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Oswald, »sie gibt letzte Anweisungen zur festlichen Ausschmückung der Kaffeetafel.«

      Ilona wußte nicht genau, ob er das ernst oder ironisch gemeint hatte. »Daß sie noch so jung ist!« flüsterte sie.

      Er warf ihr einen Seitenblick zu. »Wart es ab!«

      Nebeneinander traten sie aus dem Buschwerk, das sich an der Innenseite der Mauer entlangzog, in den hellen Sonnenschein hinaus. Oswald winkte zur Terrasse hin. »Mutschka, he, hallo … hier sind wir schon!«

      Frau Zinner beugte sich über das schmiedeeiserne Geländer. »Und mit welch ungewohnter Pünktlichkeit!« Leichtfüßig kam sie die breite Steintreppe herab, so daß sie den jungen Leuten auf der Mitte begegnete. »Das verdanke ich sicher Ihnen, mein liebes Kind!« Sie reichte Ilona die Hand.

      Dieser unerwartet herzliche Empfang überwältigte das junge Mädchen; sie war sekundenlang nicht fähig, einen zusammenhängenden Satz herauszubringen. »Aber nein … ich … wie … Oswald …«, stammelte sie.

      »Ach, lassen Sie nur«, wehrte Frau Zinner lächelnd ab, »ich kenne meinen Sohn.«

      »Bitte mach mich nicht vor Ilona schlecht, Mutschka, sie wird noch früh genug merken, was sie sich mit mir eingehandelt hat.«

      »Sollte er wirklich einen Fehler haben, den Sie noch nicht kennen?« fragte Frau Zinner.

      »Ganz bestimmt«, antwortete Oswald an Ilonas Stelle, »wenn man einen Menschen erst ganz durchschaut, hat man wohl kaum noch den Mut, ein gemeinsames Leben zu beginnen.«

      Sie hatten Helen Zinner in die Mitte genommen und jetzt die Terrasse erreicht. Ilona fühlte sich schon weniger befangen. Es hob ihr Selbstvertrauen, daß Oswalds Mutter eine gute Fünfzigerin war und, aus der Nähe betrachtet, auch so aussah. Sie war nicht wirklich schlank, sondern eher hager, das viel zu tief gebräunte Gesicht wirkte unter dem silberblonden Lockenkopf wie gegerbt.

      »Ich wußte, daß er es ganz ernst meinte«, sagte sie, weiterhin zu Ilona gewandt, »seit er zum erstenmal Ihren Namen erwähnte.«

      Er grinste. »Was Wunder, wo ich zu Hause sonst prinzipiell nichts von Mädchengeschichten erzähle!«

      Die Terrasse war mit Sesseln, Liegen und Hockern aus Bambusrohr bestückt, auf denen bunte Leinenkissen verteilt waren. Von einem Kaffeetisch war nichts zu sehen. Frau Zinner hatte ihren suchenden Blick beobachtet. »Ich habe eine Limonade richten lassen«, sagte sie, »ich hoffe, daß Sie das mögen, mein liebes Kind? Für Kaffee und Kuchen ist es doch heute viel zu heiß. Oder mögen Sie einen Sherry? Soll Oswald Ihnen einen Cocktail mixen?«

      »O nein, danke nein«, beeilte sich Ilona zu versichern, »eine Limonade ist genau das richtige!«

      »Oder wenn ihr vorher schwimmen gehen wollt?« fragte Helen Zinner mit einer vagen Geste zum Park, wo sich, wie Ilona schloß, der unvermeidliche Swimming-pool befinden mußte.

      »Mutschka«, mahnte Oswald, »wir sind nicht zu unserem Vergnügen hier.«

      »Wie dumm von mir!« Sie schlug sich mit der Hand vor die Stirn, so daß die schweren goldenen Ketten um das magere Gelenk klirrten. »Beinahe hätte ich vollkommen vergessen … das ist so etwas wie ein offizieller Anlaß, wie?«

      »Ja, Mutschka«, bestätigte Oswald mit deutlicher Ungeduld, »sei jetzt, bitte, so gut und zitiere Papa herbei!«

      Sie schien zu überlegen, wie das am besten zu bewerkstelligen wäre, und erst jetzt wurde es Ilona bewußt, daß Helen Zinner diese erste Begegnung mit mindestens soviel Nervosität erwartet hatte wie sie selbst, und das erweckte in ihr eine plötzliche Sympathie. »Aber Oswald«, sagte sie begütigend, »wir haben doch jede Menge Zeit.«

      Frau Zinner schenkte Ilona einen dankbaren Blick – den ersten Blick, mit dem sie etwas mehr wahrnahm als nur Ilonas äußere Erscheinung. »Wirklich … warum setzen wir uns nicht erst einmal …« Doch in diesem Augenblick erschien Oswald Zinner senior auf der Schwelle des Hauses, und sein Anblick bot nun wirklich keine Überraschung für Ilona: er sah genauso aus, wie auch ihr Verlobter einmal aussehen würde, wenn er nicht sehr auf sich aufpaßte. Er war ein dickbäuchiger, glatzköpfiger älterer Herr mit rötlicher Haut, dessen leicht bläulich verfärbte Lippen verrieten, daß er seinem Herzen zuviel zumutete.

