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dazu. Man konnte sich auf sie verlassen. Genau wie auf die mit derselben Regelmäßigkeit gelieferte Information, dass die in den sechziger Jahren einem breiteren Publikum bekannte Sprecherin Petra Schürmann in ihrem früheren Leben mal irgendeine Misswahl gewonnen hatte. Ich muss zugeben, dass sich mir die Bedeutung dieser Nachricht erst nach einer gewissen Zeit erschloss. Aber dass es Spaß macht, sich über Reporter aufzuregen, begriff ich sofort. Und was war schon dabei? Die Flimmerkistengesichter ließen sich davon offenbar nicht beeindrucken. Es war nicht mehr als eine Marotte, die niemandem wehtat.

       König Fußball thront über allem

      Damals sprach man vom König Fußball, das heißt: Er war für viele Leute schon das Größte, aber es gab – zumindest im Fernsehen – Ereignisse, die mit ihm konkurrieren konnten: Mondlandungen oder die nächtlichen Boxkämpfe von Muhammad Ali. Heute ist das anders. Was Entertainment, Events und Medien betrifft, ist der Fußball unbestritten der heißeste Shit auf diesem Planeten. Während in anderen Sportarten darüber gegrübelt wird, wie man attraktiver werden kann (oder senile Funktionäre Beach-Volleyballerinnen vorschreiben, wie eng deren Höschen sitzen müssen, und Segler darüber nachdenken, ob Regatten in Ufernähe mehr Publikum ziehen), gibt es im Fußball ebenfalls Diskussionen über Änderungen (Videobeweis etc.). Aber nicht, weil man sich um die Beliebtheit Sorgen machen müsste. Eher melden sich regelmäßig kritische Stimmen, die fürchten, dass dem Spiel die Einfachheit – etwas Rundes, dem man wie ein Rudel junger Hunde hinterherjagen kann, ins Eckige zu befördern – abhanden kommt, wenn es zu technisch wird.

      Ob Film, Musik oder Literatur – die Digitalisierung hat so gut wie jede Branche ins Schleudern gebracht, doch ein Fußballspiel findet nun mal live statt und will direkt gesehen werden. Zwar haben Kabelkanäle am Anfang immer wieder Probleme mit der Verschlüsselung gehabt, und es tauchen gelegentlich Meldungen über Kneipiers auf, die so frevelhaft sind, eine Privatkundenkarte in ihrem Restaurant zu benutzen oder Streaming-Piraterie unbekannten Ausmaßes, aber im Vergleich zu den existenziellen Problemen, mit denen sich andere Branchen rumschlagen müssen, sind das nur die sprichwörtlichen Peanuts.

      Fußball ist der einzige wirklich globale Sport, und so berechtigt die Kritik an der immer weiter fortschreitenden Kommerzialisierung ist, Fußball war immer ein soziales Aufstiegsmärchen, das gerade jenen, die in Sachen Bildung und Herkunft gehandicapt waren, ein Leben als Star verhieß. Und die ebenfalls recht erfolgreiche Literatur, die sich kritisch mit der wachsenden Kommerzialisierung auseinandersetzt, ist ein weiteres Indiz dafür, dass der Fußball insgesamt (noch) gesund ist und tatsächlich beinahe alle Gesellschaftsschichten erreicht.

      Oligarchen, Scheichs, Investoren und nicht zuletzt der deutsche Gebührenzahler pumpen Milliarden in den Fußball. Die europäischen Klubs verdienten 2014 16 Milliarden Euro, davon kam eine Milliarde von Sponsoren. Das sind gigantische Summen, aber verglichen mit dem, was die großen Sportarten in den USA umsetzen, ist das immer noch lächerlich. Doch wird man sich weiterhin bemühen, an der Schraube zu drehen. Eher früher als später wird der Tag kommen, an dem ein Messi oder Ronaldo so viel verdient wie ein kleines Drittweltland.

      Hierzulande ist der Fußball als Unterhaltungsangebot konkurrenzlos. Kein anderes einheimisches Produkt erreicht diese Qualität. Weder Musik noch Literatur und schon gar nicht Film oder Fernsehen sind auf der Höhe der Zeit. Zwar gibt es auch hier löbliche Ausnahmen, aber es erstaunt immer wieder, wie konsequent man in die Realität zurückgeholt wird. Läuft mal irgendwo ein leidlich kompetentes Stück Fiktion, dann werden sofort unzählige Reality-Checks durchgeführt, so als ob die Wirkung des Märchens von Frau Holle davon abhängt, ob es tatsächlich eine alte Dame gibt, die da oben in den Wolken ihre Bettwäsche ausschüttelt. Und damit man am Ende auch jeglichen Spaß verliert, gibt’s als „Sahnehäubchen“ eine Diskussionsrunde oben drauf, in der dann all diejenigen, die den Karren in der Realität gegen die Wand gefahren haben, noch mal den Zeigefinger rausholen dürfen, um zu erklären, wie bedeutsam das alles ist. Da hat der gewöhnliche Eskapist wenig zu lachen. Zum Glück gibt es den Fußball, als eine Möglichkeit, sich wenigstens zeitweise aus der Realität zu beamen und dort auf all die Schurken zu treffen, die so wundersam die Hoffnungen und Ängste des Alltags verkörpern. Fußball mag vielleicht sinnlos sein, aber er hilft auf jeden Fall dabei, viel von den sonstigen Sinnlosigkeiten zu ertragen.

