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und wedelten ihr und den Fliegen verächtlich mit dem Schwanz zu. Sie spürte, daß sie sie ärgern wollten und schlechte Laune hatten, weil sie nichts von Pferden verstand und nicht einmal ihre Farben kannte. Sie fand, daß sie in Wirklichkeit alle gleich aussahen oder alle Farben des Regenbogens hatten, außer blau. Ein Pferd von dieser Farbe hatte sie nur einmal auf einem Bild gesehen.

      Eines der Pferde wich nicht zurück. Es blieb ruhig stehen, schien zu warten, und sie ging ziemlich zögernd zu ihm hin. Da sah es auf, hob den Kopf in die Höhe und spitzte die Ohren, das Maul feucht vom grünen Gras, sah sie wie ein heiliges Wesen an und stand unbeweglich da, während sie ihm das Zaumzeug anlegte, so wie es der Bauer getan hatte, als er ihr zeigte, wie man aufzäumt; er tat, als wolle er es ihr anlegen, und sagte mit aufreizendem Lachen:

      So würdest du von einem guten Bauern aufgezäumt, wenn du eine Zuchtstute wärst.

      Der Zaum legte sich mühelos dem Kopf des Pferdes an, wie durch ein Zauberkunststück, und die Trense fand spielend leicht ihren Weg in sein Maul, ohne den geringsten Widerstand. Einen Augenblick lang schienen ihre Hände Flügel zu bekommen, als sie die Trense in das Maul schob, das voll war von einer warmen, schäumenden, grasgrünen Masse. Es ging großartig, das Pferd glich einem braven Kind, das mithilft, wenn man es anzieht. Sie führte es am Zügel hinter sich her zum Haus.

      Als sie zum Hof kam, wartete der Bauer und fragte, warum sie das Pferd nicht reite.

      Muß man Pferde nicht immer am Zügel führen? fragte sie.

      Er lachte, und sie glaubte, er wolle sie das Pferd zurückbringen lassen, denn sicher hatte sie eines von der falschen Farbe geholt. Doch er tat es nicht, und sie versuchte, sich die Farbe zu merken, damit sie wußte, wie ein torfiges Pferd aussah. »Die torfige Farbe ist so«, wiederholte sie einige Male vor sich hin. »Es ist keine bestimmte Farbe, aber es ist trotzdem die Farbe eines bestimmten Pferdes: Es ist ein bräunliches Grau.« Sie freute sich darüber, wie einfach es gewesen war, ein torfiges Pferd zu finden und zu holen. »Vielleicht ist es am einfachsten, Pferde zu holen, die diese Farbe haben«, dachte sie. Sie schienen sich das Zaumzeug irgendwie selber anzulegen.

      Der Bauer sagte, es sei das beste, sie aufsitzen zu lassen, um zu sehen, ob sie reiten könne, und er hob sie ohne Umschweife aufs Pferd.

      Jetzt wollen wir mal sehen, sagte er mit spöttischer Miene.

      Was muß ich jetzt tun?

      Sie saß unsicher und zitternd auf dem Pferd und war in einer bisher nicht gekannten Entfernung von allem, luftig, ein wenig ängstlich und schwindlig, freute sich aber insgeheim trotzdem und war stolz auf diesen Sieg. Einen Augenblick lang glaubte sie, ihr Magen wolle durch den Mund hinausströmen wie ein aufgeblasener lila Luftballon. Irgendwo in ihr drin mußte ein heftig zappelnder Fisch sein, denn im Bauch spürte sie die Schwanzschläge eines Fisches, der schnarrende Laute von sich gab: er schien nicht zu wissen, an welchem Ende er aus ihr hinaushuschen sollte.

      Plötzlich, ohne daß sie wußte warum, schlug sie mit den Füßen fest und heftig gegen die Seite des Pferdes, das einen Satz über die Böschung hinunter machte und sie abwarf. Während des Sturzes wirbelte etwas in Bruchstücken von ihr weg, die Häuser am Strand, das Meer und ihre Spielkameraden, ihr wurde schwarz vor den Augen und sie fiel ins Gras, in die Welt der Tiere hinein. Schließlich rollte sie nicht mehr willenlos im kühlen Gras weiter, sondern lag auf dem Rücken und sah zum Himmel hinauf. Wie in Trance hatte sie plötzlich die Vorstellung, daß sie gerade eben gestorben sei und zum ersten Mal in eine blaßblaue Ewigkeit mit ein paar Wolken hinaufschaue, doch im selben Augenblick zog der Bauer sie aus diesem friedlichen Gefühl heraus auf die Beine.

      Jetzt weißt du, daß die Tiere empfindlich sind, sagte er. Du mußt ein Gespür für sie bekommen.

      Sie war unverletzt und konnte aufrecht stehen. Sogar das Genick war in Ordnung, denn der Bauer sagte:

      Nein, du hast dir nicht das Genick gebrochen. Man bricht sich nicht immer das Genick, wenn man vom Pferd fällt. Manchmal kommt es allerdings vor. Aber du bist jung und hast weiche Knochen.

      Und der Kopf sitzt noch fest!

