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Aussicht wollt’s?“ sprach sie dann sittsam und gleichgültig obenhin. „Ja — geht’s nur! Wird die Vogl net gereuen!“

      Aber in diesem Augenblick kam rein von ungefähr die Distl-Mutter in den Stall gehumpelt. Der Simon überzeugte sich mit einem Blick: da war nix von Wasser in die Haxen, wie es die Zenz vorhin gesagt hatte. Das war nur das Reissen, wie’s die alten Weiber an sich haben. Die Austragsmutter lebte noch lange. No — auch recht . . .

      Die Distl-Mutter war noch gar nicht so alt, kaum fünfzig, aber ein vor der Zeit verschrumpfeltes und verhutzeltes, freundliches, zahnloses Weiblein. Sie hatt’ es in ihren jungen Jahren hart gehabt, als Feldmagd, bis der Distl sie heiratete. In die Eh’ gebracht hatte sie ihm nix und darum mit ihm — gegen den Brauch — in Gütertrennung gelebt. Deswegen war die Vroni die Erbin.

      „Geht’s in die Stub’ und setzt euch a weng, wann’s schon da seid!“ sagte sie gastlich und goss dort den Nachbarn und den Zenz-Brüdern aus grüner Glaskaraffe Enzianschnaps ein. Die Vroni kam auch und setzte sich derzu. Von allem durft’ man jetzt, nach Jahrhunderte altem Brauch, reden, nur nicht von dem, was alle im Sinn hatten. Der Simon warf dem Flori einen vielsagenden Blick zu. Für zwei Bauern wie sie brauchte es nur ein flüchtiges Auge rechts und eins links durch die Felder und den Hof. Dann wusste man schon, wie es um ein Anwesen stand.

      „Vor deiner Tochter muss man scho’ den Hut ziehen!“ sagte er zu der Distl-Mutter. „Da hast Glücë gehabt als Witib. Die regiert hier gut! Das bringt net a jede fertig!“

      Und der Flori beschaute sich unterdes die herbe, feine Distl-Tochter, die still dasass, die Hände im Schoss, als ginge sie die ganze Geschichte nichts an . . . .

      „Du hältst den Hof im Schwung wie a Bauer!“ fuhr der blasse Simon, zur Vroni gewendet, fort.

      „Dös glaubst!“ erwiderte das Vronerl höflich, aber kurz.

      Der Vogl-Flori blickte sich in der Stube um. Das eine Wandkastl zwischen zwei Fenstern stand halb offen. Drinnen waren allerhand Papiere übereinander gestopft. Auf dem Fensterbrett daneben lag wie durch Zufall ein dicker Brief mit einem Bankaufdruck.

      „Warum lachst denn, Vogl?“ fragte die Distl-Mutter.

      „Weil i das Schriftliche da drüben seh’! Das kenn’ ich! Das is nie was Gut’s! Da haben f’ ’s fei’ immer gleich mit die Zinsen, in der Stadt . . . “

      „Freili!“ sagte das Vronerl gelassen.

      „Ja — zahlst du gern Zinsen?“

      „Zahlen? Die krieg’ i doch!“

      „Dreissigtausend Markln —“ sprach der Heiss — „vom Verkauf von den Baugründ’ — hat sie auf der Bank liegen!“

      „In Minka?“

      „Beileib’ net in München! Da wärst der Rechte!“ Die Vroni beugte sich vor. Das feine Antlitz mit den klugen, blauen Augen wurde lebhafter. „In Deutschland nehmen s’ dir ja alles weg, mit den Steuern . . . “

      „Dös kenn’ i!“ nickte der Vogl in der Au.

      „Ah na! . . . Da in Östreich hinten — also net recht in Östreich — verstehst — aber doch halt dort in der Näh’ — da hat’s a Stadt — die heisst Vaduz! Da brauchst kaum a Steuer zu zahlen! Da hat’s Banken. Auf die lässt die’ Geld verschreiben und die Zinsen dazuschlagen! Nachher bist sicher!“

      „Ja — und das vermag a Dirndl wie du — so mit den Banken schreiben?“

      „I bin net gelehrt genug dazu. Aber da hat’s schon zuverlässige Leuť im Land — i kenn’ mehrere — denen du trauen derfst! Die besorgen dir alles! Das tun jetzt hier viele, die noch a bissel a Geld haben, dass sie ’s aussischicken, eh’ es ihnen hier weggenommen wird! Wann du amal so an Mann nötig hast . . . “

      „Könnť scho’ sein!“ sprach der Flori diplomatisch und musste innerlich dabei lachen. Als ob das Madl drüben nicht ganz genau wüsst’, wie es um ihn stand! Der Simon erhob sich.

