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Der Schwan. Gudbergur Bergsson
Читать онлайн.Название Der Schwan
Год выпуска 0
isbn 9788711468289
Автор произведения Gudbergur Bergsson
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Komm heraus zum Spielen bei dem guten Wetter.
Er war sauber und adrett gekleidet. Sein Gesicht war wie Schlagsahne, nur die Wangen hatten die Farbe von Erdbeeren. Er versuchte, überall sein Lächeln anzubringen, während er vor sich hin gluckste, wie es kleine, dicke Jungen tun, anstatt offen zu lachen. Das war ein Zeichen absoluten Wohlbehagens, und er zappelte hin und her mit seinem hellen, festen Speck.
Sie ist nicht hierhergekommen, um zu spielen, sagte die Frau schnell. Sie muß arbeiten.
Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, befahl sie ihr, den Abfall hinauszutragen. Das Glucksen des Jungen hörte plötzlich auf, während er die Kleine enttäuscht ansah, und das Lächeln verschwand. Er schien nichts zu verstehen, und sie ging schweigend im Bogen an ihm vorbei. Er wurde wieder eifrig und zappelig, wich aber dennoch zurück. Das Mädchen spürte, daß ein himmelweiter Unterschied zwischen ihnen war, als die Frau ihn ziemlich scharf und höhnisch fragte:
Wird für dich nicht Geld bezahlt?
Der kleine, dicke Junge gab es zu und bekam traurige Augen. Die Grübchen und die Erdbeeren auf seinen Wangen wurden blaß.
Die Kleine hatte noch nie zuvor einen Unterschied zwischen sich und anderen Kindern verspürt. Nun wußte sie, daß es diesen Unterschied gab und daß sie nur sie selbst war, nicht so wie andere Kinder, nur sie allein und selbst. Dadurch wurden ihre Eltern auch zu Leuten, die ihr fremd waren, und dasselbe galt für ihre Geschwister, ihren Großvater und ihre Großmutter. Die schnellen und schonungslosen Worte der Frau hatten die Familie von ihr losgerissen, während sie den Abfalleimer durch den Gang nach draußen schleppte. Wenn sie nichts Schweres in den Händen gehabt hätte, wäre sie sicher umgefallen, hätte dabei den Abfall über sich ausgeschüttet und zu weinen begonnen, gänzlich verlassen, doch der Eimer war so schwer, daß die Mühe und Konzentration, die es brauchte, damit nichts herausfiel, dafür sorgten, daß Geist und Körper im Gleichgewicht blieben. Sie verzog das Gesicht, damit man nicht sehen konnte, wie ihr zumute war.
Wirf den Abfall den Hühnern am Gemüsegarten hin! rief ihr die Frau nach. Sie können sich etwas herauspicken.
Der Junge wurde wieder zappelig, lief voraus und sagte:
Ich weiß, wo man den Abfall hinwerfen muß, ich zeig es dir.
Sie warf den Abfall den Hühnern hin, die sich gleich darüber hermachten. Der Junge war währenddessen mäuschenstill. Doch plötzlich sagte er:
Es lohnt sich, so zu sein, wie du bist, und nicht wie ich.
Sie schaute ihn fragend an, und er fügte hinzu:
Vielleicht bekommst du im Herbst Geld, weil für dich nicht bezahlt wird. Ich weiß, daß ich nichts bekomme.
Sie sah ihn an.
Du verdienst etwas, sagte der Junge. Weil du arbeiten mußt.
Sie sah ihn immer noch an.
Deine Eltern verdienen an dir, fügte er eifrig hinzu. Papa und Mama zahlen drauf bei mir. Das ist der zweite Sommer, in dem sie bei mir draufzahlen.
Sie schaute weg und hatte Mitleid mit dem Jungen und seinen Eltern.
Siehst du nicht den Unterschied zwischen uns? fragte er und fügte hinzu: Bist du stumm?
Die Hühner gackerten um sie herum. Die Kleine wollte den Mund aufmachen, einen Laut von sich geben, wußte aber nicht, was sie sagen sollte. Sie räusperte sich nur. Als der Junge davonlief, versuchte sie, ihr Schweigen mit Worten zu durchbrechen.
Sicher kann ich sprechen, sagte sie.
Ihre Stimme war natürlich und leise. Wegen der unerwarteten Freude, die sie überkam, begann sie, mit den Hühnern um die Wette zu gackern. Manchmal gackerten sie im Chor. Sie lachte. Es war beinahe so, als sei in ihr ein Tier, das gackern, muhen, blöken und wiehern konnte, als sei ihr dies angeboren. Da hielt sie sich die Hand vor den Mund.
Es ist ein kleines Huhn zu uns gekommen, sagte die Frau fröhlich, als sie mit dem leeren Eimer hereinkam. Du wirst dich rasch an das Leben auf dem Land gewöhnen. Die Tiere helfen Kindern.
