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      Impressum

      © 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      eISBN: 978-3-96688-099-2

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

       Jan J. Moreno

Mann über Bord

       Verzweifelt kämpft er ums Überleben

       Ein Feuersturm tobte über die Decks der „Seawind“, angefacht von der auffrischenden Brise, die die letzten glimmenden Segelfetzen von den Rahen zerrte. Zugleich riß der dunkle Qualm auf, der wie ein Leichentuch zwischen den Schiffen hing, und ließ die Umrisse der angreifenden Galeone in all ihren erschreckenden Einzelheiten deutlich werden. Unglaublich schnell hatten die Spanier ihre Geschütze nachgeladen und ausgerannt, und schon brach ein weiterer vernichtender Eisenhagel über die „Seawind“ herein. Die grellen Blitze der Pulverexplosionen schienen mit den lodernden Flammen zu verschmelzen, und das Dröhnen der spanischen Breitseite wurde eins mit dem gräßlichen Splittern, Bersten und Krachen, als der Rumpf der englischen Galeone von vorn bis achtern aufgerissen wurde. Inmitten des Chaos suchte Clinton Wingfield verzweifelt nach Schutz. Mit seinen zehn Jahren war er viel zu jung zum Sterben …

       Die Hauptpersonen des Romans:

      Clinton Wingfield – der Moses der Arwenacks wird von einer Riesenwelle außenbords gerissen und verschwindet spurlos.

      Cynthia Elizabeth Mayfield – erweist sich als Samariterin und hat keine Angst vor Stürmen.

      Dragha – befehligt als Kapitän eine Pattamar sowie eine Horde von Halsabschneidern.

      Dan O’Flynn – seinen scharfen Augen haben es die Arwenacks zu verdanken, daß sie nicht in eine böse Falle tappen.

      Edwin Carberry – findet die richtige Methode, um mit einem Schock fertig zu werden.

       Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       1.

      Zitternd und schweißgebadet schreckte ich hoch. Das dumpfe Wummern der Kanonen und das Ächzen und Stöhnen hämmerte mein Herz gegen die Rippen, in den Schläfen pochte das Blut, mein Atem ging kurz und keuchend.

      Der ersten Regung nachgebend, sprang ich auf, um mich über Bord zu stürzen, denn die See erschien mir in dem Moment weitaus freundlicher als die vom Feuer heimgesuchten Decks, doch eine eiserne Faust hielt mich zurück. Jemand redete beschwörend auf mich ein. Er sagte Dinge, die ich nicht verstand, aber immerhin begriff ich, daß die Wirklichkeit anders aussah.

      Ich hatte schlecht geträumt. Die Schreie, die ich zu hören glaubte und die mich aufgeschreckt hatten, waren meine eigenen gewesen.

      Wahrscheinlich würde ich nie vergessen können …

      „He, Clint, träumst du immer noch?“ Der Mann mit dem mächtigen grauen Bartgestrüpp, der sich über mich gebeugt hatte, umfaßte meine Schultern und schüttelte mich. Mein Versuch einer Gegenwehr fiel kläglich aus. Ich stammelte wirres Zeug von Feuer an Bord, Spaniern und schweren Breitseiten.

      „Wenn Clinton ein paar Jahre älter wäre und ich nicht genau wüßte, daß er keinen Tropfen Rum angefaßt hat, würde ich behaupten, er hat mächtig einen geladen.“ Ein zweiter Mann schob sich in mein Blickfeld, ein kräftiger blonder Riese, zweifellos ein harter Kämpfer, doch seine hellen Augen strahlten Ruhe und Gelassenheit aus.

      „Er segelt gegen die Spanier“, sagte der Bärtige und hörte endlich auf, mich durchzuwalken. „Dabei schreit er wie am Spieß.“

      „Das sind die üblichen Alpdrücke“, erwiderte der andere. „Irgendwann hatte die jeder von uns, der eine eher, der andere eben später.“

      Das Gespräch flutete an mir vorbei wie Brecher an einem Molenkopf. Erst allmählich wurden mir beide Gesichter vertrauter. Ich begriff, daß die letzte Fahrt der „Seawind“ vor eineinhalb Jahren im Feuer der Spanier geendet war und ich mittlerweile zu den Korsaren des Seewolfs gehörte, wenn auch als jüngstes Mitglied und damit Moses seiner Crew.

      Aber schon die Tatsache, unter dem Kommando von Philip Hasard Killigrew zu segeln, war eine unsagbare Ehre für mich. Den Tag, an dem ich auf der „Respectable“ einfach über Bord sprang und mich den Arwenacks anschloß, werde ich mein Leben lang nicht vergessen.

      „Alles wieder in Ordnung, Junge?“ fragte der Graubärtige, der frühere Schmied von Arwenack und darüber hinaus ein ausgezeichneter Langbogenschütze. Sein Blick drückte Besorgnis aus, und das hatte ich auf den Schiffen, auf denen ich zuvor gewesen war, nie erlebt. Dort war ein Schiffsjunge der letzte Dreck, gerade gut genug, um an ihm allen Ärger auszulassen.

      „Ich habe schlecht geträumt, Sir, Mister Shane“, erwiderte ich. „Nichts von Bedeutung.“

      „Geschrien hast du wie am Spieß“, sagte der Blonde. Er hieß Stenmark und war Schwede. „Blaß bist du außerdem, als wäre dir der leibhaftige Gottseibeiuns über den Weg gelaufen.“

      Ich atmete tief ein und hielt die Luft an, um wieder Farbe zu kriegen. Nach einer Weile atmete ich prustend aus.

      „Alles halb so schlimm, Mister Stenmark“, versicherte ich.

      Er grinste. „Jetzt bist du rot wie ein frisch gerupfter Puter, Clint. Schade, daß du dich nicht sehen kannst.“

      „Der Junge braucht frische Luft und Bewegung“, sagte Big Old Shane. „Kein Wunder, daß er bei dem Mief unter Deck schwermütig wird.“

      So schlecht fand ich die Luft im Vorschiff der Schebecke zwar nicht, und verglichen mit dem Gestank auf der „Respectable“ waren selbst die Ausdünstungen in der Büge noch der reinste Wohlgeruch, aber Mister Shane verfolgte wohl eine Absicht, wenn er so redete. Prompt nahm er mich am Arm und führte mich nach oben.

      „Der Morgen graut bereits“, sagte er, „und eine Mütze voll Schlaf hast du ohnehin erwischt, Mister Wingfield.“

      Wahrscheinlich um mich aufzumuntern, nannte er mich „Mister“. Vor ihm hatte das noch niemand getan. Wozu auch? Ein zwölfjähriges Bürschchen, blond, mit Haarwirbeln, Stupsnase und grauen Augen verdiente keinen Respekt. In dem Alter war man gerade gut genug für das Prügeldasein eines Pulveraffen und Läufers.

      Aber irgendwann, das hatte ich mir während der Zeit auf der „Respectable“ geschworen, würde ich aller Welt beweisen, daß ein Clinton Wingfield mehr konnte – „Kapitän Wingfield“ klang gut, „Admiral Wingfield“ noch besser, und ein „Sir“ vor dem Namen war sicher erstrebenswert. Wer ohne Adelstitel geboren wurde, mußte ihn sich eben erkämpfen.

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