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gewähren würde, — daß meine Entschlossenheit selbst — die absolute Nothwendigkeit des Gelingens, die, wie ich fühlte, mir das erringen mußten, was ich suchte«, während ich andrerseits fürchtete, den mit so vieler Mühe und Geschicklichkeit gewonnenen Grund und Boden zu verlieren und durch eine voreilige Anstrengung alle künftigen Hoffnungen zu vernichten, wenn Zeit und Geduld mir den Sieg verschafft haben würden. Es war, als ob ich mein Leben auf den Würfel setze, und doch war ich bereit, den Versuch zu wagen. Auf alle Fälle wollte ich sie um die Erklärung bitten, die sie mir früher halb und halb zu geben versprochen hatte. Ich wollte nach dem Grunde der verhaßten Schranken, des geheimnißvollen Hindernisses meines Glücks, und, wie ich überzeugt war, auch des ihren fragen.

      Während ich aber noch überlegte, auf welche Weise ich meinen Besuch am besten fassen könne, erwachte meine Gefährtin mit einem hörbaren Seufzer aus ihren Träumen, blickte nach dem Fenster, wo der blutrothe Erntemond, der sich so eben hinter einem der phantastischen, immergrünen Bäume erhoben hatte, zu uns hereinschien, und sagte:

      »Gilbert« es wird spät.«

      »Ich sehe es,« sagte ich, »Sie werden wünschen, daß ich gehe.«

      »Ich denke, Sie sollten es thun; wenn meine guten Nachbarn diesen Besuch erfahren — was ohne Zweifel geschehen wird — so werden sie ihn nicht sehr zu meinem Vortheil auslegen.«

      Sie sagte dies mit einem Lächeln, was der Vikar ohne Zweifel ein wildes genannt haben würde

      »Sie mögen es auslegen, wie sie wollen,« sagte ich, »was gehen ihre Gedanken Ihnen oder mir an, so lange wir mit uns und mit einander zufrieden sind. Sie mögen mit Ihren gemeinen Auslegungen und lügnerischen Erfindungen zum Kuckuk gehen!«

      Dieser Zornesausbruch brachte ein tiefes Erröthen auf ihr Gesicht.

      »Sie haben also gehört, was man von mir sagt?«

      »Ich habe einige abscheuliche Lügen gehört, aber kein Mensch, der nicht ein Narr ist, wird sie auch nur einen Augenblick glauben.«

      »Ich hielt Mr. Milward für keinen Narren und doch glaubt er das Alles; aber wie wenig Sie auch die Ansichten Ihrer Umgebungen schätzen — wie gering Sie dieselben als Individuen halten mögen, so ist es doch nicht angenehm, für einen Lügner und Heuchler gehalten zu werden, im Rufe zu stehen, das zu thun, was man verabscheut, und die Laster, welche man verdammt, zu üben, — zu finden daß alle guten Absichten durch die geargwöhnte Unwürdigkeit vereitelt und die Grundsätze, zu denen man sich bekennt, geschmäht werden.«

      »Ganz richtig, und wenn ich durch meine Gedankenlosigkeit und egoistische Rücksichtslosigkeit in Bezug auf den äußern Schein auch nur im geringsten dazu beigetragen habe, Sie diesen Uebeln auszusetzen, so flehe ich Sie an, mir nicht nur zu verzeihen, sondern mich auch in den Stand zu setzen, Sühnung zu üben, mich zu ermächtigen, Ihren Namen von jeder Beschuldigung zu reinigen, mir das Recht zu geben, Ihre Ehre, als mit der meinen gleich bedeutend zu betrachten, und Ihren Ruf, als kostbarer, wie mein eigenes Leben, zu vertheidigen.«

      »Sind Sie Held genug, um sich mit einem Mädchen zu verbinden, von dem Sie wissen, daß es von allen Ihren Umgebungen beargwöhnt und verachtet wird, und Ihre Interessen und Ihre Ehre mit der seinen zu verschmelzen? Bedenken Sie, es ist eine ernste Sache.«

      »Ich würde stolz sein, es zu thun, Helene! — höchst glücklich — unaussprechlich entzückt! — und wenn dies alle Hindernisse unsrer Vereinigung sind, so enden dieselben hiermit und Sie müssen, — Sie sollen mein werden!« —

      Ich sprang in leidenschaftlicher Gluth von meinem Stuhle auf, bemächtigte mich ihrer Hand, und wollte sie an meine Lippen drücken; sie riß dieselbe aber ebenso plötzlich hinweg und rief mit bitterem Schmerze:

      »Nein, das ist nicht Alles!«

      »Was ist es denn? Sie haben mir versprochen, daß ich es dereinst erfahren solle und —«

      »Sie sollen es erfahren — aber jetzt nicht, — der Kopf schmerzt mir fürchterlich« — sagte sie, ihre Hand an die Stirne drückend, »und ich muß etwas Ruhe haben. Ich bin doch sicherlich heute schon elend genug gewesen,« fügte sie fast wild hinzu.

