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und meine Dinge. »Hat aber gedauert.«

      »Trotzdem der Hammer.« Kolja schiebt mir das Übungsblatt zurück. »Das wird was in der Landesrunde.«

      »Meinst du?«

      »Aber hallo!«

      Wir quatschen noch ein wenig, hierüber und darüber und kein bisschen über Josefine, und dann steht auf einmal der Zerhusen mit einem schwarzhaarigen Mädchen im Raum, Lale Erdem, wie er sagt. Und wiederholt noch mal alles, was wir schon wissen: Dass sie von der IGS ist, wie ich in die Siebte geht, zur Vorbereitung auf die Landesrunde bei uns mitmacht. Dann bittet er Kolja, sich zu Gregor zu setzen, damit Lale und ich zusammenarbeiten können, und zack, sitzt sie auch schon neben mir.

      »Hallo, du bist also Malte«, sagt sie und lächelt mich breit an. Die Brackets an ihren Zähnen blitzen dabei genauso wie ihre dunklen Augen. »Ich hab gehört, du sollst richtig gut sein.«

      Mein Gesicht wird heiß und in meinem Kopf gerät irgendwas durcheinander. Mir geht das zu schnell. Ich meine, ich wusste ja, dass das alles heute passieren würde, aber trotzdem. Wenn etwas plötzlich Wirklichkeit wird, ist es ganz anders, als man es sich vorgestellt hat. Vielleicht hab ich mir auch gar nichts vorgestellt, weiß nicht so genau, jedenfalls nicht die IGSlerin selbst, als richtige Person, oder dass sie mich einfach anquatschen und dabei so nett lächeln würde, und ich hab keine Ahnung, was ich sagen soll.

      »Ich war voll überrascht, dass ich weitergekommen bin«, redet sie einfach weiter. »Eigentlich spiele ich ja Volleyball und hab die Olympiade nur so nebenbei mitgemacht.«

      Das wurmt mich. Weil, die Matheolympiade ist normalerweise nichts für nebenbei, da reicht es nicht, wenn man ganz gut rechnen kann, sondern man muss richtig Ahnung haben. Und ich finde, das sollte diese Lale ruhig wissen, Nettigkeit hin oder her.

      »In der Landesrunde kommt man damit nicht weit«, sage ich. »Da muss man schon ein bisschen ranklotzen, wenn man was erreichen will.«

      »Deswegen bin ich ja hier«, gibt sie prompt zurück.

      Was mich nun auch wieder wurmt. Denn wenn eine, die nur so nebenbei weitergekommen ist, richtig loslegt, kann da unter Umständen ganz schön viel bei rauskommen.

      »Keine Sorge!«, sagt sie da und lächelt wieder von einem Ohr zum anderen. »Du bist bestimmt tausendmal besser als ich«, und im nächsten Moment kommt der Zerhusen zu uns und legt uns zwei Zettel auf den Tisch, und das bedeutet, dass ich erst mal nichts mehr sagen muss.

      Die Zahlen kommen ja zum Glück ganz ohne das ganze Gerede aus. Die Zahlen brauchen nur sich selbst.

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      Als ich nach Hause komme, merke ich sofort, dass dicke Luft ist. Wie Mama die Tür aufreißt. Und ihr Gesicht – mit dieser steilen Falte zwischen den Augenbrauen. Papa ist um diese Zeit noch nicht von der Arbeit zurück, also muss irgendwas zwischen ihr und Josefine vorgefallen sein.

      »Ich bin noch am übersetzen«, sagt sie, kaum dass ich einen Fuß im Haus hab. »Also sei bitte leise, okay?!« Ihre Stimme klingt scharf, und erst, als sie schon wieder halb in ihrem Arbeitszimmer verschwunden ist, kommt versöhnlich hinterher: »Hattest du einen guten Schultag?«

      »Joah«, antworte ich unbestimmt, und es ist wohl auch schnuppe, was ich sage, weil Mama wahrscheinlich sowieso nicht zuhört.

      »Schön«, sagt sie auch nur, »erzähl mir nachher davon«, und zieht die Zimmertür hinter sich zu.

      Alles in allem ist das nicht gerade das, was ich gewöhnt bin. Wenn ich wegen des Matheclubs lange Schule hatte, hört sie normalerweise auf mit ihrer Arbeit oder macht zumindest eine Pause, und meistens setzen wir uns dann zusammen, trinken Kakao und unterhalten uns. Über den Matheclub und darüber, was ich sonst noch alles erlebt hab. Doch im Moment ist ja alles ungewöhnlich, und ich möchte nun wirklich wissen, was hier heute Nachmittag los war. Also stelle ich meinen Rucksack ab und gehe in den Keller runter. Hinter der Tür zu Josefines Zimmer ist es still, aber ich weiß genau, dass sie da ist.

