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      Béla Réthy

      Man könnte meinen, beim Fußball handelt es sich um eines der wenigen Wachstumsphänomene, die wirklich funktionieren. Wie eine große Welle hebt er alle, die mit ihm verbunden sind, auf immer neue Höhen und führt sie glücklichen und wohlhabenden Zeiten entgegen.

      Mit einer Ausnahme: den Reportern. War früher das Nörgeln und Kritteln ein Hobby, dem Fußballfans eher im privaten Kreise nachgingen, so ist das Reporter-Bashing heute zum allumfassenden Volkssport geworden. Nun mussten Reporter schon immer mit Kritik leben. Es soll sogar Sportreporter geben, die der wöchentlichen TV-Kritik in der SportBild entgegenfiebern wie Fußballer ihren Kicker-Noten. Doch die kam früher vorwiegend aus den Printmedien und war auch alles andere als zimperlich, wie Bezeichnungen als „Duzmaschine“ (Waldemar Hartmann), „Der Mann mit dem Notstandslächeln“ (Karl Senne) oder „Schulmeister mit Intellektuellenglatze“ (Bernd Heller) zeigen. Hin und wieder gab es aber auch mal ein Lob – und das tat dann doppelt gut, denn nicht wenige Sportjournalisten leiden darunter, dass Kollegen, die in den „wichtigen“ Ressorts arbeiten, in ihnen so etwas wie Mitarbeiter der Spielwarenabteilung sehen.

       Reporter-Bashing

      Heute bieten viele Zeitungen und Zeitschriften auf ihren Webseiten Filmchen an, in denen sich Printjournalisten auch als Kommentatoren versuchen – was möglicherweise dazu beigetragen hat, dass die Urteile etwas weniger vernichtend ausfallen. Aber dafür ist in den sozialen Netzwerken die Hölle los. In Anlehnung an die Liverpooler Vereinshymne kann man Reportern zurufen: „You’ll never talk alone!“ Jedes Statement wird kommentiert und analysiert. Jeder Fehler hat gute Aussichten darauf, umgehend geteilt und somit für immer gespeichert zu werden. Darüber hinaus hat sich mittlerweile eine ganze Branche darauf spezialisiert, Bemerkungen und Anekdoten grafisch interessant aufzupeppen, in der Hoffnung, dass der entsprechende Clip viral geht und so dem Schöpfer zu seinen fünfzehn Minuten Ruhm verhilft.

      Doch es gibt nicht nur die Spaßfraktion. Seiten unter dem Tenor „XY gefällt mir nicht“ sprießen alle Nase lang aus dem Boden. Eine kurze Suche bei Facebook bringt folgende Gruppen zutage [alle in ihrer Originalschreibweise übernommen, d. Autor]:

       Anti Béla (Schwätzer) Réthy

       Bela Rethy – Der Comedytator des ZDF

       Béla Réthy – Nein Danke

       Béla Réthy gefällt mir nicht

       Bela Rethy Haters Club

       Bela Rethy und Tom Bartels sollten im gehörlosen Fernsehen moderieren

       Béla Réthy, halt Dein Maul !!!

      best of béla réthy [ironisch gemeint, d. Autor]

       Gegen Katrin Müller Hohenstein als sportstudio-Moderatorin

       Halt’s Maul Béla Réthy [Ausrufezeichen]

       KEIN Bela Rehty mehr… BITTE!

       Kommentarverbot für Marcel Reif

       Marcel Reif Rücktrittspetition

       Marcel Reif, nein Danke

       Moderationsverbot für Bela Rethy

       Stadionverbot für Wolf-Christoph Fuss

       Steffen Simon gefällt mir nicht

       Steffen Simon ist der schlechteste Sportmoderator Deutschlands

       Stoppt BELA RETHY

       Stoppt Béla Réthy

      Dazu gibt es Reporter-Checks und andere Kommentatoren-Beobachter, die die Arbeit der Journalisten mit unterschiedlicher Milde und Kompetenz auf den Prüfstand stellen.

      Dabei fallen zwei Dinge ins Auge: Der Name Béla Réthy ist überraschend häufig richtig geschrieben, was bei Hatemails in der Regel nicht der Fall ist. Das ist entweder ein Zeichen für grundsolide Copy/Paste-Kompetenz oder für eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema. Und: Manche Beiträge erreichen eine Schärfe, die bei Spielern und Schiedsrichtern in extremen Momenten dazu geführt hat, dass sie ihren Beruf aufgaben oder den Wohnsitz wechselten. Nun sollte man nicht jede Beleidigung auf die Goldwaage legen. Auch früher klangen Menschen morgens um drei an der Bar anders als vormittags im Büro, nur wird das heute eben dank Facebook & Co. für die Ewigkeit mit Zeitstempel dokumentiert.

