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Graham, die Dich so bekümmert?«

      »Nein, nein, ich sage Ihnen, es ist nichts.«

      »Wollte Gott, es wäre so,« murmelte sie mit einem Seufzer, als sie nach ihrem Zimmer zurückkehrte, während ich mich selbst auf das Bett warf und mich mit großem Mangel an kindlicher Liebe über sie ärgerte, weil sie mich des einzigen Schattens von Trost, welcher mir noch geblieben zu sein schien, beraubt, und an das elende Dornenlager gefesselt hatte.

      Ich habe noch nie eine so lange, so elende Nacht verlebt, wie diese, und doch war sie nicht ganz schlaflos. Gegen Morgen begannen meine Gedanken alle Prätensionen auf Zusammenhang zu verlieren und sich zu verwirrten, fieberischen Träumen zu bilden und endlich folgte ein Zwischenraum bewußtlosen Schlafes; aber dann das Aufdämmern bitterer Erinnerungen, welches diesem folgte, — das Erwachen, — und das Leben als eine Einöde, und schlimmer als dies, da es von Pein und Elend überströmte, zu erkennen, — nicht als eine bloße nackte Wüste, sondern mit Dornen und Disteln gefüllt, — mich getäuscht, betrogen, hoffnungslos, meine Gefühle mit Füßen getreten, meinen Engel nicht als Engel, und meinen Freund als eingefleischten Teufel zu finden — es war schlimmer, als wenn ich gar nicht geschlafen hätte. —

      Es war ein trüber, bleigrauer Morgen, das Wetter hatte sich geändert, wie meine Aussichten, und der Regen schlug an die Fenster. Ich stand jedoch auf und ging aus, nicht sowohl, um nach dem Gute zu sehen, obgleich ich dies zum Vorwand nahm, sondern um meinen Kopf zu kühlen, und wo möglich wieder Fassung genug zu erlangen, um beim Frühstück mit der Familie zusammentreffen zu können, ohne mir unbequeme Bemerkungen zu erregen. Wenn ich durchnäßt wurde, so konnte dies in Verbindung mit vorgeblicher, zu großer Anstrengung, bei dem Frühstück meinen plötzlichen Verlust des Appetites entschuldigen, und wenn ich mir eine Erkältung zuzog — je schlimmer, desto besser — so konnte diese die mürrische Laune und brütende Melancholie, welche mein Gesicht wahrscheinlich auf lange genug bewölken würde, erklären helfen.

      Dreizehntes Kapitel.

       Die Rückkehr zur Pflicht.

      »Mein lieber Gilbert, ich wollte, Du versuchtest es, etwas liebenswürdiger zu sein, sagte meine Mutter eines Morgens nach einer Kundgebung ungerechter, übler Laune von meiner Seite. »Du sagst, daß Du nichts habest und nichts vorgefallen sei, was Dich betrüben könne, und doch habe ich noch nie einen Menschen in so wenigen Tagen so verändert gesehen, wie Dich. Du hast für keinen Menschen ein freundliches Wort — Freunde wie Fremde, Gleichstehende wie Untergebene — es ist dies alles eins. Ich wollte, Du versuchtest, dem Einhalt zu thun.«

      »Wem Einhalt zu thun?«

      »Nun, Deiner seltsamen Laune; Du weißt nicht, wie schlecht sie Dir steht; es gibt wirklich keinen besseren Charakter, wie der Deine von Natur ist, wenn Du ihm nur freies Spiel gäbest — damit kannst Du Dich also nicht entschuldigen.«

      Während sie mir so Vorstellungen machte, nahm ich ein Buch, legte es offen vor mir auf den Tisch und that, als ob ich von demselben ganz in Anspruch genommen wäre; denn ich vermochte ebensowenig, mich zu rechtfertigen, als ich meine Irrthümer zugestehen wollte, und wünschte über den Gegenstand gar nichts zu sagen — aber meine vortreffliche Mutter fuhr fort, mir vorzupredigen, und kam dann ins Schmeicheln, und begann mir das Haar zu streicheln, und ich fing schon an, mich wieder als einen guten Jungen zu fühlen; als mein muthwilliger Bruder, der sich müßig im Zimmer herumtrieb, meine Verderbtheit wieder neu belebte, indem er rief: »Rühr’ ihn nicht an, Mutter, er beißt! er ist ein wahrer Tiger in Menschengestalt! Ich meines Theils habe ihn aufgegeben — geradezu enterbt — mit Wurzel und Stamm aus meinem Herzen gerissen — ich bin in Lebensgefahr, wenn ich ihm auf sechs Schritte zu nahe komme. — Neulich hat er mir beinahe den Schädel zerschlagen, weil ich ein hübsches, unschuldiges Liebeslied sang, um ihn ein wenig zu erheitern.«

      »O, Gilbert, wie konntest Du das thun!« rief meine Mutter.

      »Du weißt« Fergus, daß ich Dir vorher gesagt habe, daß Du Deinen Spektakel einstellen sollst,« sagte ich.