      »Josefine?«

      Sie antwortet nicht. Trotzdem drücke ich die Klinke runter.

      »Was willst du?«, blafft sie mir entgegen. Wieder sitzt sie auf der Schlafcouch und wieder hat sie ihren Laptop auf dem Schoß. Und nicht nur Mamas, sondern auch ihr Gesicht ist zerknautscht, die müssen echt aneinandergeraten sein.

      »Hast du meine Mutter bei der Arbeit gestört?«, frage ich einfach zurück. Weil, dazu hab ich keine Lust. Dass andere sich streiten und mich dann anmotzen.

      »Die stellt sich vielleicht an!« Josefine knallt den Laptopdeckel runter.

      »Wenn sie übersetzt, kann sie laute Musik nicht leiden«, erkläre ich. »Oder den Fernseher oder so. Da muss sie sich konzentrieren können.«

      »Hab ich Musik gehört?«, faucht Josefine. »Hab ich ferngesehen? Ich hab trainiert!« Sie deutet auf Papas Langhantel, auf die die großen Scheiben gesteckt sind – die ganz großen. »Kreuzheben. Und nur weil die Hantel beim Absetzen nun mal scheppert, kommt die an und heult rum. Das ist leider ungünstig um diese Zeit, mimimi …«

      »Oh«, sage ich, denn das ist vielleicht wirklich etwas pingelig von Mama. So ein bisschen Geklirr, ganz ohne Worte, die sie von ihrem Text ablenken könnten. Da hat sie bestimmt noch was anderes gestört als bloß das Geräusch. Ich muss an das Mädchen und seine Mutter denken, mit denen Mama nichts am Hut hat, wenn sie nicht gerade so tut als ob, so wie gestern, beim Abendessen, und da tut mir Josefine fast leid. Es ist bestimmt nicht lustig, bei jemandem zu wohnen, der gar nichts mit einem zu tun haben will. Selbst, wenn der Jemand offiziell was anderes sagt.

      »Find ich auch übertrieben, dass sie wegen so was Stress macht«, füge ich hinzu.

      Aber da sagt Josefine: »Diese Bitch!«, und ich bin wieder ganz auf Mamas Seite.

      »Meine Mutter ist keine Bitch!«

      »So?« Josefine verzieht den Mund. »Weißt du überhaupt, was das ist, ’ne Bitch?«

      Ich spüre, wie mein Kopf heiß wird. »Ja, aber was hat das mit meiner Mutter zu tun?«

      »Kannst ja mal drüber nachdenken«, sagt Josefine. »Vielleicht fällt’s dir dann ein!« Dann klappt sie ihren Laptop wieder auf, guckt auf den Monitor, tippt irgendwas auf der Tastatur.

      Mein Herz pocht, durch meinen Kopf schießen tausend Gedanken, aber ich kann keinen von ihnen festhalten.

      »Is’ noch was?«, fragt Josefine. »Wenn nicht, hätte ich nämlich gern ’n bisschen Ruhe.«

      Ich hab keine Ahnung, was sie da macht, Hausaufgaben (wohl eher nicht) oder Surfen oder ein Game, aber so wichtig, dass sie mich Knall auf Fall rausschmeißt, kann es jedenfalls nicht sein. Und gehen mag ich so nicht. Nicht, ohne die Sache aus der Welt geschafft zu haben. Das hasse ich nämlich, wenn etwas ungeklärt ist.

      »Meine Mutter hat niemandem was getan«, sage ich darum. »Die kann auch nichts dafür, dass deine Mutter krank geworden ist und in Reha musste und du jetzt hier bist. Die hat mit euch überhaupt nichts zu tun. Das hatte sie noch nie!«

      Josefine tippt.

      »Ich find’s außerdem doof, wenn ihr euch streitet und ich alles abkriege.«

      Jetzt schielt sie hoch.

      »Ich muss mich auch auf meinen Kram konzentrieren können«, sage ich und ziehe die Nase hoch. »Auf Mathe und so.«

      Josefine verzieht mitleidig das Gesicht. »Mimimi«, macht sie und da gehe ich doch. Auch wenn nichts aus der Welt geschafft ist. Und zwischen all den Gedanken, die durch meinen Kopf wimmeln, hallt es: Kannst ja mal drüber nachdenken.

      Beim Abendessen haben sich alle wieder eingekriegt. Kann sein, dass es an Papas Vortrag über die Windenergieproduktion seiner Firma liegt, durch den

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