      „Schön Dank, Mutter! Jetzt steigen wir aufi!“

      „I kann euch net begleiten, mit meinen schiechen Haxen! Aber ‘leicht geht’s Vronerl mit!“

      Oben auf der Höhe richteten es die andern, bei der Betrachtung eines Kleeschlags, so ein, dass der Flori und die Distl-Vroni weiter vorn mitsammen allein blieben. Sie standen nebeneinander unter ein paar zwei Mannsarme klafternden Linden, noch aus uralter Klosterzeit, und schauten mit der Andacht der Bergler hinaus auf das Hochgebirge.

      Jenseits des stundenweiten Seespiegels türmte es sich vor ihnen mit seinen Wäldern und Weiden und Schroffen und Schneebergen schon im Salzburger Land. Lücken klafften in der Gebirgsmauer. Durch die strömten die Wasser Tirols der fernen Donau zu. Gespenstig grau und tot standen da hinter der Kitzbüheler Ache die Loferer Steinberge und dort, an der breiten Scharte des Inntals, weissflimmernd, im ewigen Schnee seiner Zacken, die Alpenmauer des Wilden Kaiser.

      „Schön is die Aussicht, Vogl — gelt?“

      Der Flori nickte und schaute auf den See. Tiefblau, friedlich heute, schliefen seine Fluten. Auf ihrem Spiegel schwammen, wie weisse Schwäne, die Segeljachten. Grosse Dampfer rauchten, schwarz voll Menschen. Schlangenlinien liefen hinter dem Flitzen der Motorboote. Ruderkähne krabbelten wie Wasserkäfer zwischen den Inseln und dem Ufer. An diesem nahen Ufer hing nachdenklich das Auge des Vogl-Bauern.

      „Wie weit gehn dann eure Gründ’ am See her?“

      „Zehn Tagwerk gut!“

      „Dös glaub’ ich, dass s’ dafür dreissigtausend Markln gezahlt haben in München . . . “

      „Ah, beileib net! . . . Das war doch das Land dort drüben . . . Siehst ja die Baustellen — die Ziegelstein’ und den Sand! Die Tagwerk’ hier — die gehören noch mein!“

      „Was d’ net sagst . . . “ Dem Vogl-Bauer wurde unruhig ums Herz.

      „Die geb’ i net so leicht. Die derfen noch steigen im Preis — und wann mir die Schmuser die Ohren vollplärren!“ sprach das blonde Vronerl entschlossen, mit einem zähen Zug von Geschäftsgeist auf dem feinen, herben Mädchengesicht. „I kann warten! Schau’ dir nur die Kiesel unten am Ufer an! — net so Moor und Schilf wie sonst hier! Dös gibt a Strandbad — sag’ i!“

      „Du bist ganz a Zünftige!“

      „Ja mei! I muss mir selber helfen! Die Mutter, die kann ja so was net! Und sonst hab’ i niemand!“

      „Is, freili arg!“ sprach der Flori gedankenvoll. Die Distl-Vroni antwortete nichts. In die Stille zwischen ihnen drang da unten, von der Walchinger Festwies’, der dumpfe Paukenschlag der Musik. Als bunte Pünktchen flimmerten, auf den Holzbänken vor den Bierkrügeln aufgereiht, die Menschen.

      „Gehst net tanzen?“ fragte der Vogl-Bauer.

      „Auf d’ Nacht scho’!“

      „Für mich is dös jetzt nix — wegen dem Vatter selig. I darf schauen, dass i heimreis’!“

      Der Flori wartete auf eine Erwiderung. Als keine kam, hub er wieder an:

      „ . . . i muss doch bald mal wieder her . . . nach der Zenz schauen . . . bis die sich hier bei euch eing’wöhnt hat . . . “

      „Da brauchst net bang zu sein — der ihr Mann — der Blasi, is scho’ recht!“

      „No: I komm doch . . . da schau’ i auch mal bei euch eini!“

      „Wann d’ magst!“ . . . sagte die Vroni kurz und lugte dabei angestrengt über den See. Es klang nicht sehr gastlich. Aber dem Flori waren die Weibsleuť nichts Neues. Es war ihm für den Anfang ganz genug — bei so einer Harben . . .

      Zusammen mit den andern stiegen er und die Veronika zum Distl hinunter. Auf dem Hof führte ein Knecht im Sonntagsstaat behutsam einen langbeinigen Braunen am Stallhalfter in der Runde. Der Gaul zog ein wenig

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