Скачать книгу

wurde der Schlüssel in die Haustür gesteckt; kurz darauf wurde der Porsche angelassen und fuhr davon. »Das war ein langer Abschied«, stellte Sabine fest. Er ging nicht darauf ein.

      Minutenlang lag sie schlaflos, hörte Ilona die Treppe hinauf und oben zwischen ihrem Zimmer und dem Bad hin und her gehen. Bei Hubers zur Rechten wurde immer noch gefeiert, die Stimmung schien immer übermütiger zu werden, Herr Zibalsky zur Linken hatte den Fernseher wieder mal bei offenem Fenster auf Hochtouren laufen.

      Sabine verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Komisch, Egon war so gut gelaunt.« Sie machte eine Pause und fuhr dann fort: »Als er kam, schien er furchtbar mitgenommen und niedergeschlagen. Rosy kann einem wohl auch auf die Nerven gehen. Nachher war er wie umgewandelt.« Als Arnold immer noch nicht reagierte, fragte sie: »Was hast du bloß mit ihm angestellt?«

      »Weiß nicht«, brummte er.

      »Aber er war tatsächlich ganz verwandelt, wie… wie von einer Riesenlast befreit.«

      Einige Sekunden lang war Arnold drauf und dran, ihr die Wahrheit zu sagen, konnte sich dann aber doch nicht dazu überwinden. »Du übertreibst mal wieder«, sagte er statt dessen. Er spürte, daß er zu grob gewesen war. »Wir haben ein Männergespräch geführt. Anscheinend hat ihm das gut getan.«

      »Ist es wahr, daß er Rosy lossein will?«

      Arnold ließ sein Buch sinken. »Wie kommst du darauf?«

      »Sie sagte es mir.«

      »Ich halte das für absoluten Unsinn. Jedenfalls hat Egon nichts dergleichen erwähnt.« Er nahm sein Buch wieder hoch.

      »Um so besser«, sagte Sabine, »ich war zwar gegen diese Ehe – erinnerst du dich? – aber eine Scheidung wäre auch keine Lösung. Rosy könnte nicht allein fertig werden, und noch dazu mit den Zwillingen. Doch wer weiß, wenn sie es müßte, vielleicht könnte sie es doch… Vielleicht würde sie dann sogar wieder ganz vernünftig werden. Sie läßt sich entsetzlich gehen – findest du nicht auch?« Arnold murmelte etwas Unverständliches. »Egon hätte eine vernünftige, lebenstüchtige Frau gebraucht«, fuhr sie fort, »nicht so ein haltloses, spinöses Wesen. Ich wundere mich, was er sich alles von ihr gefallen läßt… manchmal habe ich den Eindruck, daß er allein den ganzen Haushalt schmeißen muß. Ich mache mir Sorgen um die beiden.«

      Er war nahe daran, ihr von dem Reiseruf zu erzählen, den Rosy über den Rundfunk losgelassen hatte, und von seinem Besuch bei den Kaspareks, er suchte schon nach den richtigen Worten. Da sagte sie: »Und auch um die Zwillige. Sie sind furchtbar ungezogen. Denk mal dran, wie Knut oder Torsten oder Sven in dem Alter waren… natürlich, sie haben auch Dummheiten gemacht. Aber mir sämtliche Dahlien kaputtzumachen, lach mich, bitte, nicht aus, aber ich bin immer noch nicht drüber weg. Beim bloßen Gedanken könnte ich in Tränen ausbrechen.«

      »Die wachsen doch nach.«

      »Das sagst du so. Aber geh mal raus und guck dir die Pflanzen richtig an … und dann sag mir, was da nachwachsen soll.«

      Darauf wußte er nichts mehr zu erwidern, und auch sie verfiel in Schweigen. Eine Weile wälzte sie sich unruhig hin und her, dann sagte sie: »Würdest du jetzt, bitte, das Licht ausmachen?«

      Er tat es, legte das Buch aus de Hand und nahm seine Brille ab. Wenig später merkte er, daß sie eingeschlafen war. Er aber lag noch lange wach, kaute wieder und wieder in allen Einzelheiten das Gespräch durch, das er mit seinem Schwager gehabt hatte, und grübelte, ob sein Verhalten richtig gewesen war. Mehr und mehr kam er zu dem Schluß, daß ihm keine andere Wahl geblieben war.

      Ethel Miller erwachte am Montag morgen mit trockenem Mund und einem dumpfen Druck im Kopf, den vertrauten Symptomen, die sich bei ihr einzustellen pflegten, wenn sie am Abend zuvor zwei Schlaftabletten mit Whisky hinuntergespült hatte. Das Sonnenlicht, das die maisgelben, nahezu transparenten Vorhänge aufleuchten ließ, tat ihr weh, und sie schloß rasch wieder die Lider. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ihr bewußt wurde, daß das lange, einsame Wochenende wieder einmal überstanden war, und sofort erwachten ihre Lebensgeister.

