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sagte Fouan, „wer uns das vorliest, womit wir den Feierabend beenden wollen? – Korporal, Ihr müßt Gedrucktes doch sehr gut lesen können.“

      Er hatte ein schmieriges Büchlein hervorgeholt, eines jener Bücher bonapartistischer Propaganda, mit denen das Kaiserreich das flache Land überschwemmt hatte. Dieses hier, das aus dem Warenballen eines Hausierers gefallen war, war ein heftiger Angriff gegen das Ancien régime, eine dramatisch erzählte Geschichte des Bauern vor und nach der Revolution unter dem wehklagenden Titel „Jacques Bonhommes Mißgeschicke und Triumph“.

      Jean hatte das Buch zur Hand genommen und fing sofort, ohne sich bitten zu lassen, mit ausdrucksloser und leiernder Schuljungenstimme, die sich nicht um die Zeichensetzung kümmert, an zu lesen. Andächtig hörte man ihm zu.

      Zu Anfang war von den freien Galliern die Rede, die von den Römern zur Sklaverei gezwungen und später von den Franken unterworfen worden waren, welche durch Einführung des Lehnswesens aus den Sklaven Leibeigene machten. Und das lange Martyrium begann, das Martyrium Jacques Bonhommes, des Arbeiters der Erde, der Jahrhunderte hindurch ausgebeutet, ausgerottet wurde. Während das Volk der Städte aufbegehrte, die Stadtgemeinde gründete, das Bürgerrecht durchsetzte, gelang es dem allein auf sich gestellten Bauern, der nichts mehr sein eigen nannte, der sich selbst nicht mehr gehörte, erst später, sich zu befreien, mit seinem Geld die Freiheit, ein Mensch zu sein, zu erkaufen; und welch trügerische Freiheit! Der Bauer überbürdet, geknebelt durch Steuern, die ihm das Blut aussaugten und ihn zugrunde richteten, der Besitz unaufhörlich in Frage gestellt, ein Besitz, auf dem so viele Lasten lagen, daß er dem Besitzer kaum mehr als Kiesel zum Essen ließ! Alsdann begann eine gräßliche Aufzählung, die Aufzählung der Gerechtsamen, die dem Unglückseligen auferlegt waren. Niemand konnte ein genaues und vollständiges Verzeichnis davon aufstellen, es wimmelte davon, sie wehten gleichzeitig vom König, vom Bischof und vom Grundherrn daher. Drei vom gleichen Körper fressende blutgierige Tiere: der König bekam den Zins und die Kopfsteuer, der Bischof bekam den Zehnten, der Grundherr besteuerte alles, schlug aus allem Geld heraus. Nichts gehörte mehr dem Bauern, nicht die Erde, nicht das Wasser, nicht das Feuer, nicht einmal die Luft, die er atmete. Er mußte zahlen, immer zahlen, für sein Leben, für seinen Tod, für seine Verträge, seine Herden, seinen Handel, seine Vergnügen. Er zahlte, um das Regenwasser aus den Gräben auf seinen Boden abzuleiten, er zahlte für den Staub der Wege, den die Füße seiner Hammel im Sommer bei großer Trockenheit aufwirbelten. Wer nicht zahlen konnte, gab seinen Leib und seine Zeit, war auf Gnade und Ungnade steuer- und fronpflichtig, war gezwungen zu pflügen, zu ernten, zu mähen, den Wein auszuschneiden, die Gräben des Schlosses auszuschlämmen, die Landstraßen anzulegen und zu unterhalten. Und die Naturalabgaben, und die Zwangsrechte, die Mühle, der Backofen, die Kelter, in denen ein Viertel der Ernten blieben; und die Wach- und Aufsichtsgerechtsamen, die sogar nach dem Abreißen der Warttürme fortbestanden und dann in Geld zu entrichten waren; und die Übernachtungs-, Aufbringungs- und Versorgungsgerechtsamen, durch die dort, wo der König oder der Grundherr durchzog, die Hütten ausgeplündert, die Strohsäcke und die Decken weggenommen, die Bewohner von ihrem Zuhause verjagt wurden, auf die Gefahr hin, daß man die Türen und die Fenster ausriß, wenn sie sich nicht schnell genug aus dem Staube machten. Aber die greulichste Steuer, an die die Erinnerung noch tief in den Weilern grollte, das war die verhaßte Salzsteuer – die Salzspeicher, die für alle Familien festgelegte Menge Salz, die sie trotz allem dem König abkaufen mußten –, diese ganze widerrechtliche Steuererhebung, deren Willkür Frankreich aufwiegelte und mit Blut überschwemmte.

      „Mein Vater“, unterbrach Fouan, „hat Salz zu achtzehn Sous das Pfund gesehen ... Ach, die Zeiten waren hart!“

      Jesus Christus machte Späße hinter seinem Bart. Er wollte auf den Schelmenrechten bestehen, auf die das Büchlein lediglich einmal schamhaft anspielte.

      „Und das Recht der Schenkeldrückerei, hört mal? – Auf Ehre! Der Grundherr schob den Schenkel ins Bett der Neuvermählten, und in der ersten Nacht schob er sie ...“

      Man brachte ihn zum Schweigen; die Mädchen, sogar Lise mit ihrem dicken Bauch, waren über und über rot geworden, während Bangbüx und die beiden Schlingel die Nase nach unten hielten und sich ihre Faust in den Mund preßten, um nicht loszuplatzen. Hilarion sperrte Mund und Nase auf und ließ sich kein Wort entgehen, als verstehe er alles.

