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Regen, wenn nicht Schlimmeres.

      „Gleichgültig“, murmelte de Xira und wischte mit dem Unterarm den Schweiß aus dem Gesicht. Die Bartstoppeln kratzten.

      „Wenn wir das echte Ruderblatt noch hätten“, sagte Alberto und hob den Krug und die Becher. „Hierher! Ein Schluck Wein wird keinem schaden.“

      Lamego enterte auf. Sie hatten die Jakobsleiter an Backbord über das Schanzkleid zum Wasser abgefiert. Auch der Stückmeister, ein sonst kräftiger Mann, war am Ende seiner Leistungsfähigkeit. Obwohl es achtern gut aussah, war auch sein Gesicht von Verzweiflung gezeichnet. Jeder von ihnen hatte längst ein paar dutzendmal bereut, sich auf Drawida Shastri eingelassen zu haben.

      „Von mir aus können wir das Notruder abfieren“, sagte er und schnappte sich den Becher. „Seid ihr soweit?“

      „Da fehlt noch etwas“, antwortete der Kapitän.

      „Wir werden schon rechtzeitig fertig“, meinte Alvaro Belmonte, der Erste.

      Er schliff wie ein Besessener an den weniger glatten Holzteilen und schaute auf. Über die Schultern der anderen Seeleute hinweg sah er in der Richtung, in der sie Kavali und die Schwefelmine vermuteten, eine fahle Wolke davontreiben.

      Das Sonnenlicht lag voll auf dem Gespinst und färbte es tatsächlich schweflig gelb. War das Rauch oder Staub? Hatte es in Kavali gebrannt, oder hatten die verdammten Inder die Mine in die Luft gejagt?

      „Wir schaffen alles“, knurrte de Xira und stürzte den Wein herunter. „Auch diese Bucht. Und zwar bald.“

      Wolken im Nordosten – der Monsun, der in den zurückliegenden Tagen wenig Wind und keinen Regen gebracht hatte, erhob sich wieder. Wolken über dem Land – was war wirklich bei den Indern passiert? Die wenigen Ochsengespanne, die sie zufällig fast am Rand der Ebene gesehen hatten, die kleinen Herden – die Inder schienen keineswegs beunruhigt zu sein.

      Luis de Xira dachte auch an die Seewölfe. Sie waren in die Schwefelmine verschleppt worden. Und wenn die Inder die geflüchteten, abergläubischen Hundesöhne aus seiner eigenen Mannschaft geschnappt hatten, dann konnte er sich drastisch genug vorstellen, wo und wie sie endeten. Nämlich so wie die Männer um Killigrew. Er warf Roque den Becher zu und ging wieder an die Arbeit.

      „Also, Freunde“, sagte er eine halbe Stunde später in einem Tonfall, der sie alle einhalten ließ, „wir sehen zu, daß wir gegen Mittag das Notruder eingebaut haben. Wir klaren dann auf, so schnell wie es geht. Dann verschwinden wir.“

      Er zeigte zu den Monsunwolken.

      „Wir müssen die Bucht verlassen haben, bevor die Wolken da sind, sonst gelangen wir weder in der Nacht noch am Morgen aus der Bucht. Das Beiboot vergessen wir, eins ist genug für uns.“

      „Verstanden, Capitán“, sagte der Erste und nickte zufrieden. „Ich denke, das ist zu schaffen.“

      „Das denke ich auch. Das müssen wir schaffen“, entgegnete der Kapitän. „Los, weiter. Auf See können wir ausschlafen.“

      „Si, Capitán.“

      Das Sägen, Hämmern und Schleifen ging weiter. Langsam schwang der provisorische Ladebaum herum, die Enden glitten über Deck, die Blöcke knarrten und klapperten gegeneinander.

      Die Männer, die im warmen Wasser der Bucht arbeiten, erzeugten plätschernde Geräusche. Im nahmen Dschungel kreischten die Vögel, und die seltsamen Schreie der Affen rissen nicht ab.

      Kapitän Philip Hasard Killigrew fuhr mit dem Kamm aus Fischbein, den Dan O’Flynn von seinen verschwundenen Fischerfreunden aus Madras erhalten hatte, durch sein sauberes, aber triefendes Haar. Das dreckige, zerfetzte Hemd oder dessen schäbige Reste lagen zwischen den Wurzeln des mächtigen Baumes, an denen der schmale Wasserlauf vorbeirieselte.

      Hasard fühlte sich erfrischt, sauber und nicht mehr durstig. Der letzte Geruch und Geschmack nach dem verdammten Schwefel war vergangen. Nur die langen, inzwischen weichen Bartstoppeln störten ihn. Allerdings störten ihn noch einige andere Dinge.