      Sie setzte ihre elegante rechteckige Brille auf, sprang aus dem breiten französischen Bett, freute sich, den dicken Teppich unter ihren nackten Sohlen zu spüren, lief in das Bad, drehte den Hahn über der Wanne auf und ließ das Wasser so lange laufen, bis es eiskalt geworden war. Dann warf sie ein Alka-Seltzer in ihren Zahnputzbecher, hielt ihn unter den Hahn, wartete, bis es sich sprudelnd gelöst hatte, um es dann zu trinken. Danach legte sie das Bettzeug auf der Terrasse ihres Penthauses aus, lief ins Bad zurück, stellte sich selbst unter die Dusche, setzte Kaffeewasser auf und brachte das Bad wieder in Ordnung. Sie war dabei, die Hähne blank zu reiben – sie hatte zwar gestern die ganze Wohnung gründlich geputzt, aber Ralf Heilmann, ihr langjähriger Freund, war in solchen Dingen sehr penibel –, als es klingelte.

      Sie richtete sich auf, warf einen Blick in den Spiegel über dem Waschbecken und riß sich das Frottiertuch vom Kopf, das sie sich zuvor zum Schutz um ihr Haar gebunden hatte. Sie fuhr sich mit dem Kamm über ihre Pagenfrisur, bis sie glatt und glänzend um ihr Gesicht lag. Jetzt sah sie in ihrem weißen Bademantel mit nichts darunter ganz passabel aus, wenn auch nicht gerade auf einen Besuch vorbereitet – aber was für einen Besuch konnte sie denn schon am Montagmorgen erwarten?

      Ralf? War es möglich, daß er genausoviel Sehnsucht nach ihr hatte wie sie nach ihm? Daß er einen Abstecher nach Riesberg gemacht hatte, weil er sie sehen wollte, bevor er auf Tour ging? Ethel Miller lauschte angespannt, wartete auf das Geräusch des Schlüssels in der Wohnungstür – aber es kam nicht. Statt dessen klingelte es ein zweites Mal. Während sie den Gürtel des Bademantels enger zog, eilte sie in die Diele hinaus. Sie nahm den Hörer der Sprechanlage ab und rief: »Hallo, wer ist da, bitte?« Als niemand sich meldete, öffnete sie die Wohnungstür und sah sich ihrer Schwägerin gegenüber – Sabine Miller in einem hellgrauen Kostüm, einen blauen Glockenhut auf dem blonden Haar. »Ach, du bist es!« sagte Ethel. »Komm rein!«

      »Tag, Ethel. Ich dachte schon, du seist auf der Redaktion.«

      »So früh doch nicht.«

      »Es ist neun Uhr vorbei.«

      »Für Zeitungsleute immer noch früh.« Ethel bückte sich und hob die Tüte mit den Semmeln auf. »Glückliches Wesen!«

      Ethel, die durchaus nicht so zufrieden mit ihren Lebensumständen war, übernahm sofort die Rolle, die ihr zugespielt wurde. »Nur kein Neid«, sagte sie und verzog den Mund zu einem breiten Lausbubenlächeln. Der Wasserkessel pfiff.

      »Du trinkst doch eine Tasse Kaffee mit?« fragte Ethel. »Dann kümmere dich, bitte, darum. Ich werde mich inzwischen anziehen.« Sie drückte der Schwägerin die Brötchen in die Hand.

      Sabine imponierte die unbekümmerte Art Ethels. Ihr selbst wäre es nie eingefallen, eine Besucherin zu bitten, ihr das Frühstück zu machen, aber für Ethel schien das ganz selbstverständlich, und Sabine kannte sich ja auch gut genug hier aus, um diese Aufgabe zu übernehmen.

      Zwanzig Minuten später war der Kaffee fertig. Sabine trug die heiße Kanne auf die Terrasse hinaus, wo sie zwischen den Kübeln mit Oleanderbüschen den Tisch gedeckt hatte. Ethel hatte inzwischen das Bettzeug hereingeholt und erschien jetzt, jugendlich und schlicht gekleidet in einem gelben Häkelminikleid, Sandalen an den nackten braunen Füßen, aber mit sehr sorgfältig zurechtgemachtem Gesicht. Sie ließ die Markise herunter, bevor sie sich setzte. »Darf ich einschenken?« fragte Sabine.

      »Ja, mach nur.« Ethel griff sich ein Brötchen und schnitt es durch. »Ein herrlicher Tag, was? Eine Reihe herrlicher Tage. Ihr müßt es wunderbar haben in eurem Garten.«

      »Stimmt«, sagte Sabine, »aber ich weiß nicht, ob du nicht doch besser dran bist hier oben. Kein Unkraut, keine Läuse, kein Lärm, und trotzdem jede Menge Sonne und frische Luft. Ich finde das ideal.«

      »Ich auch«, gab Ethel zu, »ich finde es schrecklich, daß ich hier raus muß. Habe ich es dir noch nicht erzählt? Der Besitzer beansprucht die Wohnung für sich selbst.«

      »So ein Pech. Aber tüchtig, wie du bist, wirst du schon wieder was Passendes finden.«

      »Wollen

Скачать книгу