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Zacharias – KEIN netter Junge

      Mein Name ist Klaus Zacharias und ich erzähle euch jetzt vom größten Abenteuer meines Lebens. Zumindest vom größten Abenteuer bisher. Man weiß ja nie, was noch kommt!

      Als ich noch wie ein normaler Junge aussah, WAR ich nett, höflich und ein guter Schüler. Ich grüßte die Nachbarn und sagte ‚Danke‘, wenn es etwas gab, wofür man sich bedanken sollte. Ich las gerne Bücher und schrieb sogar Gedichte. Die hab’ ich aber nie jemandem vorgelesen. Nicht einmal Cordula, meiner Mutter. Und Roland, mein Vater, durfte überhaupt nichts davon wissen. Wollt ihr wissen, warum?

      Ganz einfach: Mein Vater schrieb Bücher. Und nein, es war mir nicht peinlich, denn er schrieb richtig gute Sachen. Aber er fand keinen Verlag, der seine Bücher drucken wollte. Er wurde immer trauriger, als er sah, dass meine Mutter mehr und mehr arbeiten musste, um genug Geld für uns zu verdienen. Also gab er seinen Traum auf. Aus Liebe zu ihr. Ist das nicht ein toller Buchtitel … aus Liebe zu ihr! Mein Vater suchte sich Arbeit, füllte Regale im Supermarkt und saß abends noch an der Kasse der Tankstelle. Da konnte er zwar lesen, aber glücklich war er nicht.

      Er las mir auch nichts mehr vor. Nein, falsch. Mein Vater hatte mir NIE vorgelesen. Er fragte mich, was für eine Geschichte ich gerne hören würde. Etwas über Drachen, Piraten oder Außerirdische? Dann dachte er sich etwas aus. Das war klasse und echt spannend. Und damit ich alles nachlesen konnte, schrieb er alles auf, aber niemand wollte es drucken.

      Alles, was er jetzt noch schrieb, war der Bericht über das Jubiläum des Kaninchenzucht-Vereins für unsere Stadt-Zeitung, die Ulkweiler Nachrichten.

      Wieder und wieder sagte er zu mir: „Klaus, komm ja nicht auf die Idee, Schriftsteller zu werden. Du wirst kein Geld verdienen und deine Familie und dich sehr unglücklich machen!“

      Doch seine Warnung kam zu spät. Wenn ich ein Buch langweilig fand, dachte ich mir einfach selbst etwas spannendes aus. Ich merkte schnell, dass ich ein toller Geschichten-Erfinder war. Genau wie mein Vater. Aber das hätte ihm nicht gefallen.

       Für alle, die immer alles genau wissen wollen:

       Achtung! Wichtig! Jetzt erinnern!

      … so WAR ich einmal gewesen.

      … bis Olaf, Kevin, Alex und Finn in meine Klasse kamen. Die vier waren zweimal sitzengeblieben und zwei Köpfe größer als wir anderen.

      Frau Helfert, unsere Lehrerin, wollte NICHT, dass die vier nebeneinander saßen und setzte an jede Ecke der Klasse einen. Es sah aus, als hätte unsere Klasse vier große Brüder, die uns beschützten.

      Olaf saß neben mir und ‚beschützte‘ mich. Klingt jetzt für eure Ohren sicher toll, nur gab es nichts, wovor ich beschützt werden musste. Außer vor Olaf und seiner Rüden-Rüpel-Bande.

      Olaf ‚beschützte‘ mich auch nur, wenn ich ihm mein Taschengeld gab und er sich das leckerste von meinen Pausenbroten aussuchen konnte. Und nur, wenn er von mir die Hausaufgaben bekam. Außerdem duldete Olaf keine Besserwisser und keine Streber, die Bücher lasen. Vor allem duldete Olaf keine Dichter.

      Eines Tages erwischte er mich, als ich ein Gedicht für Lily schrieb. Ich glaube, es war Nummer 96.

      Lily saß in der Klasse zwei Reihen vor mir. Sie war genau wie ich: ruhig und still, eine gute Schülerin, immer ein Buch vor der Nase. Einmal hatte ich ‚Hallo‘ zu ihr gesagt und dann nix mehr, denn ich merkte, wie ich rot wurde.

      Lilys blonde Haare waren zu Zöpfen geflochten, die ihr wie ‚zwei Flüsse aus Gold‘ über den Rücken fielen. Klingt das nicht toll? Ich hab’ das gleich als Überschrift genommen: zwei Flüsse aus Gold!

