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als ein frommer deutscher Baumeister Gott gedient. Ich legte meinen Glauben in mein Werk, so wie es jeder ehrlich Schaffende soll, uns liess die toten Steine reden zu Gottes Ehre. Ich glaube an Gott, jetzt gerade, nachdem ich durch die Hölle des Kriegs gegangen bin und die Vorsehung mich beschirmt und lebend durch tausend Gefahren geleitet hat. Ich trenne mich nicht von Gott . . .

      Er schöpfte aus tiefer Brust Atem. Er entlud die Pistole. Er legte sie in das Schubfach. Er stiess es zu und schloss es ab. So!

      Da war auf einmal die Müdigkeit. Eine Erschöpfung bis zu Tode nach den körperlichen Anstrengungen der Reise, den seelischen Erschütterungen des Untergangs der grossen und kleinen Welt an diesem Tag. Er warf sich auf den Diwan, zog die Plüschdecke über sich. Blut, Tränen, Jubel, geballte Fäuste, geschwungene Fahnen, Massenschrei und flatternde Aufrufe, Menschenmeere, flammende Reden — die Welt des neunten November versank. Eine verhallende, weiche Frauenstimme über dem Chaos: Ich liebe dich wie einen Toten . . . dann sah und hörte Bruno Lotheisen nichts mehr. Er schlief. Schlief einen Schlaf, der fast eine Ohnmacht war.

      Bei hellem Tag fuhr er aus der bleiernen Lähmung auf. Er trat ans Fenster. Sonntäglich still und friedlich, beinahe menschenleer, dehnte sich unten der breite Kurfürstendamm, so, als sei gar nichts geschehen. Nur eine rote Fahne leuchtete gegenüber durch das kahle Geäst der Bäume aus dem ersten Stockwerk eines Hauses. Ein Doppelposten mit roten Armbinden stand davor und bewachte eine über Nacht dort eingerichtete Machtstelle der neuen Gewalt.

      Vereinzelte Kraftwagen sausten in wilder Jagd über den Fahrdamm hin gen Osten. In dem einen sassen dichtgedrängt hohe Offiziere, schweigend, in dicken Pelzen. Dann Zivilisten. Ganze Familien. Koffer zwischen den Beinen. Koffer hinten aufgeschnallt. Schmucktäschchen auf den Knien. Wertkassetten vorn neben dem Chauffeur. Nur fort! Fort! . . .

      „Zweitausend Emmchen zahlen se seit heute früh, de Schieber, dass se aus Berlin wegkommen,“ verkündete unten laut die dicke, über und über mit roten Schleifchen gespickte Portierfrau ihrer Nachbarin. Bruno Lotheisen hörte es geistesabwesend. Er trat in den Salon. Seltsam: Da stand die Tür zum Berliner Zimmer und zum rückwärtigen Flur weit offen. Dort hinten rührte sich nichts. Er schritt bis an die Schwelle zu den Hofräumen. Er hörte keinen Laut. Auch nicht aus der Küche. Die grosse Herrschaftswohnung lag wie ausgestorben.

      Er kehrte in den Salon zurück. Nun erst bemerkte er auf dem Mitteltisch einen Briefumschlag. Er riss ihn auf. Er entfaltete einen Bogen duftiges, blassblaues Damenschreibpapier. Auf ihm, in grossen, hastigen, bebenden Federzügen die Handschrift seiner Frau: „Du hast dich gestern abend von mir geschieden. Du hast dich und mich getrennt und unsere Wohnung zwischen uns gelegt. Getrennt können wir nicht nebeneinander in unserer Wohnung leben. Es war dein Wille, Bruno. Ich muss mich ihm fügen und aus ihm meinen Entschluss ziehen. Ich bin mit blutendem Herzen heute früh mit einem Geschäftsfreund Papas zu meinen Eltern nach Köln. Wir wollen von dort einander schreiben und uns über die Zukunft klar zu werden suchen. In tiefstem Schmerz und Kummer und Unglück, Lonny.“

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