Sie war freundlich geworden.
Die Kleine schloß kurz die Augen, um sich ein Bild ins Bewußtsein zu rufen, das sich von der Herzlichkeit der Frau unterschied. Es war das ihrer Mutter. Sie war beim Wäschewaschen. Aus der Öffnung der Waschmaschine kam dichter Dampf, in dem sie verschwand. Dort verwahrte sie ihre Mutter, machte dann die Augen auf und lächelte. Von nun an würde sie immer so tun als ob und den ganzen Sommer lang schauspielern, damit sie spielen konnte wie der Junge, aber auf ihre Art, auf andere Weise als er. Es war Ende Mai. Sie war aufs Land geschickt worden, auf einen guten Hof zu Leuten, die aus der Welt schaffen sollten, was sie getan hatte. Und sie mußte für ihren Unterhalt arbeiten.
Während sie vor der lächelnden Frau stand, schickte sie aus dem Kopf rasch ein unsichtbares Gift durch das ganze Haus. Sie vergiftete die Zimmer, die Leute, die Tiere, die Pflanzen und die Luft, lächelte aber trotzdem und fragte:
Was soll ich als nächstes tun?
4.
Gleich am Tag darauf wurde die Kleine hinaus ins Moor geschickt, um ein Pferd zu holen, von dem der Hausherr sagte, es sei torfig. Sie wußte nicht, was das bedeutete, vermutete jedoch, daß torfig irgendeine Farbe war. Sie fragte aber nicht, weil sie fürchtete, man würde sie für dumm halten.
Dann machte sie sich zweifelnd auf den Weg und ging langsam, das Zaumzeug auf der Schulter, über die Hauswiese hinunter. Es war das erste Mal, daß sie den Hof verließ, und sie freute sich darauf, allein sein zu können; sie hoffte, daß die Antwort draußen in der freien Natur leichter zu ihr finden würde als in der Nähe des Hauses, und daß ihr, falls es eine Farbe war, aufginge, wie sie aussah.
Torfig; was ist das? dachte sie, bereit, die Antwort aufzunehmen.
Die Herde weidete unendlich weit draußen im Moor. Von so weit weg im hellen Sonnenschein gesehen, waren die Pferde unwirklich, in einer anderen Welt der wundersam schönen Vorahnung in ihrem Körper, und sie glänzten in der schillernden Ferne. Bisweilen schien es, als steige die Herde auf von der Erde, als wehe die Luft sie in einem kräftigen, welligen Silberstrom hin und her und mache sie teilweise oder fast ganz unsichtbar. Mit einem Mal schwebten Pferde ohne Beine oder ohne Köpfe durch die wellige Stille. Strahlender Sonnenschein im Gras und am ganzen Himmel. Es war, als hätte man eilends feuchte Hitze aus einem blauen Gewölbe ausgeschüttet.
Kaum war sie durch das Tor der Hauswiese auf das höckerige Moor hinausgetreten, da begann unter ihren Füßen alles zu schwanken und zu schaukeln. Das war kein sicherer Boden, sondern ein festes Gelee, das sich ganz leicht bewegte. Die Füße verschwanden halb in einer rötlichen Brühe, und sie bemerkte, daß diese nach altem, verrostetem Eisen roch. Das braune Moorwasser schwappte gurgelnd über die Gummistiefel herauf. Die Erde jaulte auf unter ihren Füßen, der Schlamm spritzte mit feindseligem Knurren unter den Schuhsohlen weg, und der Morast schien sie verschlingen zu wollen, tat es aber nicht; die Füße blieben immer in einer bestimmten Tiefe stehen. Und die Angst nahm ab, je weiter sie auf dieser seltsamen Mischung von Luft, Schlamm und Wasser vorankam. Bald begann sie, Spaß zu haben an dieser Komödie, wenn die Füße von einer unbekannten Kraft nach unten gesogen wurden, und sie sie dann mit ihrer eigenen Kraft und ihrem eigenen Willen wieder heraufzog. Die Erde gab nach und röchelte, wenn sie über den Matsch siegte. Platsch, platsch-platsch, sagte das Moor bei jedem Schritt.
So stapfte sie weiter durch die Nässe und geriet bald außer Atem, denn sie war den schwammigen Boden nicht gewohnt.
Die Pferde schienen immer gleich weit weg zu sein, so sehr sie sich auch zu beeilen suchte. Das ein klein wenig gewellte Flachland schien den Weg mit jedem Schritt länger werden zu lassen. Die heiße Luft zitterte. Trotzdem konnte man durch sie hindurchsehen, sie war rein, unschuldig und klar. Zu Füßen des Mädchens surrten Schwärme von Fliegen über den Pflanzen herum.
Da hatte sie plötzlich die Herde erreicht, doch nun waren es die