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Evangelium die göttliche Weisheit, die mit Jesus in unser Leben kam. Eine formale Parallele liefert hokma in Sprüche 8. Wenn dieses „Wort“ jedoch die Sphäre menschlicher Erfahrung betritt, ist es nonkonform mit der herrschenden Kultur; es wird abgelehnt von den Seinen. Vgl. meinen Aufsatz „Glory in a Tent“, in: Yoder (1985), S. 69ff.

      33 Niebuhr (1946), in derselben Zeitschrift nachgedruckt in Niebuhr (1983). Zur weiteren Diskussion mit Niebuhrs Argumentation s. Stassen et al. (1996).

      34 Manche Zeitgenossen würden diese Aussagen über den Geist „charismatisch“ verstehen, also dass heutige Weisheitsworte den Gläubigen neue kontextuelle ethische Weisung geben könnten. Niebuhr jedoch meinte das nicht so, er dachte vielmehr an die „Lektionen der Geschichte“, die in Jahrhunderten von der Kirche vorgenommenen Anpassungen an Strukturen wie Volk, Staat oder Wirtschaft als den störrischen Konstanten der gefallenen Welt. Die Bitte um Leitung durch den Heiligen Geist zielt auf Bestätigung dieser Anpassungen.

      35 Vgl. Anm. 33.

      36 Inwiefern Niebuhr tatsächlich vorhatte, in der ethischen Substanz je nach ihrem Bezug auf Vater, Sohn und Geist zu unterscheiden, ist Teil der oben zitierten Diskussion, s. Anm. 16.

      37 Borg (1991, s. Anm. 20) merkt an, dass die Debatten der früheren Forschung, ob Jesus nun „politisch“ war oder nicht, voraussetzten, dass es nur zwei Optionen gab: zelotische Revolution oder apolitische Gewaltfreiheit. Diese Alternative schließt das Material der Evangelien a priori aus, das hat jedoch nichts mit den Texten selbst zu tun. Auch die von Borg präsentierten fünf verschiedenen Porträts Jesu und ihre Differenzierung haben mehr mit hermeneutischen a-priori-Festlegungen zu tun als mit dem Text.

      38 „Die Gute Nachricht des Evangeliums ist nicht das Gesetz, dass wir einander lieben sollen. Die gute Nachricht … ist, dass es eine Quelle göttlicher Gnade gibt. …“ Niebuhr (1940). Diese Ansicht ist eine Verfeinerung von Negation 6 der ursprünglichen Liste.

      39 Harvey (1990), S. 7ff.

      40 In den Anfangskapiteln fehlt diese Dimension weitgehend; ab S. 192ff ist sie jedoch gegenwärtig.

      41 Siehe meine Diskussion „anderer Lichtquellen“ in Yoder (1982), S. 127ff, auch enthalten in Cartwright (1994), S. 182ff.

      42 Vgl. Yoder (1962). Dieser Austausch mit Donald Miller war das Ergebnis seiner Kritik des Arguments auf S. 33ff in Yoder (1964b). Ähnliche Argumente über die Berufung auf die „Natur“ bringen Ellul (1960) und Hauerwas (1983), S. 51–60, 99–101.

      KAPITEL 2

      Das kommende Königreich

      Die Ankündigung: Lukas 1,46ff, 68ff; vgl. 3,7ff

      Wir sind es nicht gewohnt, die Jungfrau Maria als Makkabäerin anzusehen. Doch wäre das Magnificat in der Geschichte durch seine liturgische Verwendung nicht zur leeren Wiederholung geworden, so wären wir alle beeindruckt, dass sich Maria hier wie eine Makkabäerin anhört.

      Er hat Macht geübt mit seinem Arm, er hat zerstreut, die hochmütig sind in ihres Herzens Sinne; er hat Gewaltige von den Thronen gestoßen und Niedrige erhöht. Hungrige hat er mit Gütern erfüllt und die Reichen leer hinweggeschickt.