      Clint, der tüchtige Moses, tauchte zwischen den Büschen auf und grinste breit.

      „Sir“, sagte er in seiner gewohnten Fröhlichkeit, „ich komme gerade von unserem Ausguckbaum.“

      Hasard nickte ihm lächelnd zu. Natürlich fand er, was der Kleine seit dem Überfall Shastris in Madras geleistet hatte, der Bewunderung wert.

      „Und was hast du von deinem Baum aus gesehen? Etwa Sir John, unsere Radauente?“

      „Interessante Sachen, Sir.“

      „Erzähl“, forderte ihn Hasard auf, während er seine Zehen mit Sand, staubiger Lagerfeuerasche und viel Wasser säuberte. Er war einer der letzten, die sich den Wonnen eines Bades hingaben. „Was haben die Portus inzwischen fertiggekriegt?“

      Dan O’Flynn, sein Söhnchen Hasard und der Moses hatten den Seewölfen berichtet, auf welch denkwürdige Weise sie die Tage und Nächte in der Nähe der Schebecke verbracht hatten.

      Die Erleichterung, die er nach den ersten Fragen, Antworten und Zusicherungen empfunden hatte, betraf jeden der Arwenack-Crew. Jetzt hatten sie Zeit, die Einzelheiten zu erfragen, darüber zu sprechen, zu beraten und selbst nachzusehen. Die nächste Antwort des Moses beruhigte den Seewolf noch mehr.

      „Das Notruder wollen sie gerade einhängen. Sie schuften wie die Teufel“, sagte Clint.

      „Ist jemand auf dem Baum? Bist du abgelöst worden?“

      Clint nickte.

      Die Hälfte der Arwenacks hatte sich irgendwo in der Nähe des Lagerfeuers einen möglichst ruhigen und gemütlichen Platz gesucht und schliefen oder versuchten es, nachdem sie Beeren, Bananen und andere Früchte gegessen hatten, die hier im Dschungel zu finden gewesen waren.

      Sie alle hatten versucht, die letzten Spuren ihres schwefligen Abenteuers aus den Haaren, den Bärten und von der Haut zu waschen. Die Stiefel derer, die sie bis hierher gerettet hatten, hingen an den Ästen und trockneten.

      „Hasard und Philip, sie sind oben und beobachten die elf Portus.“

      „Recht so. Aber sie haben das Notruder noch nicht gebrauchsfertig?“ fragte der Seewolf und versuchte, sich mit dem Fetzen, der einmal der Arm seines Hemdes gewesen und jetzt einigermaßen sauber, aber triefend naß war, abzutrocknen. „Oder etwa doch schon?“

      Clint schüttelte den Kopf. „Vor Mittag ist das nicht möglich. Aber sie könnten schon vor Einbruch der Nacht ablegen. Der Anker ist an Bord, am Kranbalken. Sie haben zum Land vertäut, kommen also schnell los.“

      Schweigend hörte Hasard zu. Big Old Shane saß in der Nähe des Feuerchens und schnitzte aus einem wuchtigen Ast einen handlichen Knüppel. Dabei riß er den Mund weit auf und gähnte hingebungsvoll.

      „Ihr habt das Ruderblatt gut versteckt?“ fragte Hasard nach einer Weile.

      Der Moses nickte.

      Dan O’Flynn schlenderte heran und setzte sich auf die nächste Baumwurzel.

      „Wie schnell habt ihr es ausgebuddelt?“ frage der Seewolf, und seine eisblauen Augen blitzten. Er schien über einen aufregenden Einfall nachzudenken.

      „Dauert keine halbe Stunde, Sir“, erwiderte Dan.

      Hasard winkte die beiden zu sich heran und fragte halblaut: „Habt ihr vielleicht auch festgestellt, wie die Strömung in der Bucht verläuft? Gibt es dort eine Strömung, die ihren Namen verdient?“

      Dan und Clint schauten sich an und dachten nach. Schließlich sagte Dan O’Flynn: „Klar. Die Strömung ist nicht gerade schwach. Wir haben es gemerkt, als wir ums Schiff herumschwammen und spukten. Die Strömung kommt an der nördlichen Huk herein und wird am Südende der Bucht wieder hinausgesogen.“

      „Hervorragend.“ Der Seewolf lachte kurz. Sein Magen knurrte, und er dachte an die Vorräte unter Deck der Schebecke. Er sagte: „Die Kerle scheinen gut zu arbeiten, sie verstehen wohl

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