      Auch die Demokratisierung der Kritik ist grundsätzlich ein Fortschritt. Früher gab es beim ZDF das Zuschauerprotokoll, was aber nur die Chefs auswerten durften, insofern ist ein mehrstimmiges Feedback auf jeden Fall zu begrüßen. Und eines hat die Pöbelei im Netz für sich: Der Typ, der den ganzen Tag aus dem Fenster guckt, sein Aufschreiben der Falschparker nur unterbricht, um mal wieder einen geharnischten Brief an einen Fernsehsender zu schreiben, hat an Bedeutung stark verloren.

      Aber dennoch stellt sich die Frage, warum Reportern eine Antipathie entgegenschlägt, die manchmal gar in Hass ausartet. Selbst wenn der Reporter – angeblich oder tatsächlich – ein Feind des eigenen Vereins ist und er das den Zuseher/Zuhörer in seinen Kommentaren – angeblich oder tatsächlich – spüren lässt, er wird das Ergebnis nicht beeinflussen. Von Wettpaten und ihren dubiosen Methoden hat man schon vieles gehört, aber dass jemand einen Reporter bestochen hat, um auf ein Spiel einzuwirken, so verrückt ist wohl niemand.

      Meine erste Erklärung war, dass das Public Viewing die Schuld an dem Reporter-Bashing trägt. Sinnbild dafür das Stadion des Berliner 1. FC Union, der während der WM 2014 aus seinem Fußballfeld ein riesiges Wohnzimmer machte, wo man auf Sesseln und Sofas die Spiele verfolgen konnte – und natürlich auch erleben durfte, wie sich Kommentare zu den Kommentaren im Stadionrund verstärkten und fortpflanzten. Eine weitere These wäre, dass Reporter seit einiger Zeit vor allem deshalb so hart angegangen werden, weil der Fußball mittlerweile nicht mehr nur als Sport, sondern vor allem als Unterhaltungsevent gesehen wird. Und für diejenigen, die Unterhaltung suchen, sind die Rahmenbedingungen – also mithin der Kommentar – genauso wichtig wie das eigentliche Spiel. Und wenn die Reporter das Vergnügen stören, dann werden sie dafür in die Verantwortung genommen.

      Aber ist das wirklich fair? Und ist Nörgelei tatsächlich die ultimative Methode, sich an der Arbeit der Kommentatoren und Reporter zu ergötzen?

      So entstand die Idee, das Wirken der Fußballreporter etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn obwohl viele sie kennen, fast jeder eine Meinung zu ihnen hat, hat man doch kaum ein umfassendes Bild über die vielen Aspekte ihrer Tätigkeit. Und wenn man mal in einer Fußgängerzone einer namenlosen deutschen Großstadt (okay, es war Bielefeld, aber das spielt eigentlich keine Rolle) erlebt hat, wie eine ehemalige Reportergröße versucht, den verblichenen Ruhm auf einer Rampe zu versilbern, indem er Dönekes aus längst vergangenen Tagen zum Besten gibt und dabei auf gepflegtes Desinteresse der Laufkundschaft trifft, dann kann man schon sagen: So ein Schicksal haben sie dann doch nicht verdient. Wohl kaum jemand geht in diesen Beruf, um Leute zu ärgern.

      Aber was macht das Wesen von guten Reportern aus? Haben sich die Erwartungen im Laufe der Zeit geändert? Wenn ja, wie? Und wie hat eigentlich alles angefangen?

       Hertz ist Trumpf

      Wie Freunde der Dichtkunst spätestens seit Hermann Hesse wissen, wohnte jedem Anfang ein Zauber inne. Aber leider ist es genauso wahr, dass der Bruder des Zaubers Desinteresse heißt. So liegen die Anfänge des Fernsehens unter anderem deshalb teilweise im Dunkeln, weil buchstäblich kein Schwein hinsah. Das Radio war noch Anfang der zwanziger Jahre etwas für Nerds und Bastler gewesen, die mit ihren selbstgebauten Kisten irgendwelche Signale aus der Luft filterten, da konnte man kaum glauben, dass schon ein paar Jahre später die nächste industrielle Revolution auf der Lauer liegen sollte.

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