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rel="nofollow" href="#ulink_ca996b84-777a-5037-9b43-7cee73861f37">8. Religion als ritualisierter Einflussfaktor auf die Lebensgestaltung

       9. Religion als Abbild individueller und historischer Entwicklungen

       10. Gemeinsamkeiten in der Lebensgestaltung der fünf Interviewten unter dem Einflussfaktor der Religionen

       11. Fazit

       Literaturverzeichnis

       Erfahrungsdimensionen des Phänomens häuslicher Gewalt verstehen lernen

       Julia Ganterer

       1. Häusliche Gewalt – Annäherung an einen schillernden Begriff

       2. Zugang zum Phänomen

       3. Schlussbetrachtung: Vignetten- und Anekdotenforschung als Medium zur Annäherung an ein schillerndes Phänomen

       Literaturverzeichnis

       Autorenspiegel

      In memoriam

      Prof. Vasiliki Karavakou.

      In der gemeinsamen Zeit und in anregenden Gesprächen im

       Rahmen des 4. Internationalen Symposiums der phänomenologischen

       Vignetten- und Anekdotenforschung

      „Erfahrungen verstehen – (Nicht-)Verstehen erfahren“

      im August 2019 durften wir dich als ausgezeichnete Forscherin,

       geschätzte Kollegin und liebe Freundin kennenlernen.

      Wir werden dir ein würdigendes Andenken bewahren.

       Einführung und Vorwort

      Vasileios Symeonidis, Johanna F. Schwarz

      „Was aber heißt das: etwas zu verstehen?“ – diese Anspielung auf den titelgebenden Beitrag von Käte Meyer-Drawe zum Phänomen Wahrnehmung (vgl. 2020a, S. 13 ff) eröffnet die folgenden Überlegungen. Diese Frage thematisiert die Schwierigkeit, das Verstehen eindeutig bestimmen zu können und deutet die Vielschichtigkeit der Antwortmöglichkeiten an. Verstehen und Wahrnehmen sind eng miteinander verknüpft und das Verstehen beginnt im Bereich der Wahrnehmung: Indem wir mit unseren Sinnen und mit unserem Leib, Andere und Anderes auffassen und einen Bezug mit der uns umgebenden Welt herstellen, beginnen wir zu verstehen. Die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten für das Verstehen sind allerdings begrenzt; so sind es gerade leibliche, zeitliche, räumliche und relationale Artikulationsweisen von Verstehens- oder (Nicht-)Verstehenserfahrungen, die weitere Ausdrucksmöglichkeiten eröffnen.

      Die phänomenologische Vignetten- und Anekdotenforschung ist in der Zuwendung zu Erfahrungsdimensionen von Bildungsphänomenen genuin geeignet, den sozusagen noch stummen (Verstehens-)Erfahrungen zum Ausdruck zu verhelfen, in den Grenzen, in denen sie sich zeigen und damit zugänglich werden für eine (wissenschaftliche) Betrachtung (vgl. Husserl zit. nach Waldenfels 2019, S. 9; Merleau-Ponty 1966). Inwiefern ist eine Aufmerksamkeit auf Erfahrung im Vorhaben, sich dem Phänomen Verstehen nähern zu wollen? Verstehen, wie Lernen, Wahrnehmen oder Vertrauen, sind komplexe Phänomen, die nur zugänglich werden in konkreter menschlicher Erfahrung. In dem, was uns an Verstehen gelingt und wie dieses misslingt, in dem was uns dabei widerfährt, was uns irritiert, herausfordert oder befremdet, zeigen sich wichtige Facetten, die ein so komplexes Phänomen bestimmen helfen. Es ist ein wenig so wie die hundert Bezeichnungen für Schnee, die den Inuit zugeschrieben werden. Die Vielfalt der Erscheinungsformen von Schnee sind nicht in einen Begriff zu fassen; die Benennung der subtilen Schattierungen von Schnee zusammengenommen ergeben ein vollständigeres Bild. In diesem Sinne tragen die Anstrengungen der Beitragenden in diesem Band aus den unterschiedlichen Arbeits-, und Forschungskontexten bei, vielfältige Bestimmungen dieses Phänomens zu erreichen.