      Was soll ich sagen: Olaf riss mir den Zettel aus der Hand und las mein Gedicht im Schulhof der ganzen Klasse vor. Alle lachten. Nicht, weil ihnen das Gedicht nicht gefallen hätte, sondern weil sie Angst vor der Rüden-Rüpel-Bande hatten. Olaf wollte, dass sie lachten. Also lachten sie. Nur Lily lachte nicht.

      „Klaus’ Vater ist gar kein richtiger Schriftsteller“, sagte Olaf hämisch, „er schreibt nur was über den Kaninchenzuchtverein.“

       Für alle, die immer alles genau wissen wollen:

      Das wusste Olaf nur, weil sein Vater der Vorsitzende des Kaninchenzuchtvereins war. Auf den Foto für die Zeitung drängte er sich immer ganz nach vorne.

      „Der Zacharias hat noch nie ein Buch geschrieben, das man kaufen kann“, Olaf war noch nicht fertig mit mir, „weil er keinen Zerleger findet!“

      Das stimmte und war auch falsch.

      RICHTIG: Von meinem Vater Roland gab es kein Buch zu kaufen.

      FALSCH: Es hieß nicht Zerleger. So was gibt es vielleicht beim Metzger. Oder gibt es einen Fliesen-Zerleger? Nein, es hieß Verleger. Der Chef von einem Verlag war ein Verleger.

      Aber ich wollte nicht mit Olaf streiten. Ich freute mich, dass Lily NICHT lachte und schrieb das nächste Gedicht über sie. Obwohl Olaf es mir verboten hatte!

      Nummer 97 war fertig und genau wie Nummer 96 zerknüllte ich den Zettel, doch Olaf erwischte mich wieder und schnappte danach. Er las leise, murmelte jedes Worte vor sich hin. Dann riss er erstaunt die Augen auf. Für eine halbe Sekunde dachte ich, dass er jetzt sagen würde ‚Mann, das ist echt klasse‘. Aber er runzelte die Stirn und sah mich böse an.

      „Aus dir wird nie ein richtiger rüder Rüpel! Hab’ ich nicht gesagt, du sollst mit dem Gekritzel aufhören? Das ist total altmodisch und uncool. Soll ich es wieder vorlesen?“

      Nein, das sollt er nicht. Ich wollte nur mein Gedicht zurück, doch der Zettel verschwand in Olafs Hosentasche.

      Genau wie mein Vater gab ich auf und schrieb keine Gedichte und Geschichten mehr. Ich machte auch keine Hausaufgaben mehr und bekam nur noch schlechte Noten. Ich lachte laut und schrill, über Olafs blöd-öde Witze, trampelte durch die Vorgärten der Nachbarn und warf die Mülltonnen um. Wenn wir zusammen von der Schule nach Hause gingen, musste ich immer etwas Freches tun, damit Olaf mir mein Telefon zurück gab. Ich biss zornig die Zähne zusammen, als er mich zwang, mit einer Steinschleuder auf den dicken Dackel von Nachbar Brösel zu schießen. Ich nahm einen besonders kleinen Stein, versuchte absichtlich daneben zu zielen, aber ihr wisst ja, wie das ist: Ich traf den alten Hund genau am Hinterteil, und er jaulte erschreckt auf. Das tat mir richtig weh. Olaf sagte, dass aus einem Weichei wie mir nie ein rüder Rüpel werden würde.

      Schon bald wunderten sich die Nachbarn über den neuen Klaus. Cordula, meine Mutter, wagte kaum die Haustür zu öffnen. Besonders, wenn die Türglocke mehr als einmal schrill läutete. Das bedeutete immer, dass draußen jemand stand, der mächtig wütend war.

      Ich belauschte meine Eltern dabei, wie sie überlegten, ob es wohl an dem Namen ‚Klaus‘ lag, den sie mir gegeben hatten.

       Für alle, die immer alles genau wissen wollen:

      Ihr wisst, dass es nicht daran lag.

      Zugegeben, ‚Klaus‘ war schon ziemlich altmodisch, aber so hieß schon Cordulas Vater und zufällig auch Rolands Vater. Meine zwei Großväter waren stolz und glücklich, als sie hörten, dass auch ich ‚Klaus‘ heißen sollte.

      An jedem Geburtstag, zu jedem Weihnachtsfest, zu Nikolaus und Ostern überhäuften sie mich mit Geschenken und Geld. Es war nicht schlecht, Klaus zu heißen, doch ich sollte bald einen neuen Namen bekommen. Und mich auch sonst ziemlich verändern.

       Kapitel 2

       Caro-Line Mac Bleistein

      Bevor ich weitererzähle, müsst ihr unsere neue Nachbarin kennenlernen:

      Caro-Line Mac Bleistein zog in der Ulkweilerstraße Nr. 7 ein.

      Sie war uralt. Mindestens fünfzig! Außerdem sehr groß und

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