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Wir gehen zu deinem Lehrer und fragen, ob ich an den Tagen, die ich noch hier bin, mit zu dir in die Klasse gehen darf. Wär’ das was? Bist du dann nicht mehr traurig?“

      „O Musch!“ jauchzte Penny. „Das machen wir! Und dann ist es für mich nur halb so schlimm – oder gar nicht mehr schlimm!“

      „Und ich? Ich darf nicht mit?“ fragte Rupert. Na, ob das der Lehrer erlauben würde? Ich bezweifelte es.

      Aber Rupert sagte, er würde an den Vormittagen Onkel Albrecht helfen, weil sie noch lange nicht fertig mit der Arbeit wären, die sie sich fest vorgenommen hatten. Mit diesen Plänen kamen wir in Hohenstaufen an, und Tante Trullala lachte laut und hatte sich schon so etwas Ähnliches gedacht.

      „Wie kann ich was dagegen haben, wenn Musch freiwillig in die Schule gehen will!“ sagte sie. „Und außerdem ist es nur vormittags, und die Zeugnisse sind gerade vorbei, also furchtbar anzustrengen brauchst du dich sicher nicht.“ Nun war Pennys neubeginnende Schule kein Kummer mehr für sie, im Gegenteil, sie sagte, sie wollte sich ordentlich dicke tun mit mir, weil ich doch sicherlich alles wissen würde, denn zu Hause gehe ich ja ins Gymnasium. Vor dem hat Penny einen Riesenrespekt. Ich tröstete sie: „Auch dort gibt es Fünfen und Sechsen und Angst vor Klassenarbeiten und scheußlich lange Schularbeiten, und was nützt es mir, wenn ich ein paar lateinische Vokabeln weiß, nach denen mich hier der Lehrer bestimmt nicht fragt.“ Dann aber schoben wir erst mal alle Gedanken an die Schule weg und fragten nach dem Zirkus. Ja, der war noch da!

      „Heute nachmittag gehen wir hin“, sagte Penny, „aber erst nach dem Essen.“ Sie hat eine feine Nase und mußte gerochen haben, daß es heute Dampfnudeln gab, „Gezogene“, wie sie in Schwaben genannt werden, und Tante Trullala macht sie so, daß man sie nie vergißt. Höchst vergnügt rannten wir erst hinunter in unsere kleine Wohnung und packten unsere Sachen aus, und dann rief Tante Trullala schon zum Essen. Draußen schien die Sonne, und in unseren Herzen auch.

      An diesem Tag kam auch Onkel Albrecht zum Mittagessen heim; oft kommt er erst abends. Aber er sagte, er habe sich in Sehnsucht nach uns verzehrt, deshalb käme er, und außerdem könnte er ja Rupert nun gleich mit nach Göppingen nehmen, damit sie dort vorankämen mit der Arbeit.

      Gleich nach Tisch wollten wir zum Zirkus gehen, aber Tante Trullala bat uns, vorher noch ins Dorf zu laufen und etwas für sie zu holen. Wir rannten los.

      Gleich an der Ecke, an der uns Onkel Albrechts Bruder einmal Eis gekauft hat, trafen wir einen Bekannten: den einen Jungen vom Zirkus, der eins der Ponys bei sich hatte. Wir stoppten ab und blieben stehen, streichelten das kleine Pferd und bedauerten nur, keine Mohrrüben dabeizuhaben.

      „Wir laufen noch einmal zurück und holen welche“, sagte Penny, und ich war einverstanden. Der Junge hatte auch eine Sammelbüchse mit, auf der stand: „Wir haben Hunger und möchten uns Hafer kaufen.“

      „Du, ich hab’ noch was von meinem Taschengeld“, sagte Penny im Zurücklaufen, „das steck’ ich dem Jungen in die Büchse. Mohrrüben sind zwar gut, aber mehr eine Leckerei als richtiges Futter zum Sattwerden. Die Zirkusleute haben eben wenig Geld.“

      „Ich hab’ auch noch was, und wir fragen auch Tante Trullala. Vielleicht weiß sie irgendeine Arbeit, die wir ihr abnehmen können, und spendiert uns was dafür. Das stecken wir dann auch in die Büchse.“

      Zu Hause angekommen, suchten wir erst einmal an Geld zusammen, was wir noch hatten, und dann fragten wir Tante Trullala.

      „Ich überleg’ mir was, bis ihr zurück seid“, versprach sie, und wir liefen wieder los. Der Junge freute sich, als das Geld in der Büchse klapperte, und das Pony, als wir ihm Mohrrüben fütterten. Dann erledigten wir schnell Tantes Auftrag und kamen heim. Wir trafen den Jungen unterwegs wieder, der anscheinend mit seinem Pony das ganze Dorf abging.

      „Hoffentlich kriegt er genug zusammen“, sagte Penny sorgenvoll, und ich hoffte es auch.

