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— und erzählt mir, was Ihr den ganzen Tag gethan habt, ich möchte gern wissen, was meine Kinder thun.«

      »Ich habe das graue Füllen zugeritten — nichts Leichtes — das Umpflügen der letzten Weizenstoppeln geleitet — denn der Ackerknecht hat nicht soviel Verstand, um es selbst zu thun — und einen Plan zur ausgedehnten und wirksamen Entwässerung der tiefen Wiesen aus geführt.«

      »Du bist ein braver Junge! — Und Fergus, was hast Du gethan?«

      »Einen Dachs ausgegraben!«

      Und nun begann er eine ausführliche Erzählung seiner Jagd und der einzelnen Züge von Tapferkeit, welche der Dachs und die Hunde entwickelt hatten, wobei meine Mutter that, als höre sie mit der tiefsten Aufmerksamkeit zu, und sein beliebtes Gesicht mit einem Vorrathe mütterlicher Bewunderung betrachtete, welchen ich für seinen Gegenstand höchst unproportionirt hielt.

      »Es wird Zeit, daß Du etwas Anderes thust, Fergus,« sagte ich, sobald mir eine momentane Pause in seiner Erzählung ein Wort einzuschieben gestatten.

      »Was kann ich thun?« fragte er; »meine Mutter will mich nicht auf die See gehen oder in die Armee treten lassen und ich bin einmal entschlossen, nichts Anderes zu thun, außer so viele Dummheiten, daß Ihr am Ende froh sein werdet, mich, unter welchen Bedingungen es auch sein mag, los zu werden.«

      Unsere Mutter streichelte ihm besänftigend die steifen, kurzen Locken. Er brummte und versuchte ein mürrisches Gesicht zu machen, und dann setzten wir uns, der dreimal wiederholten Aufforderung Rosa’s gehorsam, Alle um den Tisch

      »Nun, trinkt Euern Thee,«M sagte sie; »jetzt will ich Euch sagen, was ich gethan habe. Ich bin zum Besuch bei den Wilsons gewesen und es ist tausend Schade, daß Du nicht mitgingst, Gilbert, denn Elise Milward war dort.«

      »Nun, was solls mit ihr?«

      »O nichts! — Ich habe nicht im Sinne, Dir etwas von ihr zu erzählen — nur daß sie ein nettes, amüsantes, kleines Ding ist, wenn sie sich in guter Laune befindet, und ich würde gar nichts dawider haben, wenn Du sie —«

      »Still, still, mein liebes Kind, Dein Bruder denkt nicht daran,« flüsterte meine Mutter eindringlich und hielt den Finger warnend in die Höhe.

      »Nun,« fuhr Rosa fort, »ich wollte Euch eine wichtige Neuigkeit erzählen, die ich dort gehört habe — das Geheimniß hat mich fast zum Platzen gebracht — Ihr wißt, daß es vor einem Monate hieß, daß Jemand im Begriff sei, Wildfell Hall zu miethen — und — denkt Euch, — jetzt ist es schon seit mehr als einer Woche bewohnt — und wir haben nichts davon gewußt.«

      »Unmöglich!« rief meine Mutter.

      »Unsinn!!!« schrie Fergus.

      »Es ist wirklich so! — und das von einer einzelnen Dame.«

      »Guter Gott, Kind, das Haus ist ja eine Ruine.«

      »Sie hat zwei bis drei Zimmer in wohnlichen Stand setzen lassen und dort lebt sie ganz allein, außer einer alten Frau, die sie bedient.«

      »Du lieber Gott, das verdirbt den ganzen Witz — ich hoffte schon, daß sie eine Hexe wäre,« bemerkte Fergus, während er sich ein zolldickes Butterbrot abschnitt.

      »Unsinn, Fergus.«

      »Ist es aber nicht sonderbar« Mama?«

      »Sonderbar! — ich kann es kaum glauben.«

      »Aber Sie können es glauben,« den Jane Wilson hat sie gesehen. Sie ist mit ihrer Mutter hingegangen, die natürlich, sobald sie hörte, daß sich eine Fremde in der Gegend befand, auf Nabeln und Kohlen saß, bis sie bei ihr gewesen war und, so viel sie konnte, aus ihr herausgelockt hatte. Sie heißt Mrs. Graham und ist in Trauer, nicht in Witwentrauer, sondern in Halbtrauer, und sie wäre ganz jung, heißt es — nicht über fünf oder sechsundzwanzig Jahr — aber so zurückhaltend. — Sie versuchten alles Mögliche, um ausfindig zu machen, wer sie sei und wo sie herkommt u. s. w., aber weder Mrs. Wilson mit ihren hartnäckigen, impertinenten, geradezu gestellten Fragen, noch Miß Wilson mit ihren geschickten Manövern, war im Stande, eine einzige zufriedenstellende Antwort, oder auch nur eine beiläufige Bemerkung oder einen zufälligen Ausdruck aus ihr zu bringen, der geeignet war, ihre Neugier zu befriedigen, oder den schwächsten Lichtstrahl auf die Geschichte, die Verhältnisse oder Familie der Dame zu werfen. Ueberdies hat sie sich höflich gegen sie benommen, das war aber auch Alles, denn Jene konnten deutlich sehen, daß es ihr lieber war: Leben sie wohl! zu sagen als: Wie befinden sie sich? — Elise Milward sagt aber, daß ihr Vater beabsichtige, sie bald zu besuchen, um ihr einige geistliche Ratschläge zu ertheilen, deren sie, wie er fürchtet, bedarf, da sie bekanntlich schon vorige Woche in die Nachbarschaft gezogen, dessenungeachtet aber am vergangenen Sonntag nicht in der Kirche erschienen ist, und sie — das heißt Elise — will ihn bitten, mitgeben zu dürfen und ist über zeugt, daß sie etwas aus ihr bringen kann — Du weißt, Gilbert, daß sie Alles thun kann, was sie will — und auch wir sollten einmal einen Besuch dort machen, Sie wissen ja, daß es die Schicklichkeit gebietet?«

