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um sieben Uhr, nach dem Abendessen, waren die Fouans, Geierkopf und Jean in den Stall gegangen, in dem die beiden Kühe standen, die Rose verkaufen sollte. Diese Tiere, die hinten an der Raufe angebunden waren, erwärmten den Raum mit den starken Ausdünstungen ihrer Leiber und ihrer Streu, während die Küche, in der man zum Abendessen drei dürftige Scheite aufgelegt hatte, infolge der vorzeitigen Novemberfröste bereits eiskalt war. Deshalb verbrachte man im Winter den Feierabend recht behaglich hier, im Warmen auf der festgestampften Erde, ohne sich andere Umstände zu machen, als daß man ein rundes Tischchen und ein Dutzend alter Stühle dorthin schaffte. Jeder Nachbar brachte seine Kerze mit, wenn er an der Reihe war; große Schatten tanzten auf den nackten Wänden, die schwarz von Staub waren, bis zu den Spinnweben am Gebälk; und im Rücken hatte man den lauen Atem der Kühe, die liegend wiederkäuten.

      Als erste kam die Große mit einem Strickzeug. Sie brachte niemals eine Kerze mit, weil sie ihr hohes Alter ausnutzte und so gefürchtet war, daß ihr Bruder nicht wagte, sie an die Gepflogenheiten zu gemahnen. Sofort nahm sie den besten Platz ein, zog den Leuchter zu sich herüber, behielt ihn für sich allein wegen ihrer schlechten Augen. Sie hatte den Spazierstock, den sie stets bei sich behielt, gegen ihren Stuhl gestellt. Glitzernde Schneeteilchen schmolzen auf den harten Borsten, die von ihrem Kopf, dem Kopf eines abgezehrten Vogels, abstanden.

      „’s schneit?“ fragte Rose.

      „’s schneit“, antwortete sie mit ihrer barschen Stimme. Und nachdem sie einen durchbohrenden Blick auf Jean und Geierkopf geworfen hatte, machte sie sich an ihr Strickzeug, preßte, wortkarg wie sie war, die schmalen Lippen zusammen.

      Die anderen erschienen nach ihr: zuerst Fanny, die sich von ihrem Sohn Nénesse hatte begleiten lassen, da Delhomme niemals zu den Feierabenden kam; und fast sofort danach Lise und Françoise, die lachend den Schnee abschüttelten, mit dem sie bedeckt waren. Geierkopfs Anblick ließ Lise jedoch leicht erröten.

      Seelenruhig sah er sie an:

      „Geht’s gut, Lise, seit wir uns nicht gesehen haben?“

      „Nicht schlecht, danke.“

      „Na, dann um so besser!“

      Unterdessen war Palmyre heimlich durch die angelehnte Tür geschlüpft, und sie machte sich klein, sie setzte sich so weit wie möglich entfernt von ihrer Großmutter, der fürchterlichen Großen, als ein Radau auf der Landstraße sie veranlaßte, sich wieder aufzurichten. Wutgestammel, Weinen, Lachen und Gejohle war zu hören.

      „Ach, diese verdammten Kinder sind immer noch hinter ihm her!“ schrie sie.

      Mit einem Satz hatte sie die Tür wieder aufgemacht und, jäh kühn geworden, befreite sie mit ihrem Löwinnengebrüll ihren Bruder Hilarion von Bangbüxes, Delphins und Nénesses Späßen. Letzterer hatte sich soeben zu den beiden anderen gesellt, die hinter dem Blödling her johlten. Atemlos und verstört kam Hilarion watschelnd auf seinen krummen und schiefen Beinen herein. Aus seiner Hasenscharte rann Speichel, er stammelte, ohne die Dinge erklären zu können, sah hinfällig aus für seine vierundzwanzig Jahre, hatte die tierische Scheußlichkeit einer Mißgeburt. Er war sehr böse geworden, war rasend darüber, daß er die Rangen, die ihn verfolgten, beim Rennen nicht erwischen und ohrfeigen konnte. Dieses Mal hatte er wieder einen Hagel Schneebälle abbekommen.

      „Oh, ist der ein Lügner!“ sagte Bangbüx mit großartiger Unschuldsmiene. „Er hat mich in den Daumen gebissen!“

      Da wäre Hilarion, dem die Worte quer in der Kehle steckten, beinahe erstickt, während Palmyre ihn beruhigte, ihm das Gesicht mit ihrem Taschentuch abwischte und ihn dabei ihr Herzchen nannte.

      „Nun ist’s aber genug damit, he!“ sagte Fouan schließlich. „Du, du solltest wohl verhindern, daß er dir nachkommt. Setz ihn wenigstens hin, damit er sich ruhig verhält! – Und ihr Gören, seid still! Man wird euch bei den Ohren nehmen und euch wieder zu euern Eltern nach Hause bringen.“

      Da aber der Blödling weiter lallte und recht haben wollte, ergriff die Große, deren Augen flammten, ihren Spazierstock und versetzte dem Tisch damit einen so derben Hieb, daß alle Welt hochfuhr. Von Schrecken ergriffen, sackten Palmyre und Hilarion zusammen, muckten nicht mehr.

