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des Hofes in der Au dünstete der Weihrauch der Exequien. Die Kerzen brannten auf dem Altar. Der kleine Raum war gedrängt voll von den Leichenbetern am siebenten Tag. Die Stimme des Pfarrers Gasthuber im Ornat murmelte:

      „A porta inferi“

      Und das Responsorium:

      „Erue, Domine, animam eius.“

      Der Flori stand mit gefalteten Händen. Es ging um die Pforten der Hölle und die Seele des Vaters. Aber dazwischen immer wieder die Sorgen von dieser Welt — die eigenen Sorgen.

      Feierlich, vom Altar, die Oratio:

      „Absolve, Domine, animam famuli tui ab omni vinculo delictorum . . . “

      Herrgott — gib dem Vater an Frieden! Aber hilf auch, dass ich auf dem Hof besteh’!

      „Requiem aeternam dona ei, Domine!“

      Ich will mit dem Vater net hadern — dass er manches nicht recht gemacht hat in der Au und ich’s büssen muss . . . Ich bet’ ja fleissig mit für dem Vater seine himmlische Ruh’ . . .

      Und die Antwort am Altar:

      „Et lux perpetua luceat ei!“

      Und ihm leuchte das ewige Licht . . .

      Die Tür der dämmerigen Kapelle öffnete sich. Stumm drängten sich die Leidtragenden über die Schwelle hinaus in das Leben, in warme Luft und lichte Sonne und Frühlingsglanz über Berg und Tal.

      Tiefblau und sattgrün lachte um den Florian Vogl, als er aus dem kalten Weihrauchnebel der Kapelle trat, der Maienfrieden. Er ging, abseits von den andern, mit bedächtigen Schritten — schon in diesen anderthalb Wochen mehr der geplagte Bauer als der trotzige Jungbursch bisher — in den verblätterten, weissen Blütenglast des Obstgartens hinein.

      Ein hundertfaches, geschäftiges Leben und Weben verdrängte da in seinem Ohr das dumpfe Gemurmel der Totenmesse. Es brauste um die Bienenstöcke, in der Luft zitterten die kleinen gelben Schlupfwespen, die Hummeln brummten, fein sangen vom Stall her die grauen Stechfliegen — der Bauer in der Au hörte geistesabwesend den Singsang der unvernünftigen Kreatur, und in seinem Kopf summten, wie die beflügelten schwarzen Punkte um ihn, die Sorgen.

      Im fast leeren Kuhstal stritten Stimmen. Ein blühender Mann mit blondem Schnurrbärtchen in dem rosigen Gesicht kam heraus und brüllte:

      „Bauer — dämpf doch den Simon! Dös is ja a Rauber!“

      Der Flori schaute finster auf den Niggl, den Viehhändler. Der klopfte mit seinen Wurstfingern auf die dick geschwollene Brusttasche in seiner blauen Leinenjacke.

      „Vogl! Dreihundert auf d’ Hand für die Kälberkuh! Magst net? . . . . Fahr’n wir halt an Hof weiter!“ Er stapfte auf seinen grauen Fordwagen zu. „Heut braucht a jeder Bauer Geld! Wer wie i in den Ställen umikimmt — wieviel Vieh da steht mit den blauen Wapperln vom Gerichtsvollzieher am Horn! Musst ja verkaufen . . . “

      „Aber net herschenken . . . “ schrie wütend der blasse, besinnliche Simon. Sein Bruder, der Flori, zuckte düster die Achseln.

      „Also geh her, Niggl! — da in dem Simon seine Stub’! . . . Blutig Kreuz noch mal!“

      Die Kammer des Simon war eine Art Museum. Da hatte er seltene ausgestopfte Viecher an den Wänden: ein schwarzes Rackelhuhn, aus der Kreuzung von Auer- und Birkwild, eine schwarzweissgefleckte Amsel, den Kopf von einem Perückenbock mit dickem Bastgehörn. Bücher hatte er auf dem Fensterbrett stehen — nicht nur die Bauernkalender. In einem Wandschränkl grün-weisses Marmorgeäder vom Untersberg, blaue und grüne Glasflussklumpen aus längst aufgelassenen Glashütten, eine dicke Kupfernatter in Spiritus. Ein Herbarium mit gepresstem Frauenschuh und Edelweiss und Alpenrosen.

      In dem bäuerlichen Gelehrtenstübl machten sie den Kuhhandel richtig. Der Niggl töffte davon. Un seiner Stelle trat der Steuervorgeher der Gemeinde in die Stube.

