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ersten erweiterten Unterricht über Askaniertum auf der Stelle nehmen zu wollen. Sie sah sich vielmehr, als ob sich's um eine Hülfstruppe gehandelt hätte, ziemlich ängstlich nach St. Arnaud und Gordon um, die denn auch, den Emeritus in der Mitte, in einiger Entfernung folgten.

      »Ich bin«, empfing sie die Herankommenden, »ein gut Teil schneller gegangen als gewöhnlich, und lehrreiche Gespräche haben mir den Weg gekürzt.«

      Aber während sie diese Worte sprach, hielt sie sich an einer Banklehne, und St. Arnaud sah deutlich, daß sie todmüde war, gleichviel ob vom Weg oder von der Unterhaltung. Er kam ihr deshalb zu Hülfe und sagte, während er den Privatgelehrten lächelnd musterte: »Dein alter Fehler, Cécile! Wenn dich etwas lebhaft interessiert, Gespräch oder Person, überspannst du deine Kräfte… Die Herren werden verzeihen, wenn wir uns, während Sie den Berg ersteigen, diese Bank hier zunutze machen und auf Ihre Rückkehr warten.«

      Gordon und der Emeritus, beide wahrnehmend, wie's stand, beeilten sich, ihre Zustimmung auszudrücken, und nur Eginhard, der auf eine Zuhörerin von soviel »feinem Verständnis« nicht gern verzichten wollte, sprach noch allerlei von dem Belebenden des Doppel-Oxygen, das erfahrungsmäßig in dem Zusammenwirken von Nadel- und Laubholz läge, von denen das Nadelholz auf der Lindenberg-Höhe sowohl durch Larix tenuifolia wie sibirica, das Laubholz aber durch Quercus robur in wahren Prachtexemplaren vertreten sei. Noch weitere Namen sollten folgen. Gordon indes coupierte die Rede ziemlich brüsk und schritt, des Emeritus Arm nehmend, unter einem griechisch-lateinischen Kauderwelsch, in dem Ausdrücke wie Douglasia, Therapeutik, Autopsie wild durcheinander wiederkehrten, an Eginhard vorüber, den sanft ansteigenden Schlängelpfad hinauf.

      Der Privatgelehrte seinerseits machte gute Miene zum bösen Spiel und folgte.

      St. Arnaud und Cécile hatten sich's mittlerweile bequem gemacht. Die Bank war ziemlich primitiv und bestand aus zwei Steinpfeilern und zwei Brettern, von denen eins als Sitz, das andere als Lehne diente. Heidekraut und Epilobium wuchsen umher, und weit vorhängende Tannenzweige bildeten ein Schutzdach gegen die Sonne. Boncour, der schöne Neufundländer, der sich vom Hotel her auch heute wieder angeschlossen hatte, hatte sich neben einem der Steinpfeiler ins Heidekraut gelegt.

      »Wie schön«, sagte Cécile, während ihr Auge die vor ihr ausgebreitete Landschaft überflog.

      Und wirklich, es war ein Bild voll eigenen Reizes.

      Der Abhang, an dem sie saßen, lief, in allmählicher Schrägung, bis an die durch Wärterbuden und Schlagbäume markierte Bahn, an deren anderer Seite die roten Dächer des Dorfes auftauchten, nur hier und da von hohen Pappeln überragt. Aber noch anmutiger war das, was diesseits lag: eine Doppelreihe blühender Hagerosenbüsche, die zwischen einem unmittelbar vor ihnen sich ausdehnenden Kleefeld und zwei nach links und rechts hin gelegenen Kornbreiten die Grenze zogen. Von dem Treiben in der Dorfgasse sah man nichts, aber die Brise trug jeden Ton herüber, und so hörte man denn abwechselnd die Wagen, die die Bodebrücke passierten, und dann wieder das Stampfen einer benachbarten Schneidemühle. Boncour hatte den Kopf zwischen die Vorderfüße gelegt, und nur dann und wann sah er zu seiner selbstgewählten Herrin auf, als ob er sich wegen seiner Saumseligkeit entschuldigen wolle.

      Plötzlich aber sprang er nicht nur auf, sondern mit ein paar großen Sätzen bis in das Kleefeld hinein, freilich nur, um sich hier sofort wieder auf die Hinterfüße zu setzen und ein paar Töne, die halb Geblaff und halb Gewinsel waren, laut werden zu lassen.

      »Was ist es?« fragte Cécile, während St. Arnaud, nach rechts hin, auf einen in Büchsenschußentfernung über den Weg kommenden und im selben Augenblick auch wieder im Unterholz am Bergabhange verschwindenden Hasen zeigte. Boncour aber, mit seinem Behange hin und her schlagend, sah dem flüchtigen Lampe noch eine Weile nach und nahm dann seinen Platz neben der Bank wieder ein.

      »Schlechter Hund«, sagte Cécile, mit ihrer Schuhspitze seinen Kopf krauend.

