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Verschlag dicke, kräftige Ardenner-Pferde mit langem Stirnhaar, die Mähne wie durch einen Scheitel geteilt, und mit kräftigen Hinterteilen. Dann stellte ich mir vor, wie die Jungpferde, stampfend und mit den Hufen schlagend, in ihren Boxen stehen mochten. Zuletzt die schönen Vollblutstuten, die sich um nichts anderes kümmerten, als um ihre Fohlen.

      „In diesem Stall muß eigentlich jeden Romantik überfallen“, sagte ich.

      Aber Titti entgegnete nur: „Ach was! Ich werde langsam sehr hungrig!“

      Also gingen wir ins Haus zu Karin und frühstückten herzhaft, so, wie man es früher immer getan hatte: Zunächst Haferflocken in Milch, dann Kaffee und Brötchen.

      Während wir aßen, erfuhr ich, daß Titti die Tochter von Karins Schwester war und auf einem Bauernhof lebte, der nur wenige Kilometer von uns entfernt lag.

      „Aber wir kriegen diesen Wildfang mehr zu sehen als ihre eigenen Eltern!“ scherzte Göran. „Jedenfalls ist es im Sommer so.“

      Titti türmte sich eben einen Berg von Apfelmus auf ihre Hafergrütze und erklärte ganz offenherzig: „Bei euch ist es auch viel lustiger! Zu Hause muß ich immer bei diesen dummen Kühen mithelfen: Zuerst müssen sie in den Stall getrieben werden, damit man sie melken kann. Danach sollen sie wieder auf die Weide. Und meist gehen mir ein paar durch und rennen auf den Weg hinaus …“

      „Und was machst du dann?“ fragte ich neugierig.

      „Ich muß ihnen natürlich nachrennen!“ erklärte Titti mit finsterer Miene. „Was sollte ich denn sonst, tun?“ Gleich darauf lachte sie aber wieder über das ganze Gesicht und wendete sich an Göran: „Wie ist es, Göran – nun, da Britta da ist, könnten wir doch damit beginnen, Pierina einzureiten?“

      Göran sah uns beide nachdenklich an. „Ja, wir haben in diesem Sommer überhaupt viel zu tun“, sagte er schließlich. Ich spitzte die Ohren: Sicher würde er nun ein Programm entwickeln. „Ich selbst“, redete er auch gleich weiter, „bin voll und ganz durch die Arbeit auf den Feldern in Anspruch genommen. Die Einjährigen sollten dringend bewegt und trainiert werden, mit den Ardennern müßten wir versuchen, sie vor den Wagen zu spannen. Dann haben wir die Stute Tora, sie ist hoch trächtig. Und, nun ja, Pierina sollte natürlich eingeritten werden … ebenso Hoffmann …“

      „Hoffmann?“ Titti fiel beinahe vom Stuhl. „Wenn du am Ende meinst, ich würde Hoffmann …“

      Göran lachte. „Nein, daran dachte ich wirklich nicht. Aber Britta könnte es versuchen.“

      „Wer ist Pierina, und wer ist Hoffmann?“ fragte ich sehr gespannt.

      „Hoffmann ist mindestens zwei Meter hoch“, erklärte Titti, und aus ihrer Stimme klang Respekt.

      „Also ein typischer Fall für Leiter und Fallschirm!“ versuchte ich zu scherzen. „Und Pierina?“

      „Pierina ist Bellas erstes Fohlen, und ihr Vater ist ein Vollblut. Du solltest sie sehen, sie galoppiert wie der Wind – aber sie hat wohl einen kleinen Stich im Kopf. Dachschaden! Jedenfalls hier und da. Ach was – komm, wir machen uns auf die Socken, ich werde dir alle Pferde zeigen!“

      Kurze Zeit später ritten wir im Schritt durch die lange Allee. Da Titti ohne Sattel ritt, hatte ich auch keinen. Silber war voller Leben, richtig aufgekratzt, alles rundumher interessierte ihn. Plötzlich aber stieg er hoch in die Luft, dann begann er seitlich zu steppen. Titti lachte, ich aber wunderte mich und wußte nicht, was der Anlaß zu seiner Nervosität sein könnte, bis ich die zwei Vollblutpferde sah! Sie hatten auf einer Wiese in der Nähe des Stalles ganz ruhig geweidet, nun aber kamen sie im Galopp längs des Zauns hinter uns her. Sie bewegten sich geschmeidig; ich hielt den Atem an und schaute und schaute.

      „Der Braune ist Cayenne“, sagte Titti. „Und der Fuchs heißt Dry Sack. Sie sollen in diesem Herbst auf einer Auktion verkauft werden. Die Stuten werden auf einem gesonderten Weideplatz gehalten.“

      Titti trieb Isabella mit den Absätzen ihrer Schuhe an, und sie fiel auch sogleich in eine Art Trab. Ich riß mich von dem Anblick der zwei herrlichen Jungpferde los und ritt ihr nach.