      „So — da hätten wir die Abgaben beisammen — für heut! — Vogl! Mit allen Rückständen!“

      Der Bauer in der Au zahlte, mit dem eben erhaltenen Kaufgeld. Weg war’s! Just radelte der Postbote heran. Der brachte einen Brief aus Holzing, vom Notariat. Eine blaue Zahlkarte fiel heraus: die Gebühren für die Auseinandersetzung mit den Geschwistern. Zu entrichten innerhalb vier Wochen! Aber wovon? Erst Schulden und darfst dafür blechen . . . . Ui sakra . . . Ui sakra . . .

      Da war noch ein zweites dickes Schreiben mit gedruckter Aufschrift: In so was stand selten was Gutes! Da haft’s schon! Mitteilung der Hypotheken- und Wechselbank: Zur Begleichung des schon seit vier Monaten überfälligen Zinshalbjahrs werden wir den Betrag bei weiter ausbleibendem Eingang zum Fünfzehnten dieses Monats durch Postnachnahme erheben . . . .

      Und da noch ein gedruckter Aufruf an alle Ökonomen, von vielen G’wappelten aus der Stadt unterzeichnet — ‚In — ten — siv — ste Bodenkultur’. Der Vogl-Bauer buchstabierte stirnrunzelnd. Viel mehr Kalk — stick — stoff — düngung — hochwertigstes Saatgut — die modernsten Maschinen — ohne das geht’s net — san denen ihre Sprüch’ . . . Ja wovon denn d’ Maschinen kaufen? Und wann i aufs Tagwerk auch nur drei Zentner Thomasmehl und zwei Zentner Kainit einischütt’, so zahl’ i ja heutzutag’ zu. G’hört auf den Abort hintri — dös Papier! Da is es noch zu was nutz! Ja — Herrgott — i kann doch net Dukaten misten, wie a Ross die Äpfel!

      Dem Bauern in der Au wurde grün und gelb vor den Augen. Er schaute zu der getäfelten Zirbeldecke, als müsste das Hausdach da oben unter der Last der Schulden einstürzen. Und aus den Schulden heckten die Zinsen wieder wie die jungen Mäus’ aus den alten, und die Steuern . . . . .

      Der Flori seufzte und ging in die Wohnstube zu den Geschwistern. Die hatten da, als er eintrat, eifrig die Köpfe zusammengesteckt, und die Schwester Zenz, die frische, junge, rotwangige Bäuerin vom Chiemsee, sagte beim Aufbruch laut:

      „Nächsten Sonntag, Flori, hat’s bei uns in Walching a Preisplatteln! Da fährst mit deinem Verein im Laftauto mit!“

      „Täť mir gut anstehn: Schuhplatteln — wo der Vater gerad’ heim is!“

      „Platteln net! Aber uns besuchen derfst! No und da siehst auch die Distl-Vroni . . . “

      „I kann’s erwarten . . . “

      „Wir gehn mal ’nüber zum Distl und schauen’s Vieh an! I sag’ dir: so a Hof findest selten! Und Baugründ’ für Siedelungen dabei — von wegen der Aussicht übern See — verstehst — da liegt’s Geld auf der Wiesen! Brauchst’s gerad’ aufzuheben!“

      „Und volljährig is sie, die Vroni!“ ergänzte der Mann der Zenz, der Heiss von Walching. „G’hört alles zu dreiviertel net der Distl-Mutter, sondern ihr!“

      „Und sauber is sie! I kenn’ sie!“ schloss die zweite Schwester, die Ametsrainerin von Egg. Und der hochwürdige Herr Bruder, der Donat, legte dem Flori die Hand auf die Schulter:

      „Ich täť an deiner Stelle fahren! Einmal musst du dich doch nach einer Bäuerin umtun! Die Ehe ist ein christliches Sakrament!“

      Als sie alle weg waren, schaute der Flori, wieder im Bauernrock, mit nackten Knieen, von dem Haus auf die grünen Wiesen weithin die Hänge empor bis zum Wald. Das Futter stand gut, satt von Sonne und Regen. Es war hohe Zeit zum Heuen . .

      Und der Bauer überlegte: Heuen ohne Leut’? Der Grossknecht weg als Hausmeister in Reichenhall, die Stalldirn als Stütze nach München, der neue Senn, der kommen sollt, dort als Bierfahrer! Also was bleibt? I und der Simon und der Steffel, der geringe Bursch, und die schwache Toni, und der Peperl, der Dienstbub! Damit schaff’ ich’s nie und nimmer!

      Er ging zum Telephon und liess sich mit der Amtsstadt verbinden und rief in die Membran:

      „Hier is der neue Vogl-Bauer in der Au, Gemeinde Pittenham! Können S’ mir heuť noch a paar Leut’ zum Heuen schicken?“

      „Ja — wo denken S’ dann hin?“ sagte im Apparat eine ruhige Männerstimme. „Das

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