      Lk 1,51–53

      Für unsere Absicht hier ist es nicht wichtig zu wissen, aus welcher literarischen Quelle Lukas geschöpft hat oder aus welcher liturgischen Quelle Maria hätte schöpfen können.43

      Das vorliegende Zeugnis des Evangeliums sagt uns, dass der, dessen Geburt angekündigt wird, ein Urheber radikalen sozialen Wandels sein wird. Die Hoffnungen derer, die die „Tröstung Israels“ erwarten, sind nicht kultischer oder dogmatischer Art, und so sind sie keine im engen Sinn „religiösen“ Erwartungen; er kommt, die Knechtschaft seines Volkes zu zerbrechen. Einige Verse darauf tut Zacharias, sobald seine Lippen gelöst sind, die Bedeutung der Geburt des Johannes kund:

      Um uns Rettung zu schaffen vor unseren Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen. … dass wir, erlöst aus der Hand unserer Feinde, ohne Furcht ihm dienen.

      Lk 1,71.74 (Jerusalemer Bibel)

      Diese Erwartung wird noch klarer, wenn Johannes selbst sie ausspricht:

      Schon ist aber die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum nun, der keine gute Frucht bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen … Er hat die Wurfschaufel in seiner Hand, um seine Tenne zu fegen und den Weizen in seine Scheune zu sammeln. Die Spreu aber wird er in unauslöschlichem Feuer verbrennen.

      Lk 3,9.17 (Jerusalemer Bibel)

      Das ist die Sprache, in der Johannes „die gute Nachricht dem Volk predigte“. Zu voreilig haben wir bisher immer alle Worte der Ankündigung durch die Annahme gefiltert, das alles sei natürlich „geistlich“ zu verstehen.44

      Auf jeden Fall behielt Johannes nicht recht mit seinen Erwartungen – oder etwa doch? Wir werden später sehen, inwieweit die von Jesus gebrachte Erfüllung sich von den Erwartungen des Johannes unterscheidet; aber auf jeden Fall besteht der Unterschied nicht darin, dass Johannes soziale und politische Erwartungen hatte, die Jesus dann „geistlich“ erfüllte. Wäre das der Unterschied, so hätte Lukas seine Geschichte anders anfangen müssen. Die ersten drei Kapitel müssten einen warnenden Hinweis auf die Unangemessenheit der Hoffnungen Marias, Zacharias’ und auch Johannes’ enthalten. Da ein solches Warnsignal fehlt, können wir nur schließen, dass sogar zu dem späten Zeitpunkt, da Lukas seine Geschichte für Theophil zusammenstellte (vermutlich mit dem apologetischen Interesse, die Christen nicht als Aufwiegler erscheinen zu lassen), er doch nicht darum herum kam, zu berichten, dass die frommen Hoffnungen, die Jesus entgegengebracht wurden, das Leiden Israels in seiner ganzen sozialen und politischen Wirklichkeit umfassten und dass das Wirken des Erwarteten von derselben Art sein würde.

      Um der Kürze willen überspringen wir die Geburtsgeschichte, mit der Betonung der kaiserlichen Volkszählung und ihrer ganzen Tragweite für ein unterworfenes Volk: Registrierung, Besteuerung, Identitätskontrolle. Wir brauchen uns nicht ausführlich mit der offensichtlich politischen Bedeutung der Identifizierung Bethlehems als Stadt Davids zu beschäftigen; auch nicht mit der Verkündung der Engel: „Friede auf Erden“ oder den Erwartungen Simeons und Hannas oder mit Matthäus’ Bericht über die Angst des Herodes und den Kindermord; es muss genügen, die Fäden dort wieder aufzunehmen, wo die Sache öffentlich wird.

      Wir hätten auch die offensichtlich politische Bedeutung der Beziehung zwischen Jesus und Johannes dem Täufer eingehender verfolgen können. Johannes’ Wirken hatte einen ausgesprochen politischen Charakter und in gewissem Sinne war Jesus sein Nachfolger (siehe die zeitliche Beziehung in Mt 3,12). Die Lehre des Johannes rief nach einer sofortigen Gütergemeinschaft in den Dingen des täglichen Bedarfs (Lk 3,11); die einzigen Zuhörerkategorien, die Lukas aus den „Massen“ benennt (Matthäus erwähnt Pharisäer und Sadduzäer), sind die sozial und politisch missachteten Zöllner (3,12) und Soldaten (3,14). Nach dem Bericht des jüdischen Geschichtsschreibers Josephus hatte die Gefangennahme des Johannes mit der Angst des Herodes Antipas zu tun, Johannes könne einen Aufstand entfachen.45 Lukas’ Bericht über das Vergehen des Johannes spricht nicht nur von „Herodias, der Frau seines Bruders“, sondern auch von „allem Bösen, das Herodes getan hatte“; darin ist möglicherweise substanziell politische

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