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wird er so gut wie gar nicht mehr erwähnt.

      Das liegt natürlich daran, dass die Zahl der Fernsehbesitzer trotz aller Steigerungsraten immer noch sehr gering war. Und daran, dass die Bilder vom „Wunder von Bern“ einem Mythos entstammen, der erst nach dem Turnier zusammengeschnipselt wurde.

      Ein Münchner Geschäftsmann, der in den Annalen der Sportberichtsgeschichte genauso zuverlässig „Schrotthändler“ Schubert genannt wird, wie ein späterer Italienlegionär immer „Ausgerechnet“ Schnellinger tituliert wird, wagte hier einen Ausflug in die Welt der Medien.

      Schubert hatte der FIFA die Bildrechte des Turniers für ein Butterbrot abgekauft. Unter Joseph Blatter wäre so etwas natürlich nie passiert, aber Blatter war damals noch nicht mehr als ein Halbstarker aus dem Wallis mit einem nördlich des Bodensees unverständlichen Dialekt.

      Der Schrotthändler gründete eigens für den Vertrieb des Streifens eine Sportfilm GmbH, die den Film damals mit 100 Kopien ins Kino brachte. Bei dem Streifen führte Fußballfan und Kabarettkoryphäe Sammy Drechsel Regie. Der Mann machte ein Jahr später noch einmal fußballkünstlerisch auf sich aufmerksam, als er ein Jugendbuch mit dem Titel „11 Freunde müsst ihr sein“ auf den Markt brachte.

      Da es 1954 noch keine MAZ gab und die Fernsehbilder nicht archiviert wurden, konnten Schubert und Drechsel nur Filmaufnahmen aus den Wochenschauen verwenden, und die gaben äußerst selten die wirkliche Dramatik des Geschehens wieder. Um zu retten, was zu retten war, unterlegten die Filmemacher die Szenen mit dem mittlerweile legendären Radiokommentar von Herbert Zimmermann.

      Der Hamburger gehörte damals zu dem kleinen Reporterteam, das von der ARD unter der Leitung Robert E. Lembkes in die Schweiz geschickt wurde. Nun haben Leute, die mit ihrer Tätigkeit in der Öffentlichkeit stehen, selten Probleme mit ihrem Selbstwertgefühl, aber für den Kölner Kurt Brumme war ziemlich klar, dass er so etwas wie der Doyen der deutschen Sportreporter war. Brumme hatte seine Karriere als Sportjournalist nach dem Zweiten Weltkrieg bei den Aachener Nachrichten begonnen, als die Amerikaner auf der Suche nach unbelasteten Kräften waren, und der Aufsteiger konnte überzeugend darlegen, dass er während des Dritten Reichs höchstens mal ein paar Artikel geschrieben hatte. Von der Zeitung ging es zum damals noch ganz Nordwestdeutschland abdeckenden NWDR. Als der sich später in NDR und WDR aufspaltete, blieb Brumme im Rheinland und kommentierte am 8. August 1948 im Müngersdorfer Stadion das erste Nachkriegsfinale der Deutschen Fußballmeisterschaft. Er und viele andere waren dabei, als der 1. FC Nürnberg gegen den 1. FC Kaiserslautern mit 2:1 gewann.

      Aufgrund dieser und anderer Meriten wäre Brumme eigentlich für eine Endspielreportage prädestiniert gewesen, aber Delegationsleiter Lembke beschloss, die Reihenfolge der Reportagen durch Münzwurf entscheiden zu lassen. (Ob er diese Münze einem seiner allbekannten „Schweinderl“ entnahm, ist nicht überliefert.) Jedenfalls wählte Brumme beim ersten Wurf Kopf, Zimmermann begnügte sich mit Zahl. Und Brumme, der wie viele andere auch, anfangs glaubte, dass für Deutschland nach drei Vorrundenspielen Schicht im Schacht wäre, hielt sich für den Gewinner. Denn bei einem vorzeitigen Ausscheiden dürfte das erste Spiel die größte Beachtung finden.

      Aber es kam wie bereits erwähnt anders, und so kommentierte Brumme das Halbfinale, während Zimmermann im Endspiel dran war.

      Die Reportage mit ihren Bausteinen „Rahn müsste schießen, Rahn schießt“ oder „Toni Turek Fußballgott“ ist inzwischen so etwas wie ein Teil des nationalen Erbes. Auch Phrasen wie „Puszta-Söhne“ oder „am seidenen Faden“ und „deutsche Tugenden“ dürften damals schon nicht mehr ganz neu gewesen sein. Und wenn man bei den Aufnahmen ganz genau hinhört, kann man erlauschen, wie im Hintergrund Kurt Brumme versucht, sich in den Hintern zu beißen.

