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Der Germanist Paul Stöcklein war von Schöningh gebeten worden (oder hatte sich schon dazu bereit erklärt), zu der 1953 herauszubringenden Neuauflage von Carl Muths Essayband Schöpfer und Magier aus dem Jahr 1935 ein Vorwort zu schreiben. Stöcklein nimmt also zu diesem Behuf das Buch erneut in die Hand – und schickt Schöningh am 22.4.1953 eine Absage: Diesen Band könne er keinesfalls verantworten. „Dilettantische Starrheit“ und „primitive, hitzige Schulmeisterei“ seien da am Werk gewesen, „der Stil verdorrt“; Muth gehöre „zu jenen hochverdienten Geistern, zu denen die Geschichte spricht: Du hast Deine Schuldigkeit getan, tritt ab!“68 Die Pointe daran ist nicht, dass Stöcklein als Ersatzkandidaten Wilhelm Grenzmann und Clemens Heselhaus empfahl (der dann auch das Nachwort schrieb69). Die Pointe ist der handschriftliche Kommentar des Verlegers Heinrich Wild zu diesen brieflichen Äußerungen Stöckleins: „Sehr interessant, und wie richtig!“70 Mit anderen Worten: Da hatte sich etwas verändert, und zwar über eine Generation hinweg in der gemeinsamen Wahrnehmung der nächsten – Stöcklein und Heinrich Wild waren beide 1909 geboren, Carl Muth 1867. Muths Sicht schien ihnen plötzlich veraltet, überholt, während andererseits im Hochland selbst sowohl in der Auswahl der Mitarbeiter als auch in der der besprochenen Werke eine deutliche Ausweitung der Horizonte, eine Öffnung auch zu den Neuentdeckungen der Nachkriegszeit und hin zu den Jüngeren stattfand. Exemplarisch sichtbar wird diese Leistung einer kulturellen Modernisierung im Feld der Hochland-Literaturkritik in den Buchbesprechungen Wolfgang Grözingers (1902–1965), der von 1952 bis zu seinem Tod zwei- bis dreimal jährlich große Sammelrezensionen zum internationalen Roman der Gegenwart publizierte; Erwin Rotermund und Heidrun Ehrke-Rotermund haben sie 2004 unter dem Titel Panorama des internationalen Gegenwartsromans neu herausgegeben und mit einer Einleitung versehen.71 Es ist in der Tat ein eindrucksvolles Panorama, das sich da auftut: Von den deutschsprachigen Autoren nicht nur Bergengruen, Le Fort oder Edzard Schaper, sondern auch Andersch, Böll, Döblin, Grass, Heimito von Doderer, Hildesheimer, Walser, Max Frisch, Arno Schmidt; dann die Internationalen: Graham Greene, Norman Mailer, Bruce Marshall,72 Samuel Beckett, Jean Genet, Louis Aragon, Alain Robbe-Grillet, Giorgio Bassani, Halldór Laxness, Bruno Schulz, Elie Wiesel und viele andere; jeweils unter gegenwarts- und gegenstandsnahen Kategorien der Auswahl und Analyse wie Am Strom des Bewusstseins (April 1962), Vorzeichen des Erzählens (August 1962), Das Gefängnis Gesellschaft (Dezember 1962), Alternativen der Gestaltung (August 1963), Die Freiheit des Lesers (Dezember 1964) oder auch Verfolgte und Verfolger (August 1965); und hier kommt es dann zu jenem Hinweis der Herausgeber in ihrer Einleitung, der dazu auffordert, den vorhin angesprochenen Eindruck eines Desinteresses des Hochland am Schicksal der Exilierten jedenfalls im Literarischen vielleicht etwas zu korrigieren: „Überraschend angesichts der Integrationsprobleme rückkehrbereiter Exilautoren“ sei nämlich, dass deren Werke bei Grözinger „eine mindestens so große Rolle“ spielten wie die der jungen deutschen Autoren „und die Probleme von Emigration und Entfremdung immer wieder zur Sprache kommen“; das sei der Fall etwa bei Felix Braun, Elias Canetti, Leonhard Frank, Hans Henny Jahnn, Hermann Kesten, Werner Kraft, Klaus und Thomas Mann, René Schickele und anderen.73 – Gleichwohl: Als eine Wendung, die zur Parteinahme gegen die Konservativen und für einen avantgardistischen Modernebegriff zwänge, hat Grözinger und hat das Hochland diese Öffnung hin zur Gegenwartsliteratur nicht verstanden wissen wollen. Vielmehr schrieb er:

      Anmerkungen

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