      Der Anspruch, etwas verstehen zu wollen, kommt überhaupt erst mit dem Eintritt des Anderen als dem Fremden ins Spiel. Das Verstehen des Anderen ist in Ansätzen wahrnehmbar, weil wir es auf gewisse Weise bezeugen können. Wenn wir von Szenen ausgehen und das tun wir, wenn wir (Mit-)Erfahrung in Anekdoten und Vignetten verdichten, braucht es eine angemessene Sicht- und Deutungsweise, um dem Gehalt dieser Szenen näher zu kommen; sie gleichsam zu verstehen. Verstehen ist im Miterfahren von Erfahrungen ein weitreichender Aneignungsprozess. Dabei steht das pathische Moment – als Brüchigkeiten, Widerfahrnisse oder sinnliche Einschlüsse – im Vordergrund, weil das Affiziertwerden von etwas (Un-)Verstehbarem immer auch ein Ausgeliefertsein bedeutet. Der Umstand, dass ein Verstehen-Wollen oft einem Verfügen-Wollen gleichkommt, das gewaltsame Züge annehmen kann, und dass der Andere nicht verstehbar ist, erhöht die Komplexität dieses Phänomens. Erfahren, Wahrnehmen, Fühlen, Denken und Handeln sind Vollzüge, die nicht mit sich selbst beginnen, sondern immer schon verspätet sind. Für menschliches Verstehen gilt diese paradoxe Verspätung ebenso. Wenn wir uns unserem Verstehen ausdrücklich zuwenden, hat es bereits begonnen.

      Käte Meyer-Drawe folgend wird im vorliegenden Band dem Szenischen Verstehen besondere Aufmerksamkeit zuteil. Schon das 4. Internationale Symposium der phänomenologischen Vignetten- und Anekdotenforschung „Erfahrungen verstehen – (Nicht-)Verstehen erfahren“ im August 2019 an der Universität Innsbruck stand im Zeichen des Szenischen Verstehens, weil sich dieses in besonderer Weise mit dem trächtigen Erfahrungsgehalt der Szenen in Vignetten und Anekdoten verbinden lässt. Szenisches Verstehen ist ein Begriff, den Alfred Lorenzer aus psychoanalytischer Sicht geprägt und Wolfram Hogrebe philosophisch vertieft hat (vgl. Meyer-Drawe 2020b, S. 20). Dass wir uns nach vollständigem Verstehen oder Verstanden-Werden sehnen ist verständlich, aber szenisches Verstehen macht deutlich, dass sich dieses eher als Erahntes oder Vermutetes zeigt, denn als gesicherte Erkenntnis (ebd.). Es handelt sich um eine Art Schwelle zwischen Verstehen und (Nicht-)Verstehen, zwischen Verstanden-Werden und der Grenze des Verstehbaren (vgl. Peterlini 2020).

      Hogrebe, so Meyer-Drawe, erinnert an die Herausforderung, (Verstehens-)Erfahrungen sprachlich adäquat zu artikulieren (vgl. 2020). Vignetten- und Anekdotenschreibende finden sich bei der Suche nach Sprachbildern, welche sinnliche Erfahrungen nicht in eindeutigen Begriffen aufgehen lassen, vor ähnliche Herausforderungen gestellt, wenn sie dem leiblich Wahrgenommenen zum Ausdruck verhelfen wollen. In der Einbeziehung von Blicken, Stimmlagen, Sprechmelodie, Sprechtempo, Sprechpausen, Gebärden, Gesten oder Mimik werden vielschichtige Erfahrungs- und Verstehensmöglichkeiten sichtbar. In den Szenen der Vignetten und Anekdoten werden verschiedenste Beziehungsgefüge deutlich; dies ist ein Verweis darauf, dass wir als leibliche Wesen in soziale Kontexte verstrickt sind, die unser Verständnis für uns selbst und andere maßgeblich bestimmen.

      Dieser Band der Reihe Erfahrungsorientierte Bildungsforschung gliedert sich in vier Abschnitte. Im Abschnitt Grundlagen schafft Käte Meyer-Drawe mit ihrem Beitrag Szenisches Verstehen nicht nur ein zentrales Verständnis für die weiteren Beiträge, sie stellt auch einen deutlichen Konnex zur phänomenologischen Vignetten- und Anekdotenforschung her. Malte Brinkmann untersucht in einer grundlagentheoretischen und methodologischen Perspektive das Verhältnis von Verstehen und Beschreiben, wobei er hermeneutische und phänomenologische Zugänge dazu unterscheidet. Michael Schratz diskutiert Schule als Erfahrungsraum für pädagogisches Verstehen und betont die Bedeutung von bildenden Erfahrungen für das Verstehen schulischer Tiefenstrukturen.

      Im zweiten

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