      Und der Feierabend begann. Rings um die einzige Kerze strickten die Frauen, spannen, machten Handarbeiten, ohne auch nur hinzusehen. Dahinter rauchten die Männer langsam, sagten selten ein Wort, während sich die Kinder in einer Ecke stießen und kniffen und dabei ihr Lachen erstickten.

      Manchmal wurden Märchen erzählt: das Märchen vom schwarzen Schwein, das einen roten Schlüssel in der Schnauze hatte und einen Schatz bewachte; oder auch das Märchen vom Tier aus Orleans, das das Gesicht eines Menschen, Fledermausflügel, bis zur Erde herabreichende Haare, zwei Hörner und zwei Schwänze hatte, den einen zum Zupacken, den andern zum Töten; und dieses Ungeheuer hatte einen Wanderer aus Rouen gefressen, von dem nur der Hut und die Stiefel übriggeblieben waren. Andere Male schnitt man die endlosen Geschichten über die Wölfe an, die gefräßigen Wölfe, die. Jahrhunderte hindurch die Beauce verwüstet hatten. Früher, als die heute nackte und kahle Beauce von ihren Urwäldern noch einige Baumgruppen behalten hatte, kamen im Winter unzählige Rudel, vom Hunger getrieben, heraus, um sich auf die Herden zu stürzen. Frauen, Kinder wurden zerfleischt. Und die Alten der Gegend erinnerten sich, daß die Wölfe während der großen Schneefälle in die Städte kamen: in Cloyes hörte man sie auf dem Place Saint-Georges heulen; in Rognes fauchten sie unter die schlecht geschlossenen Türen der Ställe und Schäfereien. Dann kamen immer dieselben Geschichten: der von fünf großen Wölfen überfallene Müller, der sie in die Flucht jagte, indem er ein Streichholz anzündete; das kleine Mädchen, neben dem eine Wölfin im Galopp zwei Meilen lang herlief und das erst an seiner Tür gefressen wurde, als es hinfiel; andere Sagen, noch andere, Sagen von Werwölfen, von Menschen, die sich in Tiere verwandelten und den verspäteten Wanderern auf die Schultern sprangen und sie zwangen, sich zu Tode zu rennen.

      Eine Geschichte aber ließ es den Mädchen am Feierabend rings um die spärliche Kerze eiskalt den Rücken hinunterlaufen, so daß sie beim Weggehen verstört und mit dem Blick das Dunkel durchwühlend eiligst davonliefen, die Geschichte von den Verbrechen der Fußheizer, der berüchtigten Bande aus Orgères, vor denen noch nach sechzig Jahren die ganze Gegend schauderte. Es waren ihrer Hunderte, alles Landstreicher, Bettler, Fahnenflüchtige, falsche Hausierer, Männer, Kinder, Frauen, die von Diebstählen, Morden und Prassereien lebten. Sie stammten von den bewaffneten und disziplinierten Scharen der einstmaligen Straßenräuber her, machten sich die Wirren der Revolution zunutze, belagerten in der Regel einzeln gelegene Häuser, in die sie unvermutet hereinplatzten, indem sie die Türen mit Rammböcken einstießen. Sobald die Nacht hereingebrochen war, kamen sie wie die Wölfe aus dem Dourdan-Wald, aus dem Conie-Dickicht, aus Waldschlupfwinkeln, wo sie sich versteckt hielten; und das Grauen sank mit der Dunkelheit auf die Gehöfte der Beauce herab, von Etampes bis Châteaudun, von Chartres bis Orleans. Unter ihren sagenhaften Greueltaten war die am häufigsten in Rognes wiedererzählte die Plünderung des Pachthofes Millouard, der lediglich ein paar Meilen entfernt im Canton Orgères lag. Schön-François, der berühmte Anführer, der Nachfolger von Dornenblüt, hatte in jener Nacht den Roten aus Auneau, seinen Stellvertreter, den Großdrachen, Trockarsch-Breton, Langzwilling, Ohnedaum und fünfzig andere bei sich, alle mit geschwärztem Gesicht. Zunächst trieben sie die Leute des Pachthofes, die Mägde, die Fuhrknechte, den Schäfer, mit Bajonetthieben in den Keller; dann „heizten“ sie dem Pächter ein, dem Vater Fousset, den sie allein zurückbehielten. Nachdem sie seine Füße über die Glut im Kamin gehalten hatten, zündeten sie mit Strohbündeln seinen Bart und sein ganzes Körperhaar an; dann kamen sie zu den Füßen zurück, in die sie mit der Spitze eines Messers Einschnitte machten, damit die Flamme besser eindringe. Als sich der Alte schließlich entschlossen hatte, zu sagen, wo sein Geld war, ließen sie von ihm ab und nahmen eine beachtliche Beute mit. Fousset, der die Kraft gehabt hatte, sich bis zu einem benachbarten Haus zu schleppen, starb erst später. Und unveränderlich endete der Bericht stets mit dem Prozeß und der Hinrichtung der Bande der Fußheizer in Chartres, die Einaug aus Jouy für Geld verraten hatte; ein Monsterprozeß, bei dem die Voruntersuchung achtzehn Monate erforderte und während dessen Verlauf vierundsechzig der Angeklagten im Gefängnis an der Pest starben, die durch ihren

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