      „Du“, rief ich Titti zu, als ich knapp hinter ihr war, „mir kommt vor, als hinke Bella auf dem einen Hinterbein.“

      „Ich weiß“, antwortete Titti. Ich war verblüfft. „Sie ist chronisch lahm. Weißt du, sie hat sich vor vielen Jahren einmal dieses Bein gebrochen. Wir fürchteten schon, wir müßten ihr den Gnadenschuß geben. Dann aber haben sie Bella in der Tierklinik doch so gut zusammengeflickt. Freilich blieb dieses eine Bein kürzer, und deshalb hinkt sie ständig. Aber es scheint, als bedeute es ihr nichts. Bestimmt hat sie keine Schmerzen. Zudem reite ich sie nie sehr hart. Im nächsten Jahr wird sie wieder fohlen, also wird sie nicht mehr allzuviel durchhalten müssen.“

      „Ich wußte gar nicht, daß man einem Pferd, das sich ein Bein gebrochen hat, helfen kann!“ rief ich voll Erstaunen aus.

      „Ich glaubte eigentlich auch nicht daran, aber wie du siehst: Bei Bella ging es! Nun schau dorthin: Das ist Cassandra und mit ihr weiden alle Vollblut-Stuten!“

      Auf einer kleinen Höhe grasten friedlich drei Stuten. Als dunkle Silhouetten zeichneten sie sich gegen den hellen Himmel ab. Zwei langbeinige Fohlen spielten in der Nähe der Stuten. Ein wenig abseits auf halber Höhe, in der Nähe eines Baches stand ein Pferd ganz einsam auf dem Hang. Es hielt die Ohren rückwärts an den Kopf gelegt. Ein Ausdruck großer Mißstimmung stand in seinem Gesicht.

      „Dort unten, das ist Raven Beauty“, erklärte Titti. „Göran hat sie erst vor wenigen Wochen gekauft. Cassandra und Tequila, die beide Fohlen haben, sind furchtbar böse zu ihr. Sie darf nicht einmal zu den Fohlen hinschauen. Göran hat Cassandra schon zehn Jahre, sie muß jetzt fünfzehn sein.“

      Als wir näher kamen, stieß Silber ein leises Wiehern aus. Alle Pferde hoben ihre schönen Köpfe und spielten mit den Ohren. Auch die Fohlen wurden neugierig; sie vergaßen ihr Spiel und ihre Mutterstuten und kamen zum Zaun getrabt. Sie waren recht scheu, aber aus ihren Augen leuchtete die Neugier. Ich ließ Silber nahe herangehen und sie begrüßen.

      „Paß auf!“ schrie Titti plötzlich.

      Tatsächlich, Cassandra, die braune Stute, wollte es nicht zulassen, daß irgendein Neuling an ihrem Kind herumschnüffelte! Die Ohren hart an den Kopf gestrichen, kam sie angerast und fletschte die Zähne. Aber zu meinem größten Erstaunen biß sie dann so fest in das Hinterteil ihres Fohlens, daß das junge Tier mit einem Wehlaut vom Zaun wegsprang. Dann wendete Cassandra und schlug so heftig nach hinten aus, daß es im Maschennetz des Zaunes klirrte.

      „Himmel!“ rief ich. „Welch ein Temperament! Warum hat sie ihr eigenes Fohlen gebissen, Titti? – Ich war überzeugt, sie wolle auf Silber losgehen.“ Ich schaute zu Cassandra, die in einigem Abstand ganz ruhig dastand, das Fohlen dicht an ihrem Körper, und mißtrauisch und böse zu uns herüberblickte.

      „Vermutlich glaubte sie ihr Fohlen durch unsere Pferde bedroht“, sagte Titti. „Und da sie ihr Kind schützen wollte, jagte sie es weg.“

      „Cassandra, Tequila und Raven Beauty“, sagte ich langsam, um mir die Namen einzuprägen.

      „Und dort haben wir noch Serena. Siehst du sie? Sie geht mitten im Rudel, aber sie hat kein Fohlen.“ Serena sah klein aus und wirkte unbedeutend. „Sie ist einmalig lieb und gehorsam“, versicherte Titti. „Ich reite sie auch manchmal.“

      Schon wurde es sehr warm in der Sonne. Ich empfand es als wohltuend, als Titti in einen schmalen, schattigen Waldweg einbog. Wir trabten über eine kleine Brücke, und dann lag ein herrlicher Waldreitweg einladend vor uns. Ich konnte nicht widerstehen und fiel in Galopp, und es war, als hätte Silber schon die ganze Zeit darauf gewartet. Ich dachte nur das Wort „Galopp“, und schon flog er dahin. Oh, es war ein herrlich langer Galopp auf diesem weichen Reitweg mitten durch den Wald! Isabella blieb weit hinter uns zurück.

      „In diesem Wald weiden auch die Ardenner“, erzählte Titti recht atemlos, als sie uns eingeholt hatte. „Wir kommen gleich zu einer

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