       Völlig unterschiedliche Reportagestile

      Doch am bemerkenswertesten ist der Ton, in dem die Reportage vorgetragen wird. Auffällig die völlige Abwesenheit von Ironie und Lockerheit. Manni Breuckmann beschreibt sie im Vorwort von Erik Eggers’ Buch „Die Stimme von Bern“ als wagnerianisch. Wer damals vorm Radio saß, erwartete offenbar keine Unterhaltung, sondern da sprach der Chef, da schlug man die Hacken zusammen. Allerdings betrifft diese Beobachtung vor allem den Stil des Vortrags, nicht die Wortwahl. Da erwies sich Zimmermann als fairer Sportsmann, der auch lobende Worte für die unterlegenen Ungarn übrig hatte.

      Dass Leute wie Kanzler Adenauer und sein Bankier Pferdmenges an Formulierungen wie „Fußballgott“ Anstoß genommen haben sollen und sie deshalb auf eine Disziplinarmaßnahme für den Reporter drängten, mag man heute kaum noch glauben.

      Wenn man sich außerdem noch ins Gedächtnis ruft, dass der Ritterkreuzträger Zimmermann im Zweiten Weltkrieg ein Panzer-Haudegen war, der – wenn man manchen Erzählungen folgte – im Frühjahr 1945 den Kurland-Kessel ganz alleine gehalten hat, dann liegt die Vermutung nahe, der Stil sei im Dritten Reich geprägt worden.

      Merkwürdigerweise gab es aber bereits in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland einen weiteren Reportagestil, und auch der kam beim Publikum an. Ironischerweise kam auch der aus Österreich. Der Wiener Heribert Meisel verkörperte all das, was deutsche Reporter nie gelernt hatten. Er war witzig, er war spöttisch und er hatte Schmäh. Und als die ARD das Spiel gegen Österreich vom dortigen Rundfunk übernahm, konnten die Anhänger auch den Reportagekünsten des Wieners lauschen. Der musste zwar mit ansehen, wie sein Nationalteam geradezu geschlachtet wurde, aber es war nicht zuletzt sein Galgenhumor, der ihm viele Sympathien eintrug. Zudem hatte der Volksschauspieler Hans Moser beim damaligen Publikum Vorarbeit geleistet und die Zuschauer an das Wiener Idiom gewöhnt. Und wenn Meisel in seinen „Tor Toor Tooor!“-Ruf ausbrach und die Trikots der Spieler „Leibchen“ nannte, dann hatte das auch was Niedliches.

      In der Folge mehrten sich die Stimmen, die wünschten, dass Meisel öfter in nördlichen Regionen zu hören sein würde. Manche Zeitungen titelten schon: „Der Meisel im Haus erspart den Zimmermann“. Spöttische Zeilen wie diese konnten einem ehrgeizigen Reporter wie Herbert Zimmermann nicht gefallen. Schließlich hatte er für sich selbst ebenfalls große Pläne.

      Der deutsche Endspielreporter war zwar ein kaltblütiger Kämpfer, aber er war auch nicht blöd und wusste, wann er über Bande spielen musste.

      Die Konkurrenz Brummes konnte er noch dank des Losglücks ausschalten, aber bei Meisel durfte er nicht allein auf Fortuna vertrauen. Also sorgte er – kollegial wie er war – dafür, dass Heribert Meisel auch mal ein Spiel von zwei Klubmannschaften in der norddeutschen Tiefebene kommentieren durfte.

      Dieser Bitte wurde natürlich gern entsprochen, und die Zuhörer freuten sich wieder auf anderthalb Stunden Wiener Schmäh.

      Doch fern der Heimaterde fremdelte Meisel. Weder kannte er die Spieler oder die Historie von Osnabrück oder dem anderen Verein. Und so brach der Wiener am Ende jämmerlich ein und im Norden gab es weiterhin nur einen Chef im Ring: Herbert Zimmermann.

       Die WM in Schweden

      In den folgenden Jahren sollte sich Zimmermann im Hörfunk weiter verdient machen. Er kümmerte sich um den Aufbau der Bundesligakonferenz, und auch bei der nächsten WM war er wieder mit von der Partie. Erneut kommentierte er Deutschland, allerdings war in Göteborg schon im Viertelfinale Schluss.

      Dieses Spiel ist zur Legende geworden. Eine ganze Generation von Reportern berichtet, dass sie mit Herbert Zimmermann gelitten hat, und wenn man den Erzählungen über den nach dem Spiel aufkommenden Schwedenhass glaubt, dann kann es im Dreißigjährigen Krieg auch nicht viel schlimmer gewesen sein. Fast möchte man meinen, die Schweden haben danach Abba und Ikea nur erfunden, um die deutsche Volksseele wieder zu besänftigen.

      Tatsache ist jedoch auch, dass nach dem Spiel in deutschen Zeitungen Kommentare erschienen, die in Sachen völkischer Ressentiments nichts zu wünschen übrig ließen. So schrieb zum Beispiel die in Saarlouis erscheinende Saar-Zeitung (gerade frisch in das Territorium der Bundesrepublik aufgenommen, aber das nur nebenbei):

       „Der instinktsichere ‚kleine Mann‘ hat aus den fanatischen Heja-Rufen des aufgepeitschten schwedischen Zuschauerplebs den Grundton abgrundtiefer Gehässigkeit herausgehört, wenn nicht

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