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über der Achsel beim Tragen – triefend und ganz kalt. Dann in der Stube merkte ich, dass das Herzlein doch noch schlug. Aber der Bub war schon weit und ich hatte niemand zum Schicken. Die längste Zeit kommt manchmal kein Mensch vorbei, und ich selber habe nicht wegkönnen. Es ist mir leid. Es wird auch eine Mutter haben, das Kind?“

      „Ja, wahrhaftig“ sagte Herr Schwarzbeck, „die Mutter, und fast hätten wir sie vergessen ob der Freude und dem Staunen.“ Er winkte den Kindern. Sie folgten ihm alle hinaus. Und in dem dunklen Vorraum konnten sie nun endlich ihrer Freude und allem, was sie bewegte, Ausdruck geben.

      ,,Herr Schwarzbeck! Wie das gewesen ist, wie wir in die Stube gekommen sind und gemeint haben, Ottilie sei vielleicht tot und sie dann auf einmal uns angeschaut hat. Ganz erschrocken ist man! Wie in einer schönen Beschichte, war es! wie im Schneewittchen! – Kann jetzt Ottilie lange nicht in die Schule? – Haben Sie gesehen, Herr Schwarzbeck, die Haare waren ganz blutig! – Wenn die Botenfrau sie nicht gefunden hätte, Herr Schwarzbeck, wäre sie dann gestorben?“ –

      Aber Herr Schwarzbeck antwortete nicht. „Hans Kündig und Felix Kleinhans – ihr habt die längsten Beine. Lauft und sagt bei Eggenbergs, dass Ottilie lebt. Stürmt nicht die Treppe hinauf, sondern sagt es unten im Laden.“

      „Ja, der Magd, der Luise“ rief Hans Kündig, indem er den Hut auf seinem Kopf festdrückte. Mit ein paar grossen Sätzen sprang er durch die Pfützen, Felix Kleinhans nach. Beinahe hätten die beiden einen Mann umgerannt, der in der Dunkelheit daherkam.

      „Geht’s da zur Botenfrau?“ fragte er.

      „Ja, ja“, riefen die Buben weiterrennend zurück. Gleich hinter den Bäumen ist das Haus“ –

      Der Herr ging ein paar Dutzend Schritte weiter. Dann zündete er seine Taschenlampe an. –

      „Herr Schwarzbeck“ –

      „Herr Doktor“ –

      Der Herr Doktor war auf die Kunde von dem Unglück dahergeeilt.

      Die Leuenhoferkinder umringten ihn. Alle kannten ihn. Ausserdem war er Evas Onkel.

      „Herr Doktor, denken Sie“, „Onkel denk“, bestürmten sie ihn und alle riefen und redeten durcheinander. Aber das verstand der Herr Doktor doch, dass gottlob Ottilie nicht tot war, und das war die Hauptsache.

      Rasch ging er mit Herrn Schwarzbeck in die Stube der. Botenfrau. Die Leuenhoferkinder blieben im Vorraum, der nur spärlich erhellt war durch eine kleine, alte Stallaterne. Die Buben und Mädchen fanden allerlei Sitzgelegenheiten: eine Bank, einen Schubkarren, einen Sack Kartoffeln und schwatzten da weiter von der so ganz wunderbaren Begebenheit und was sie gedacht und nicht gedacht hätten.

      Netti Tobel aber, die sich wieder ganz erholt hatte von Schrecken und Tränen, hielt das Stillitzen nicht aus, sondern zündete mit der Laterne überall herum und machte eine Türe, die zu einem kleinen Stall führte, auf, wo sie zu ihrer Freude in einer Kiste Kaninchen entdeckte. Sie waren eng aneinander gekauert und blinzelten mit ihren roten Augen in das Licht, ängstlich und erstaunt; denn sie hatten schon geschlafen.

      Dann kamen der Herr Doktor und der Herr Schwarzbeck heraus.

      ,,Kinder! wir dürfen Ottilie heimnehmen!“ rief Herr Schwarzbeck fröhlich. „Bringt die Bahre hier vor die Türe.“

      Die Bahre! Ottilie auf der Bahre heimtragen, die wiedergefundene Ottilie! – Jeder wollte an der Bahre anpacken. Aber es fanden denn doch alle, dass man jetzt nicht hin und herstreite.

      Der Herr Doktor trug Ottilie, die leise wimmerte; denn die Untersuchung der Wunde hatte weh getan. Hinter dem Herrn Doktor kam die Botenfrau mit Kissen und Decken.

