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— »Ich wollte doch, daß er selbst eigen Sohn hätte, dann würde er nicht so bereitwillig sein, anderen Leuten immer Rathschläge zu geben — er würde sehen, was das heißt, wenn man ein paar Jungen in Ordnung halten muß.«

      Er besaß eine löbliche Sorgfalt für seine körperliche Gesundheit — stand früh auf und ging bei Zeiten zu Bette, machte regelmäßig vor dem Frühstück einen Spaziergang, war ungemein eigen in Bezug auf warme und trockne Kleidung, hatte nie eine Predigt gehalten, ohne vorher ein rohes Ei zu verschlucken, obgleich er mit guten Lungen und einer kraftvollen Stimme begabt war, und war im Allgemeinen in Bezug, auf das, was er aß und trank, äußerst eigen, wenn auch keineswegs enthaltsam, und hatte eine ganz eigenthümliche Diät, indem er Thee und dergleichen Gewäsch höchlichst verachtete und dafür Bier, Speck und Eier, Schinken, Rauchfleisch und andere kräftige Speisen in Schutz nahm, die mit seinen Verdauungsorganen in gutem Vernehmen standen, weshalb er behauptete, . daß sie für Jedermann gut und gesund seien und sie den schwächlichsten, kranken oder an Unverdaulichkeit Leidenden eifrig empfahl und ihnen dann, wenn sie von seinen Recepten nicht den versprochenen Nutzen zogen, sagte, daß es nur daher komme, daß sie nicht lange genug damit fortgefahren seien, und wenn sie sich über unangenehme Folgen davon beklagten, ihnen versicherte, daß es nichts wie Einbildung sei

      Ich will zwei andere Personen, die ich erwähnt habe, nur kurz berühren und dann diesen langen Brief schließen. Dies sind Mrs. Wilson und ihre Tochter.

      Erstere war die Witwe eines wohlhabenden Gutsbesitzers, eine engherzige, schwatzhafte alte Frau Base, deren Charakter keine Beschreibung verdient. Sie hatte zwei Söhne, Robert, einen rauhen, verbauerten Landmann und Richard, einen schüchternen, fleißigen, jungen Mann, der unter Beihilfe des Vikars die classischen Sprachen studierte und sich für die Universität vorbereitete, um später in die Kirche zu treten.

      Ihre Schwester Jane war eine junge Dame von einigem Talent, aber noch größerem Ehrgeiz. Sie hatte ihrem eigenen Wunsche zufolge, eine ordentliche Pensionats-Erziehung, die vornehmer war, als sie irgend ein Mitglied der Familie vor ihr erhalten hatte, genossen; sie hatte die Politur gut angenommen, höchst elegante Manieren erhalten, ihren Provinzialaccent gänzlich verloren und konnte sich größeren Wissens rühmen, als die Töchter des Vikars.

      Man hielt sie überdies für eine Schönheit, sie konnte mich jedoch nie auch nur auf einen Augenblick zu ihren Bewunderern zählen. Sie war etwa sechsundzwanzig, « ziemlich lang und sehr schlank, ihr Haar weder kastanienbraun noch auburn, sondern von höchst entschiedenen grellem hellen Roth. Ihr Teint auffallend weiß und brillant, ihr Kopf klein, Hals lang, Kinn gut geformt, aber sehr kurz, die Lippen schmal und roth, die Augen hellbraun, durchdringend und scharf, aber des Gefühls und der Poesie gänzlich ermangelnd. Sie hatte oder hätte in ihrem Stande eine Menge von Bewerbern haben können, wies sie aber alle verächtlich zurück oder ab, denn ihrem feinen Geschmacke konnte nur ein Gentleman gefallen und ihrem Ehrgeize nur ein reicher Mann genügen. Es gab einen Gentleman, der ihr in der lebten Zeit ziemlich auffallende Aufmerksamkeit bewiesen und auf dessen Herz, Namen und Vermögen, wie man sich zuflüsterte, sie ernsthafte Absichten hatte.

      Dies war Mr. Lawrence, der junge Gutsherr, dessen Familie früher Wildfell Hall bewohnt, es aber vor etwa fünfzehn Jahren verlassen hattest, um ein moderneres und bequemeres Haus im benachbarten Kirchspiele zu bewohnen.

      Nun, Halford, für jetzt nehme ich von Ihnen Abschied. Dies ist die erste Ratenzahlung meiner Schuld; sagen Sie mir, ob Ihnen die Münze zusagt, und ich werde Ihnen dann das Uebrige nach Muster zusenden. Wollen Sie aber lieber mein Gläubiger bleiben, als Ihre Börse mit so unbehilflichen, schweren Geldstücken vollstopfen — so sagen Sie mir es dessenungeachtet und ich werde Ihrem schlechten Geschmack verzeihen und den Schatz gern für mich behalten.

      Unveränderlich der Ihrige

      Gilbert Markham.

      Zweites Kapitel.

       Eine Zusammenkunft.

      Ich nehme mit Freuden wahr, mein hochgeschätzter Freund, daß sich die Wolke Ihres Unwillens verzogen hat, Sie lassen die Sonne Ihres Antlitzes wieder leuchten und verlangen die Fortsetzung meiner Geschichte und sollen dieselbe also ohne weitere Umschweife erhalten.