      »Guter Hund«, erwiderte St. Arnaud. »Er zieht einfach deine Liebkosungen einer fruchtlosen Hasenjagd vor. Er ist ritterlich und verständig zugleich, was nicht immer zusammenfällt.«

      Cécile lächelte. Solche Huldigungsworte taten ihr wohl, auch wenn sie von St. Arnaud kamen. Dann schwiegen beide wieder und hingen ihren Gedanken nach. Helles, sonnendurchleuchtetes Gewölk zog drüben im Blauen an ihnen vorüber, und ein Volk weißer Tauben schwebte daran hin oder stieg abwechselnd auf und nieder. Unmittelbar am Abhang aber standen Libellen in der Luft, und kleine graue Heuschrecken, die sich in der Morgenkühle von Feld und Wiese her bis an den Waldrand gewagt haben mochten, sprangen jetzt, bei sich steigernder Tagesglut, in die kühlere Kleewiese zurück.

      Der Oberst nahm Céciles Hand, und die schöne Frau lehnte sich müd und auf Augenblicke wie glücklich an seine Schulter.

      In solchem Träumen blieb sie, bis plötzlich an der Bahn entlang die Signale gezogen wurden und von Thale her das scharfe Läuten der Abfahrtsglocke herüberklang. Und siehe da, keine Minute mehr, so vernahm man auch schon den Pfiff der Lokomotive, gleich danach ein Keuchen und Prusten, und nun dampfte der Zug auf wenig hundert Schritt an dem Lindenberge vorüber.

      »Er geht nach Berlin«, sagte St. Arnaud. »Willst du mit?«

      »Nein, nein.«

      Und nun sahen beide wieder der Wagenreihe nach und horchten auf das Echo, das das Gerassel und Geklapper in den Bergen wachrief und fast so klang, als ob immer neue Züge vom Hexentanzplatz her herunterkämen.

      Endlich schwieg es, und die frühere Stille lag wieder über der Landschaft. Nur die Brise, von Dorf und Fluß her, wuchs, und die Kornfelder neigten sich und mit ihnen der rote Mohn, der in ganzen Büscheln zwischen den Halmen stand.

      Unwillkürlich machte Cécile die schwankende Bewegung mit, bis sie plötzlich auf ein Bild wies, das der Aufmerksamkeit beider wohl wert war. Von jenseit der Bahn her kamen gelbe Schmetterlinge, massenhaft, zu Hunderten und Tausenden herangeschwebt und ließen sich auf dem Kleefeld nieder oder umflogen es von allen Seiten. Einige schwärmten am Waldrand hin und kamen der Bank so nahe, daß sie fast mit der Hand zu fassen waren.

      »Ah, Pierre«, sagte Cécile. »Sieh nur, das bedeutet etwas.«

      »O gewiß«, lachte St. Arnaud. »Es bedeutet, daß dir alles huldigen möchte, gestern die Rosenblätter und heute die Schmetterlinge, Boncours und Gordons ganz zu geschweigen. Oder glaubst du, daß sie meinetwegen kommen?«

      Kapitel Ein­und­siebzig

      Alles freute sich auf Altenbrak, und selbst Cécile war schon um acht auf dem großen Balkon, trotzdem der Aufbruch erst um zehn und zehneinhalb erfolgen sollte.

      Dieser Aufbruch zu verschiedenen Zeitpunkten hatte darin seinen Grund, daß Cécile, sosehr sie sich erholt hatte, für eine Fußpartie doch nicht ausreichend gekräftigt war, während St. Arnaud, ein leidenschaftlicher Steiger, auf eine Wanderung über die Berge hin nicht gern verzichten wollte. So war man denn übereingekommen, den Marsch in zwei Kolonnen zu machen, von denen die Fußkolonne: St. Arnaud, der Emeritus und der Privatgelehrte, um zehn Uhr vorausmarschieren, die Reiterkolonne: Gordon und Cécile, um zehneinhalb Uhr nachfolgen sollte. Danach wurde denn auch verfahren, und als der Fußtrupp um eine halbe Stunde voraus war, erhoben sich die bis dahin Zurückgebliebenen, um sich, unmittelbar vor dem Hotel, an dem Halteplatze der Wagen und Pferde, beritten zu machen. Gordon, wenig zufrieden mit dem Bestande, den er hier vorfand, unterhandelte gerade mit einem der Vermieter, als Cécile, zwischen den Pferden hin, ein Paar Esel gewahr wurde, die ganz zuletzt im Schatten einer Platane standen. Sie freute sich sichtlich dieser Wahrnehmung, und mit einer ihr sonst nicht eigenen Lebhaftigkeit die Verhandlungen unterbrechend, sagte sie, während sie nach der Platane hinzeigte: »Da sind Esel, Herr von Gordon. Das ist nun einmal meine Passion: Eselreiten und Ponyfahren. Und wenn Sie nicht Anstand nehmen… «

      »Im Gegenteil, meine gnädigste Frau, man sitzt besser und gemütlicher, und das gefürchtete ›Vom Pferd auf den Esel kommen‹, was bildlich sein Mißliches haben mag, ist mir in natura nie schrecklich gewesen.«

      Ein Blick, von dem schwer zu sagen war, ob mehr schmeichelhafte Huld oder naive

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