      »Ja, aber als ich Dir versicherte, daß es mir nun ganz und gar keine Mühe mache, und den zweiten Vers anfing, da ich dachte, daß er Dir besser gefallen würde, packtest Du mich bei der Schulter und warfst mich mit solcher Gewalt dort an die Wand, daß ich dachte, ich hätte mir die Zunge entzweigebissen, und sie mit meinem Gehirn bespritzt zu sehen erwartete, und als ich meine Hand an den Kopf hielt und fand, daß er nicht zerschmettert war, hielt ich es für ein Wunder und weiter nichts. Aber der arme Bursche, fügte er mit einem sentimentalen Seufzer hinzu — »sein Herz ist gebrochen — das ist die reine Wahrheit — und sein Kopf ist —«

      »Willst Du jetzt den Mund halten!« schrie ich, aufspringend und den Burschen so grimmig anblickend, daß meine Mutter, welche dachte, daß ich ihm eine schwere Verletzung zuzufügen beabsichtige, ihre Hand auf meinen Arm legte und mich bat, ihn gehen zu lassen, worauf er gemächlich mit den Händen in den Hosentaschen hinausging, und mir zum Aerger sang:

      »Das Lieben ist nun aus 2c.«

      »Ich werde mir die Finger nicht an ihm beschmutzen,« antwortete ich auf die Vorstellungen meiner Mutter, »ich würde ihn nicht mit der Zange angreifen.«

      Jetzt entsann ich mich, daß ich mit Robert Wilson in Bezug auf den Kauf eines an mein Gut stoßenden Feldes zu thun hatte — ein Geschäft, welches ich von Tag zu Tag verschoben; denn ich nahm jetzt an nichts mehr Antheil, und war überdies menschenfeindlich gesinnt, und hatte außerdem eine besondere Abneigung, mit Jane Wilson oder mit ihrer Mutter zusammenzutreffen, denn obgleich ich jetzt nur zu guten Grund besaß, ihren Gerüchten in Bezug auf Mrs. Graham Glauben zu schenken, so waren sie mir dadurch doch um kein Haar lieber geworden — ebenso wenig, als Elise Milward — und der Gedanke an eine Begegnung mit ihnen war mir um so mehr zuwider, als ich jetzt nicht mehr, wie früher, ihren anscheinenden Verläumdungen Trotz bieten und in meinen eignen Ueberzeugungen triumphieren konnte.

      Heute aber beschloß ich, eine Anstrengung zu machen, um wieder zu meiner Pflicht zurückzukehren. Obgleich ich kein Vergnügen davon zu erwarten hatte, war es doch weniger unangenehm, als das Nichtsthun — jedenfalls aber vortheilhafter; wenn mir das Leben keinen Genuß in meinem Berufe versprach, so bot es mir doch wenigstens außer demselben keine Lockungen und von nun an wollte ich meine Schulter an das Rad stimmen und mich abmühen wie ein armer Kartengaul, der zu seiner Arbeit gehörig abgerichtet war, und durchs Leben schleichen, wenn auch nicht mit Freuden, doch, nicht ganz nutzlos, und wenn nicht mit meinem Schicksale zufrieden, doch ohne mich zu beklagen.

      Unter diesen Entschlüssen begab ich mich mit einer Art von mürrischer Resignation, wenn man einen solchen Ausdruck gebrauchen darf, auf den« Weg nach Ryecot, obgleich ich kaum erwartete, den Besitzer zu dieser Stunde des Tages zu Hause zu finden, hoffte aber, zu erfahren, in welchem Theile des Gutes er wahrscheinlich zu finden sein würde

      Er war allerdings nicht zu Hause, wurde aber in wenigen Minuten erwartet, und man forderte mich auf, in das Wohnzimmer zu treten, bis er komme. Mrs. Wilson war in der Küche beschäftigt, das Zimmer aber nicht leer, denn Miß Wilson saß darin und schwatzte mit Elise Milward. Ich beschloß jedoch, kalt und höflich zu sein. Elise schien ihrerseits den gleichen Entschluß gefaßt zu haben. Wir waren seit dem Abend der Theegesellschaft nicht zusammengetroffen, aber es zeigte sich keine freudige, noch schmerzliche Aufregung, — kein Versuch zum Pathos — keine Kundgebung von gekränktem Stolzes sie war kaltblütig und benahm sich höflich. Ihre Miene und ihr Wesen besaßen selbst eine Ruhe und Heiterkeit, woraus ich keinen Anspruch machte; in ihrem zu ausdrucksvollen Auge lag jedoch eine tiefe Bosheit, die mir deutlich sagte,, daß mir keine Verzeihung zu Theil geworden sei; denn obgleich sie nicht mehr hoffte, mich für sich zu erringen haßte sie ihre Nebenbuhlerin doch noch immer und war offenbar entzückt, ihr Gift an mir auszulassen. Andrerseits war Miß Wilson zuthulich und höflich, wie es das Herz nur wünschen konnte, und obgleich ich selbst nicht in gesprächiger Laune war, gelang es den beiden Damen doch ein fortwährendes . Feuer von Geschwätz zu unterhalten. Elise benutzte jedoch die erste Pause, welche sich ihr darbot, um zu fragen, ob ich in der letzten Zeit Mrs. Graham gesehen habe, und that dies in einem Tone bloßer zufälliger Erkundigung, aber mit einem Seitenblicke,

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