      Ich glaube, daß der von mir zuletzt erwähnte Tag der letzte Oktobersonntag des Jahres 1827 gewesen ist. Am folgenden Dienstag war, ich mit meinem Hunde und meiner Flinte ausgegangen, um solches Wild aufzusuchen, wie es sich auf dem Gebiete von Linden-Car vorfand; da ich aber gar keines erblickte, wendete ich meine Waffen gegen die Falken und Aaskrähen, deren Räubereien mich, wie ich argwöhnte, besserer Beute beraubt hatten.

      Zu diesem Zwecke verließ ich die häufiger besuchten Gegenden, die Waldthäler, Kornfelder und Wiesen, und erstieg die steile Anhöhe von Wildfell, die wildeste und höchste Gegend unserer Nachbarschaft, wo, wenn man höher hinauf kommt, die Hecken, wie die Bäume, dünn und verkrüppelt werden und die ersteren endlich rauhen Steinmauern, die zum Theil mit Epheu und Moos überzogen sind, die letzteren Lerchen und Kiefern, oder einsamen Schwarzdorn weichen. Die unebenen und steinigen und für den Pflug gänzlich ungeeigneten Felder waren meist zu Schaf- und Rindviehweiden bestimmt, der Boden leicht und mager, — hier und da blickten graue Felsenstücke unter den bemoosten Anschwellungen hervor, unter den Mauern wuchsen Preiselsbeeren und Haidekraut — Ueberbleibsel von einem noch wilderen Zustande des Bodens, und in vielen Einfriedigungen hatten Sandbinsen und Quecken die Oberherrschaft über den spärlichen Graswuchs usurpiert — aber es war nicht mein Eigenthum.

      Fast auf der Spitze des Hügels und etwa eine Stunde von Linden-Car entfernt, stand Wilder Hall, ein aus dunkeln, grauen Steinen errichtetes invalides Gebäude aus der elisabethischen Zeit — ehrwürdig und malerisch zu betrachten, ohne Zweifel aber kalt und düster genug zu bewohnen, mit seinen dicken, steinernen Fensterstöcken und kleinen, runden Fensterscheiben, seinen vom Zahne der Zeit genagten Luftlöchern und seiner zu einsamen und zu ungeschützten Lage — vor dem Kampfe des Windes und Wetters nur durch eine Kieferngruppe beschirmt, die selbst von den Stürmen halb abgestorben war und eben so düster und finster aussah, wie die Halle selbst.

      Hinter dem Hause lagen einige nackte Felder und dann kam der braune, mit Haidekraut bekleidete Gipfel des Hügels. Vor ihm — von steinernen Mauern umgeben und durch ein eisernes Gitterthor, dessen Seitenmauern mit großen, grauen Granitkugeln versehen waren, wie sie das Dach und die Giebel zierten, zugänglich — war ein Garten, einst mir kräftigen Pflanzen und Blumen, wie sie dem Boden und Klima am besten entsprachen, und Bäumen, wie sie die Scheeren des Gärtners am besten aushalten und am leichtesten die Formen, welche er ihnen zu geben beliebte, annehmen konnte, besetzt — der aber, nach dem er so viele Jahre ungegraben und unbeschnitten dem Unkraut und Grase, Frost und Wind, dem Regen und der Dürre überlassen geblieben war, ein wahrhaft eigenthümliches Aussehen besaß.

      Die dichten, grünen, spanischen Holländerwände, welche den Hauptgang begrenzt hatten, waren zu zwei Dritteln verdorrt und das Uebrige über alle vernünftigen Grenzen bin ausgewuchert. Der alte Buchsbaumschwan, welcher neben dem Abtrete-Eisen saß, hatte den Hals und die Hälfte seines Körpers verloren, die Lorbeerthürme in der Mitte des Gartens, der gigantische Krieger, welcher auf der einen Seite des Eingangs stand und der die andere bewachende Löwe waren in so phantastische Gestalten ausgesproßt, daß sie keinem Dinge im Himmel und auf Erden, noch in den Gewässern und unter der Erde glichen, boten aber meiner jungen Phantasie alle ein koboldisches Aussehen, das vor trefflich mit den gespenstischen Legionen und dunkeln Sagen harmonierte, welche uns unsre alte Amme über die Spukhalle und ihre geschiedenen Bewohner erzählt hatte.

      Es war mir gelungen, einen Falken und zwei Krähen zu erlegen, als ich das Gebäude erblickte, worauf ich meinen weiteren Beutezug aufgab und darauf zuschlenderte, um das alte Haus zu betrachten, und zu sehen, welche Veränderungen die neue Bewohnerin darin hervorgebracht habe.

      Ich wollte nicht gerade nach der Vorderseite gehen und zur Thür,hereingaffen, sondern verweilte an der Gartenmauer und betrachtete mir es, sah aber keine Veränderung — mit Ausnahme des einen Flügels, wo die zerbrochenen Fenster und das verfallene Dach offenbar ausgebessert worden waren und eine dünne Rauchsäule aus dem Kamine in die Höhe kräuselte.

      Während

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