      „So, so“, sagte er, indem er behutsam Ottilie auf die Bahre bettete. „Noch ein Kissen und noch eins – Ganz weich und warm gebettet ist man jetzt, und wie eine Prinzessin mit grossem Gefolge kehrt man heim.“

      „Ja, jetzt ist’s genau wie im Schneewittchen“, flüsterte Netti der Hedwig Bühler zu und schwenkte die Stallaterne, die die Botenfrau mitgab. Eva durfte Onkel Doktors Taschenlampe tragen. Die beiden Mädchen gingen mit ihrer Beleuchtung voran. Vier von den Buben trugen die Bahre behutsam und stolz. Die Botenfrau ging auch noch ein Stück neben Ottiliens Vater her. Sie wollte von Dank gar nichts wissen.

      „Wenn Sie nur nicht bös sind, dass ich Ihnen so Angst gemacht habe“, sagte sie immer wieder.

      Aber wie hätte Herr Eggenberg böse sein können, wo er so glücklich war!

      „Nun so kommt jetzt gut heim!“ sagte sie an der Wegecke. „Und in den nächsten Tagen schaue ich dann, wie es geht. Es ist mir ganz ans Herz gewachsen, das Kind.“

      Als man an die Stelle kam, wo der Weg etwas aufwärts und ziemlich nahe an der stark brausenden Illig vorbeiführte, horchte Ottilie auf.

      „Vater, Vater, o“ – schrie sie auf. Aber der Vater nahm ihre Hand.

      „Nein, nein, Ottilie, das Wasser tut dir nichts mehr. Jetzt sind wir bald bei der Mutter, – bald bei der Mutter.“ –

      Ottilie legte den Kopf auf die Seite und versank wieder in ihren Halbschlaf.

      So ging es durch Nacht und Nässe und am schwarzen Himmel zogen noch die zerfetzten Wolken wild über den Mond weg.

      Nun sah man schon die Lichter des Städtchens; man kam zu den ersten Häusern.

      „Sie kommen! sie bringen es!“ hörte man rufen.

      Die Freudenkunde, die Hans Kündig und Felix Kleinhans gebracht, hatte sich schon verbreitet im Städtchen. Überall standen Gruppen von Leuten. Die Männer nahmen die Pfeifen aus dem Mund, und die Frauen schlugen die Hände zusammen. „Nein, nein! Was man auch erlebt!“ Und alles wollte herantreten. Aber der Herr Doktor wehrte ab.

      „Halt da! Lasst unser Kind in Ruhe! Es will heim zu seiner Mutter und in sein Bett. Ihr könnt es dann die nächste Woche ansehen, wenn es hoffentlich wieder munter in die Schule läuft. Geht jetzt hinein und esst eure Suppe, sonst wird sie kalt.“

      Die Leute lachten. Sie hatten ihren Doktor gern.

      Der Zug ging weiter und wurde gegen den Marktplatz hin immer etwas grösser; ein bisschen hintendrein gehen durfte man ja schon; das schadete dem Kind nicht.

      Und dann kam man vor der Bäckerei an. Der Vater hob seine Ottilie von der Bahre und trug sie die Treppe hinauf und dann hörte man den Freudenschrei der Mutter:

      „Ottilie, Kind! Mein Gott, mein Bott!“ – Und nun war es ganz still trotz der vielen Leute vor der Bäckerei; und die Frauen wischten sich die Augen.

      Die Leuenhofer standen bei der Bahre. Netti und Eva hielten noch immer ihre Laternen. Die Bahre und die Laterne, das war das Zeichen, dass man dabei gewesen war und mitgeholfen hatte. Und die Leute betrachteten die Kinder auch ganz respektvoll und liessen sich genau erzählen, was im Rappenfeld vorgefallen war, von dem dunkeln Weg durch die Wasserlachen bis zu den Kaninchen, die Netti aufgeweckt hatte.

      „Das ist anders als damals, wo wir das falsche Büblein brachten und alles uns auslachte“, sagte Eva, und die Buben und Mädchen lachten in der Erinnerung.

      Da trat die Bäckers Luise aus dem Laden, die Schürze voll von grossen, mürben Kümmelbretzeln, die nirgends so gut waren wie bei Eggenbergs.

      „So, das ist für die braven Träger und Begleiter! Und jetzt sollt ihr aber heimgehen, lässt Herr Schwarzbeck euch sagen!“

      Netti drückte die zwei Bretzel an ihr Stumpfräschen:

      ,,So, jetzt riecht es wieder lustig!“ lachte sie. Dann aber fiel allen durch den Geruch der frischen Bretzel auf einmal ein, dass sie einen furchtbaren Hunger hatten, und sie rannten davon, jedes nach einer andern Seite.

      Die grossen Leute verzogen sich dann auch und es wurde endlich still in dem Städtchen, das heute so viel Sorge, Schrecken und Freude erlebt hatte.

      Die Kriegselefanten.

      An

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