      Eigentlich hatten wir vorgehabt, gleich an diesem Abend wieder mit Rupert in den Zirkus zu gehen, aber er sagte, morgen wäre die Abschieds-Galavorstellung, und da hätten wir mehr davon, wenn wir bis dahin warteten. Wir sollten vorher noch tüchtig Reklame für den Zirkus machen. Der Bürgermeister hatte jedenfalls eingewilligt, daß die Leute hier in Hohenstaufen ihr Winterquartier aufschlügen, er würde dazu die alte leere Scheune zur Verfügung stellen, die der Gemeinde gehört. Die befand sich oberhalb von unserem Haus am Hang. Einiges müßte noch daran gerichtet werden, dann könnten die Zirkusleute dort einziehen. Wir fanden es herrlich, daß die Scheune so nahe bei uns steht. Und wir würden den Leuten helfen!

      Zunächst aber wollten wir bei Tante Geld verdienen. Sie hatte sich wirklich etwas ausgedacht, was wir tun könnten, weil sie es nicht so gut kann. Weiter am Hang hinunter, dem Freibad zu, in dem wir im Sommer schwimmen – jetzt war es geschlossen –, besaßen Onkel und Tante ein Wiesenstück mit Apfelbäumen. Es sind keine großartigen Äpfel, die da wachsen, sondern Mostäpfel, und man kann sie schütteln, braucht sie nicht einzeln zu pflücken. Wenn wir das täten und die Apfel in Säcke sammelten, könnten wir sie später zur Mosterei bringen. Dafür bekommt man Apfelsaft. Früher machten die schwäbischen Bauern Most daraus, also etwas mit Alkohol, und den tranken sie dann im Laufe des Winters. Jeder hatte seinen Most im Keller.

      Daher kommt der Ausdruck: „Ich will dir zeigen, wo Bartel den Moscht holt!“ Jetzt gibt es einen Zusatz, der den Apfelsaft nicht gären läßt, man bekommt also richtigen, naturtrüben Apfelsaft, der auch den ganzen Winter hält, in Flaschen gefüllt, die man hinbringen muß. Und den können auch Kinder trinken, ohne daß er ihnen schadet.

      „Wenn ihr mir die ganze Saftgeschichte abnehmt, bekommt jeder von euch zehn Mark. Ihr werdet euch sicherlich denken, daß ich nicht so sehr gern auf die Apfelbäume klettere und schüttele und die heruntergefallenen Äpfel auf der abschüssigen Wiese aufklaube“, sagte Tante, und wir glaubten es ihr aufs Wort. Sie ist zwar trotz ihrer Rundlichkeit im Hause behende und flink, aber um auf Bäume zu klettern und wegrollende Äpfel einzufangen, dazu ist sie nicht so sehr geeignet. Wir versprachen, gleich anzufangen, denn wenn wir erst in die Schule gingen, blieb uns nur der Nachmittag. Deshalb: Jetzt oder nie!

      Es wurde eine lustige Angelegenheit. Die Hunde waren natürlich auch dabei; sie kläfften wie verrückt, wenn wir auf die Bäume kletterten und schüttelten, und rannten hinter den wegrollenden Äpfeln her, um sie zu apportieren. Ob man die noch nehmen konnte, die sie im Maul gehabt hatten? Ich fragte etwas zaghaft danach.

      „Freilich“, sagte Penny ungerührt, „die werden vor dem Pressen ganz sauber gespritzt, mit einem Schlauch. Man wirft sie in ein extra dafür ausgemauertes großes Loch, das einen Siebabfluß hat. Da spritzen die Leute mit viel Druck hinein, du wirst sehen! Laß Boss und Bella ruhig helfen.“

      Wir sammelten die Äpfel in Körbe und leerten diese in Säcke aus, genau wie beim Kartoffelbuddeln. Die Säcke aufzuladen und wegzufahren hatte Rupert uns versprochen, er wollte sich dazu den Manderl borgen, und Irene hätte auch einen Wagen. So brauchten wir uns darum nicht zu kümmern. Es wurden viele Zentnersäcke voll, und das Geld ließen wir uns in Münzen auszahlen, damit es so richtig schön in die Büchse hineinprasseln konnte. Wir freuten uns schon darauf und gingen am nächsten Tag ins Dorf, um den Jungen zu suchen. Er hatte diesmal ein anderes Pony mit, einen kleinen Schecken, der sich auch über die Mohrrüben freute und sie eifrig verschnorpste. Der Junge hielt uns die Büchse hin, aber die letzten Markstücke ließ er nicht hineinfallen, sondern nahm sie uns aus der Hand und steckte sie in die Hosentasche.

      „Ich muß für meinen Vater was aus der Apotheke holen, er hustet so“, sagte er. Penny und ich sahen uns an: Wie gut, daß wir Geld verdient hatten! Medikamente sind teuer, und vielleicht waren die Zirkusleute nicht mal in einer Krankenkasse, sondern mußten alles so kaufen.

      Die Schule in Hohenstaufen kannte ich noch gar nicht. Immer war ich in den Ferien hier gewesen, und wer interessiert sich schon für eine Schule, in die er nicht geht. Jetzt aber, als ich mit Penny am Morgen loszog, war ich neugierig und dann sehr angenehm überrascht. Sie liegt an der Talseite des Ortes, der ja sozusagen am Berg klebt. Deshalb sind auch fast überall die Straßen abschüssig, gehen entweder bergauf oder bergab. Die Schule ist sehr schön, flach, mit

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