      »Aber es könnte Ihnen nichts schaden, wenn Sie es sagen; es würde Ihren Geist beruhigen, und ich wüßte dann, wie ich Sie trösten solle.«

      Sie schüttelte verzweifelnd den Kopf. »Wenn Sie Alles wüßten, so würden auch Sie mich tadeln — vielleicht mehr noch, als ich verdiene — obgleich ich Ihnen schweres Unrecht zugefügt habe,« fügte sie murmelnd, als ob sie laut dächte hinzu.

      »Sie, Helene? Unmöglich!«

      »Ja, nicht absichtlich, denn ich kannte die Stärke und Tiefe Ihrer Liebe nicht — ich dachte, — wenigstens bemühte ich mich zu denken, — daß Ihre Zuneigung so kalt und brüderlich sei, wie sie vorgaben.«

      »Oder wie die Ihre?«

      »Oder wie die meine — hätte sein sollen — von so leichter und selbstsüchtiger, aber flüchtiger Natur, daß —«

      »Da haben Sie mir wirklich Unrecht gethan!«

      »Ich weiß, daß ich das gethan habe, und zuweilen argwöhnte ich es damals; aber ich dachte, daß es im Ganzen keinen großen Schaden thun könne, wenn ich Ihren Phantasieen und Hoffnungen überließ, sich auszuträumen, oder zu einem geeigneteren Gegenstande hinwegzuflattern, während ich Ihre freundschaftliche Zuneigung bewahrt hatte. Würde ich aber die Tiefe Ihrer Neigung, die edle, uneigenützige Liebe gekannt haben, welche Sie zu fühlen scheinen —«

      »Scheinen, Helene?«

      »Nun, die Sie fühlen, so hatte ich anders gehandelt.«

      »Wie? Sie konnten mir nicht weniger Aufmunterung geben, noch mich mit größerer Strenge behandeln, als Sie es thaten. Und wenn Sie denken, daß Sie mir dadurch Unrecht gethan, daß Sie mir Ihre Freundschaft gewahrt, und zuweilen den Genuß Ihrer Gesellschaft und Unterhaltung gestattet haben, wenn alle Hoffnungen auf eine innigere eitel waren — wie sie mir in der Zeit stets zu Verstehen gegeben haben — wenn Sie denken, daß Sie mir dadurch Unrecht zugefügt, so irren Sie sich, denn solche Begünstigungen sind an sich schon nicht nur meinem Herzen köstlich, sondern auch reinigend, erhebend, veredelnd für meine Seele, und ich möchte lieber Ihre Freundschaft, als die Liebe irgend eines anderen Weibes auf der Welt genießen.«

      Hierdurch wenig getröstet, faltete sie ihre Hände auf dem Kniee, blickte nach oben, und schien in schweigender Qual den Beistand des Himmels anzurufen; woraus sie sich zu mir wendete und ruhig sagte:

      »Wenn Sie mich morgen gegen Mittag auf dem Moore treffen wollen, so werde ich Ihnen Alles sagen, was sie zu wissen wünschen, und dann sehen Sie vielleicht, die Nothwendigkeit ein, unsern Verkehr einzustellen, wenn Sie mich nicht gern als Eine, die nicht länger Achtung verdient, aufgeben sollten.«

      »Ich kann hierauf zuversichtlich mit Nein antworten. Sie können nicht so schwere Bekenntnisse zu machen haben — Sie müssen meine Treue auf die Probe setzen, Helene.«

      »Nein, nein, nein,« rief sie ernstlich, »ich wollte, daß dem so wäre; dem Himmel sei Dank,« fuhr sie fort, »ich habe kein grobes Verbrechen zu beichten, aber ich habe mehr, als Ihnen zu hören angenehm sein wird, oder Sie vielleicht zu entschuldigen bereit sein werden — und mehr, als ich Ihnen jetzt sagen kann, — lassen Sie sich also bewegen, mich zu verlassen!«

      »Ich will; beantworten Sie mir aber erst eine Frage: Lieben Sie mich?«

      »Ich werde darauf nicht antworten.«

      »Dann werde ich schließen, daß Sie es thun, und nun gute Nacht!« — Sie wendete sich von mir ab, um die Bewegung, welche sie nicht gänzlich zu beherrschen vermochte, zu verbergen. Aber ich ergriff ihre Hand und küßte sie glühend.

      »Gilbert, ich bitte, verlassen Sie mich!« rief sie in einem Tone so tiefer Qual, daß ich fühlte, es würde grausam sein, wenn ich ihr den Gehorsam versagen wollte.

      Ehe ich die Thür schloß, warf ich aber noch einen Blick nach rückwärts

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