       Der Fußball in der Literatur

      Aber der Fußball erzählt nicht nur Mythen, die manchmal auf geradezu beängstigende Art und Weise identitätsstiftend sind, er hilft auch, Lebensgeschichten zu organisieren. Irgendein kluger Mensch hat mal gesagt, dass sich das Leben von Menschen in Sieben-Jahres-Schritten ändert. Wenn das stimmt, dann ist bei jeder neuen Windung des Lebensweges eine Fußball- oder Europameisterschaft nicht fern. So etwas hilft, der Biografie Struktur zu geben.

      Nicht erst seit dem Weltmeistertitel gehört der deutsche Fußball zu den wenigen Produkten der einheimischen Unterhaltungsindustrie, die weltweit nachgefragt werden. Bücher über die Bundesliga erscheinen auch auf Englisch und werden dort offenbar auch gekauft. Dass es in England mittlerweile einige Jürgen-Klopp-Biografien gibt, sollte nicht überraschen, allerdings ist es bis jetzt nur ein Gerücht, dass jeder Fan des FC Liverpool pro Jahr mindestens ein Exemplar einer Kloppo-Lebensbeschreibung erwerben muss.

      Auch wenn Fußballfans bei den Publikumsverlagen im Ruf stehen, eigentlich eher selten Bücher zu lesen, hält das die Vertreter der schreibenden Zunft nicht davon ab, ihre Liebe zum runden Leder öffentlich zu machen.

      Schon früh von Journalisten wie Hanns Joachim Friedrichs ermutigt, äußerten sich Großschriftsteller wie Walter Jens wohlwollend. Und dass der Profi Günter Netzer, durch dessen Karriere sich von Anfang bis zum Ende ein deutlich erkennbares kaufmännisches Credo zieht, in der Öffentlichkeit als libertärer Freigeist wahrgenommen wurde, sozusagen als Stutzen tragende Stilikone der Brandt-Jahre, hat zuvorderst mit der Bewunderung für ihn in der schreibenden Zunft zu tun. Peter Handke und „Die Angst des Torwarts beim Elfmeter“ scheint es schon ewig zu geben, wobei sich auch bei längerem Nachdenken nicht erschließt, warum es ausgerechnet der Torwart ist, der Angst haben sollte. Der Schütze hat doch viel mehr zu verlieren. Wenn Peter Handke das nicht glaubt, kann er ja mal Uli Hoeneß nach Belgrad fragen.

      Im Mutterland des Fußballs veröffentlichte Nick Hornby 1992 „Fever Pitch“ und sorgte somit dafür, dass sich junge Männer nicht mehr dafür schämen mussten, auch als Erwachsene Kinderträumen nachzuhängen. Und das Vollkleben von Sammelalben – eigentlich eine Beschäftigung, die nur wenig cooler ist als Briefmarkensammeln – war nun eine Tätigkeit, der ohne jede Scham nachgegangen werden konnte. Natürlich sind hiesige Literaturen inzwischen längst nachgezogen, wobei auffällt, dass die Geschichten vorwiegend aus der Fanperspektive erzählt werden, was dann dazu führt, dass literarisch versierte Anhänger zumindest auf dem Papier ihren Verein größer machen können, als er tatsächlich ist. So ist am Himmel der Popliteratur der VfL Bochum ein Stern erster Größe, ein Eindruck, der sich beim Blick auf die Tabellen der ersten beiden Bundesligen nicht unbedingt bestätigt.

      Und trotzdem es noch nie so viel Fußball im Fernsehen auf den verschiedenen Kanälen gab, bleibt die Bundesliga auch im Stadion attraktiv. In der ersten Liga liegt die Auslastung der Arenen bei 90 Prozent, in der zweiten immerhin bei 60. Selbst bei Spitzenspielen in der 3. Liga kommen bis zu 30.000 Zuschauer.

       Ein ewiger Jungbrunnen

      Für das Fernsehen ist der Fußball sowieso so etwas wie ein ewiger Jungbrunnen. Das kann man ganz wörtlich verstehen. Der Medienexperte Hans-Peter Siebenhaar sieht die Fußballware für die öffentlich-rechtlichen Anstalten sogar als „Beta-Blocker“, weil er zu den wenigen Sendungen gehört, mit denen jüngere Zuschauer erreicht werden. Bei Spitzenspielen sind die Einschaltquoten (fast) so hoch wie Wahlergebnisse in Nordkorea, und obwohl die Zahl der übertragenen Fußballspiele immer weiter steigt, lässt das Interesse nicht nach. Selbst am Radio lauschen bei großen Spielen Millionen.

      Darüber hinaus sorgt der anhaltende Boom für eine umfassende Professionalisierung. Trainer haben ganze Stäbe von Assistenten, Spieler statt einem Berater ganze Firmen und dort, wo früher bei einem Trainingslager Frau Brettschneider aus dem Sekretariat bei einer Pension in Österreich angerufen hat, um zu fragen, ob noch was frei ist, organisiert

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