      »Natürlich, mein liebes Kind; das arme Ding, wie einsam es ihr sein muß.«

      »Und beeilt Euch damit, und vergeßt nicht, mir Nachricht zu bringen« wie viel Zucker sie in ihren Thee thut und was für Hauben und Schürzen sie trägt, und was sie sonst noch angeht, denn ich weiß nicht, wie ich leben soll, bis ich es weiß,« sagte Fergus mit äußerst ernsthaftem Gesichte

      Wenn er aber erwartet hätte, seine Rede als ein Meisterstück des Witzes aufgenommen zu sehen, so mißlang ihm dies gänzlich, denn kein Mensch lachte. Darüber ließ er sich aber nicht aus der Fassung bringen, denn als er einen Mundvoll Butterbrot zu sich genommen hatte und eben einen Schluck Thee hinterschlucken wollte, brach der Humor der Sache mit so unwiderstehlicher Gewalt auf ihn ein, daß er vom Tische aufspringen und schnaubend und fast erstickend aus dein Zimmer stürzen mußte und eine Minute später in furchtbarer Pein im Garten kreischend gehört wurde.

      Was mich betrifft, so war ich hungrig und begnügte mich damit, schweigend den Thee mit Schinken und Butterbrot zu demoliren, während meine Mutter und Schwester fortplauderten und die bekannten oder unbekannten Umstände und die wahrscheinliche oder unwahrscheinliche Geschichte der geheimnißvollen Dame besprachen; aber ich muß gestehen, daß ich nach dem Unglücksfalle meines Bruders ein paar Mal die Tasse an die Lippen führte, aber wieder niedersetzen mußte, ohne den Inhalt zu kosten zu wagen, um nicht meiner Würde durch eine ähnliche Explosion zu schaden.

      Am nächsten Tage beeilten sich meine Mutter und Rosa, der schönen Einsiedlerin ihr Compliment zu machen, und kamen nur um wenig klüger, als sie gegangen waren, zurück, wenn auch meine Mutter erklärte, daß sie der Weg nicht daure, da sie auch, wenn sie nicht viel Gutes für sich gewonnen, sich doch schmeichele, selbst Einiges gethan zu haben, was besser wär, sie hatte einige nützliche Rathschläge gegeben, die hoffentlich nicht weggeworfen sein würden, denn Mrs. Graham schiene, wenn sie auch sehr wenig spreche und etwas von sich selbst eingenommen sei, doch des Nachdenkens nicht unfähig. Wenn sie auch nicht wüßte, wo das arme Ding ihr ganzes Leben zugebracht haben müsse, da sie eine klägliche Unwissenheit in gewissen Punkten verrieth und nicht einmal den Verstand hatte sich derselben zu schämen.

      »In welchen Punkten, Mutter?« fragte ich

      »In Haushaltungssachen und allen kleinen Küchendelikatessen und dergleichen Dingen, mit denen jede Dame vertraut sein sollte, ob es nun nöthig ist, daß sie von ihren Kenntnissen praktischen Gebrauch mache oder nicht. Ich habe ihr jedoch einige nützliche Mittheilungen gemacht und verschiedene ausgezeichnete Küchenrecepte gegeben, deren Werth sie offenbar nicht beurtheilen konnte, denn sie bat mich, ich solle mir nur keine Mühe machen, da sie so einfach und still lebe, daß sie sie sicher nie in Anwendung bringen werde. — »»Das thut nichts, mein liebes Kind,«« sagte ich — »»jedes respektable Frauenzimmer muß das wissen und übrigens sind sie zwar jetzt allein, werden es aber nicht immer bleiben, sie sind vetheirathet gewesen und werden wahrscheinlich — ich möchte fast sagen, sicherlich — sich wieder verheirathen.«« — »»Da irren Sie sich, Madame,«« sagte sie fast hochfahrend — »»ich bin überzeugt, daß ich es nie thun

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