, wie den Professor Abel etwa, mit dem Schiller später noch lang freundschaftlich verbunden war.

      Frau von Wolzogen freute sich auf den Besuch der Nichte, mehr noch auf die Großnichten, und beschaute mit beherrschter Neugier den vorgesehenen Gemahl der jungen Karoline. Er gefiel ihr nicht durchaus, obwohl Lotte, die Gutherzige, loyal seine Partei ergriff, als die Schwestern mit der Tante allein waren.

      Denn Karoline machte keinen Hehl aus ihrer Abneigung, mindestens zeigte sie ihr Unbehagen, wenn die Rede auf eine dauernde Verbindung kam. Die Vorstellung quälte sie sichtlich, daß Beulwitz als Gemahl, als Herr und Meister, ihr seine Anweisungen aufzwingen würde. Und eines Tages könnte er dann doch ihre Abhängigkeit von seinem Reichtum betonen.

      Freilich,

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