      Jean las weiter. Nun war er bei der Gerichtsbarkeit, dieser dreifachen Gerichtsbarkeit des Königs, des Bischofs und des Grundherren, die die armen auf der Scholle schwitzenden Leute massakrierte. Es gab das Gewohnheitsrecht, es gab das verbriefte Recht, und über allem gab es den allergnädigsten Willen, das Recht des Stärkeren. Keine Bürgschaft, keine Zuflucht, die Allmacht des Schwertes. Sogar noch in den folgenden Jahrhunderten, als das Gefühl für Recht und Billigkeit Einspruch erhob, kaufte man die Ämter, wurde die Gerichtsbarkeit verkauft. Und noch schlimmer war es wegen der Aushebung zu den Heeren, wegen dieser Blutsteuer, die lange Zeit nur die Jungen auf dem Lande traf: sie flohen in die Wälder, man brachte sie in Ketten mit Gewehrkolbenhieben zurück, man zog sie ein, als wollte man sie ins Bagno abführen. Der Zugang zu den Dienstgraden war ihnen versagt. Ein jüngerer Sohn aus vornehmer Familie verschacherte ein Regiment wie eine ihm gehörende Ware, die er bezahlt hatte, versteigerte die unteren Dienstgrade, trieb den Rest seines Menschenviehs zur Schlachtbank. Dann kamen schließlich die Jagdgerechtsamen, diese Taubenschlag- und Kaninchengehegegerechtsamen, die in unsern Tagen, sogar nachdem sie abgeschafft sind, einen Gärstoff von Haß im Herzen der Bauern zurückgelassen haben. Die Jagd, das ist die von alters her ererbte Versessenheit, das ist das uralte Feudalvorrecht, das den Grundherrn ermächtigte, überall zu jagen, und auf Grund dessen er jeden Bauern mit dem Tode bestrafen ließ, der die Verwegenheit hatte, auf seinem Grund und Boden zu jagen; das bedeutete, daß das freie Tier, der freie Vogel unter dem weiten Himmel zum Vergnügen eines einzigen in den Käfig gesperrt wurde; das bedeutete, daß das Wild die in Jägermeistereien zusammengefaßten Felder verwüstete, ohne daß es den Besitzern erlaubt war, einen Spatzen herunterzuholen.

      „Das kann man verstehen“, murmelte Bécu, der davon redete, die Wilddiebe wie die Kaninchen abzuknallen.

      Aber Jesus Christus hatte die Ohren gespitzt, als von der Jagd die Rede war, und er pfiff lässig mit spöttischer Miene vor sich hin. Das Wild gehörte dem, der es zu töten verstand.

      „Ach, mein Gott“, sagte Rose lediglich und stieß einen tiefen Seufzer aus.

      So war allen das Herz schwer; was vorgelesen worden war, lastete allmählich mit dem drückenden Gewicht einer Gespenstergeschichte auf ihren Schultern. Sie verstanden nicht immer alles, wodurch ihr Unbehagen noch vermehrt wurde. Da das im Laufe der Zeit so zugegangen war, konnte das vielleicht wohl wiederkommen.

      „Los, armer Jacques Bonhomme“, begann Jean wieder mit seiner Schuljungenstimme zu leiern, „gib deinen Schweiß hin, gib dein Blut hin, du bist noch nicht am Ende deiner Kümmernisse ...“

      Tatsächlich rollte der Leidensweg des Bauern ab. Er hatte unter allem zu leiden, unter den Menschen, unter den Elementen und unter sich selbst. Unter der Feudalherrschaft, als die Adligen auf Raub auszogen, wurde er gejagt, gehetzt, in der Beute mitgeschleppt. Jeder Privatkrieg zwischen den vornehmen Herren richtete ihn zugrunde, wenn er ihn nicht umbrachte: seine Hütte wurde niedergebrannt, sein Feld wurde kahlgeschoren. Später waren die großen Heerhaufen gekommen, die schlimmste der Landplagen, die unsere Fluren verwüstet haben, diese Abenteurerbanden im Solde dessen, der sie bezahlte, bald für, bald gegen Frankreich, die ihren Durchzug mit Feuer und Schwert kennzeichneten und hinter sich die Erde kahl zurückließen. Wenn auch die Städte dank ihrer Mauern standhielten, die Dörfer wurden in diesem Mordwahn hinweggefegt, der damals vom Anfang bis zum Ende eines Jahrhunderts wehte. Es hat rote Jahrhunderte gegeben, Jahrhunderte, in denen unser flaches Land, wie man sagte, nicht aufgehört hat, vor Schmerz zu schreien, in denen die Frauen vergewaltigt, die Kinder zerschmettert, die Männer aufgehängt wurden. Als dann der Krieg Waffenruhe hielt, genügten die Geldauspresser des Königs, um den armen Leuten eine ständige Qual zu bereiten; denn so viele Steuern es auch gab und so drückend sie auch waren, so bedeutete das fast nichts neben der launenhaften und brutalen Art der Eintreibung, neben der dem Pachthof auferlegten Kopfsteuer und Salzsteuer, den Abgaben, die verteilt wurden, wie es die Ungerechtigkeit gerade fügte, eingefordert von bewaffneten Truppen, die das Geld

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