      »Habe ich also richtig gehört«, dröhnte er, »ihr seid schon da! Lassen Sie sich anschaun, schönes Kind! Also, ich muß schon sagen … den guten Geschmack hat der Junge von mir geerbt!« Trotz seiner überströmenden Freundlichkeit gewann Ilona sofort den Eindruck, daß Oswald Zinner senior auch ganz anders sein konnte, nicht nur im Geschäftsleben, sondern auch seiner Familie gegenüber. Gerade deshalb hielt sie es für richtig, sich gut mit ihm zu stellen und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Sie zuckte auch nicht zurück, als er den Arm um ihre Schultern legte und ihr einen kalten, feuchten Kuß auf den Mund verpaßte. »Du erlaubst doch, Sohn?« fragte er augenzwinkernd. »Schließlich gehört Ilona doch ab heute zur Familie.«

      Oswald zog eine Grimasse. »Nur zu, Papa, tu dir keinen Zwang an!«

      Ilona lief zu Frau Zinner. »Darf ich Ihnen auch einen Kuß geben?«

      »Gern.« Frau Zinner küßte sie leichthin auf beide Wangen. »Aber sag nicht Muschka zu mir, das klingt scheußlich, ›Mama‹ macht alt … Nenn mich einfach Helen!«

      Es gab noch einiges Hin und Her, bis alle sich gesetzt hatten und das Mädchen die Limonade – aus frischen Zitronen gepreßt, mit klirrenden Eisstückchen und bunten Trinkhalmen – servieren konnte.

      »Das ist unsere Anna«, stellte Frau Zinner die junge Frau vor.

      Ilona wußte nicht recht, wie sie sich der Hausangestellten gegenüber verhalten sollte – ihr die Hand geben oder nur einfach nicken? Sie hätte nie gedacht, daß auch das gelernt sein mußte. Sie entschied sich für ein möglichst herzliches Lächeln und sah dann unsicher zu Oswald hinüber. Er nickte ihr ermutigend zu. Frau Zinner nahm sich eine Zigarette aus einer Packung, die sie aus der Hose ihres roten Anzugs angelte. Sofort sprang Oswald auf und reichte ihr Feuer. Jetzt hielt sie das Päckchen der zukünftigen Schwiegertochter hin.

      »Danke, nein«, sagte Ilona und fügte mit einer kleinen Überwindung hinzu: »Helen.«

      »Du rauchst nicht? Wie beneidenswert!« Helen Zinner inhalierte tief.

      Das Mädchen stellte die Kanne mit der Limonade in eine fahrbare Kühlbox und zog sich zurück. Eine Stille entstand, die Ilona als beklemmend empfand. Sie hatte das Gefühl, daß alles gesagt war, was zu sagen war, und hatte nur den einen Wunsch, so bald wie möglich wieder von hier fortzukommen.

      »Dein Vater ist Buchhalter bei den Zeltner-Werken«, begann Oswald Zinner senior.

      Ilona, die nicht wußte, ob das eine Frage oder eine Feststellung sein sollte, antwortete: »Ja.«

      »Soviel ich weiß, stammt deine Familie nicht aus Bayern.«

      »Aber wir leben schon seit über fünfundzwanzig Jahren hier in Riesberg, ich bin hier geboren und …«

      Oswald Zinner senior fiel ihr ins Wort. »Du brauchst dich nicht zu verteidigen, wir Zinner sind auch nur Zugereiste …« Er versuchte, das Wort bayrisch auszusprechen, aber es klang sehr unecht. »Ich sage immer, für die Bayern war es ein Glück, daß es einen Krieg gegeben hat, sonst wären die schon längst total vertrottelt.«

      Ilona fuhr hoch. »Aber, Papa, im Gegenteil, die Bayern sind doch …« Sie verstummte über ihren eigenen Mut.

      »Eine der Lieblingstheorien meines Mannes«, erklärte seine Frau im Ton verhaltenen Überdrusses.

      Er machte sofort einen Rückzieher. »Na ja, ganz recht, wir wollen doch nicht politisieren.« Vorgebeugt, die Hände zwischen den Knien gefaltet, fragte er: »Du hast deine Mittlere Reife auf dem Realgymnasium gemacht?«

      Sein Sohn fiel ihm ins Wort. »Aber, Papa, das artet ja allmählich in ein Verhör aus!«

      Der Senior schüttelte seinen Kopf wie ein Stier, der eine Wespe verscheuchen will. »Aber durchaus nicht, es sollte

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