      Die Frau war sehr nett und empfing sie so freundlich, als sei sie vom Pferd in das Leben auf dem Hof hineingefallen und habe durch ihren Sturz die volle Anerkennung bekommen. Am Abend, als sie ins Bett ging, verschwand nicht alles um sie herum in einem Nebel. Es war jetzt anders als in der ersten Nacht, als sie noch nie zuvor in einer unbekannten Umgebung eingeschlafen war.

      Die Schmerzen in ihrem Körper waren unbequem, aber nicht unangenehm. Kaum hatte sie sich müde auf das Kissen gelegt, da wurde sie eins mit dem Atem von jemandem, der noch nicht da war, aber am Tag darauf kommen sollte und sicher am nächsten Abend in dem anderen Bett schlafen würde. Sie hatte den Mann und die Frau davon sprechen hören. Darüber dachte sie nach, und sie wußte nicht, wann der Schlaf sie eins werden ließ mit der Stille draußen vor dem Fenster, der Kühle, dem Gras, dem sanften Wind.

      Im Schlaf war es fast so, als ob sie wach liege oder der Schlaf eine andere Art von Wachen sei, viel erfreulicher als das Wachen, bei dem man am Tag wacht und sich abmüht. Der unangenehme Aasgeruch der Hunde war verschwunden. Sie fuhr nicht erschrocken auf, weil Fliegen, die nicht schlafen konnten, im Halbdunkel durch das Zimmer flogen und sich mit kitzelnden Füßen auf ihrem Gesicht niederließen. Mit ihren ständigen Angriffen hatten sie ihr die Nacht kürzer und länger erscheinen lassen. Sie rochen nach Hund und Jauche. Jetzt ließ die Müdigkeit keine Fliegen mehr vorhanden sein. Der Körper des Mädchens schmolz im Schlaf und floß über die Erde, das Moor und die Berge, bis die Müdigkeit ihn verließ, und dabei nahm er wieder feste Form an und erhielt seine normale Größe. Dann träumte sie, daß aus ihrem ganzen Körper ein Traum herauswachse. Sie tastete rasch mit den Fingern nach ihm und spürte, daß sie überall große Büschel langer Haare hatte, selbst auf den Augen und den Fingern. Dann wuchs das Haar so schnell, daß es sie ganz verhüllte, und sie wurde zu einem winzigen Etwas im Innern des Haarhaufens und dachte verzweifelt: »Ich komme nie hier heraus.«

      So erwachte sie jäh an einem neuen Tag. Doch sie war kein bißchen müde und tastete sich vorsichtig überall ab, um nach den Haaren zu suchen. Da merkte sie im morgendlichen Licht, daß sie sicher sein konnte, daß sie wachte und nicht mehr träumte.

      5.

      Die Vögel hatten sie mit Verwunderung und Angst erfüllt, denn die Erde schien einen Weg für sie zu bahnen, indem sie die Vögel plötzlich vor ihren Füßen in die Luft hinaufwarf, damit sie nicht darüberstolperte. Unvermutet und völlig überraschend schossen sie vor ihr in die Höhe, braun, klagende Steine mit aufgeregtem Flügelschlag. Sie versuchte, diesem weichen Steinregen auszuweichen. Auch nachdem sie sich daran gewöhnt hatte, daß die Vögel aus ihren Verstecken aufflatterten, erschrak sie und bekam Herzklopfen, hatte aber trotzdem ihren Spaß daran und begann, nach ihnen Ausschau zu halten. Sie hatten jedoch genau dieselbe Farbe wie die Erde, und das Mädchen entdeckte sie nie, bevor sie aufflogen. Das schmerzliche Klagen des geflügelten Steinhagels erweckte in ihr Freude, Gier und das Verlangen, die Nester zu finden, das Geheimnis der Vögel zu entdekken; aber sie fand sie nie.

      Die Vögel auf dem Land schienen ihre Nester nicht Jahr für Jahr an bestimmten Stellen zu bauen, wie die Vögel daheim. Dort waren sie immer an den gleichen Stellen, entweder in Bäumen oder in Mauerlöchern. Auf dem Land gab es unzählige Verstecke, und das Gras wuchs über die Nester und verbarg sie. Hier war alles irgendwie geheimnisvoll und schweigend.

      Als sie über die Weide ging, überkam sie das widerwärtige, kitzelnde Gefühl, daß unter dem gelben, abgestorbenen Gras vom Vorjahr, durch das neues Gras auf den Höckern hindurchwuchs, überall junge Vögelchen seien, so daß sie manchmal kaum wagte, mit dem Fuß aufzutreten, und am ganzen Körper ein Prickeln spürte und sich sündig fühlte, weil sie unter den Schuhsohlen vielleicht Vogeleier zerdrückte oder kleine, halb gefiederte Vögelchen zerquetschte. Dennoch gewöhnte sie sich auch daran, daß die Füße genauso in das abgestorbene Gras einsanken wie in das Moor, und daß sie möglicherweise Eier oder junge Vögel zu Brei zertrat.

      Auf dem Land schien die Erde genauso unsicher unter den Füßen zu sein, wie es natürlich war, daß man auf ihr lebte und starb.

      Innerhalb

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