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Café Kafka im Visier. Emma Vall
Читать онлайн.Название Café Kafka im Visier
Год выпуска 0
isbn 9788711465776
Автор произведения Emma Vall
Издательство Bookwire
Eine Woche später war der Hilfstransport abgefahren. Seinen Anzug hatte Papa gegen eine Lederjacke eingetauscht. So glücklich wie an dem Tag hatte er ewig nicht mehr ausgesehen.
Das Café Kafka leerte sich allmählich. Svala trank ihren Tee aus und warf noch einen schmachtenden Blick auf die köstlichen Schafskäsebrote. Aber solch ein Luxus war nicht drin! Ständig im Kafka abzuhängen und Tee zu trinken riss ein ziemliches Loch in ihr Portemonnaie, doch schließlich war dies ihr Wohnzimmer. Hier erledigte sie nach Schulschluss ihre Hausaufgaben. Der Tisch in der Ecke war ihr Stammplatz, wo sie ihre Freundinnen traf.
Maggan kam zu ihr, um das Geschirr wegzuräumen und den Tisch abzuwischen. Das Tablett mit dem schmutzigen Geschirr wirkte schwer und sie sah müde aus.
»Willst du gar nicht nach Hause zum Abendessen, Svala?«, fragte sie freundlich.
»Da wartet sowieso keiner auf mich«, antwortete Svala. »Ich glaub, ich hol mir noch heißes Wasser für meinen Tee, wenn das okay ist.« Mit ihrem leeren Becher ging sie zur Theke.
Maggan kam mit und schenkte ihr heißes Wasser ein. Dann steckte sie Svala augenzwinkernd eine gigantische Zimtschnecke zu.
»Hier, hau rein, wir hatten heute eine falsche Lieferung und ersticken in Kuchen.«
Svala ließ sich wieder in das abgewetzte Samtsofa sinken. Im Kafka durften die Gäste die alten Möbel kaufen, wenn sie ihnen gefielen, aber diese gemütlich eingesessene und vollgequarzte Sitzgruppe hatte bisher niemand haben wollen.
Sie sah sich um. Weiter drüben spielten ein paar Leute Schach. Am Nachbartisch saß Antoine, der aus Kuba stammte, mit seinem Freund Andor. Die beiden unterhielten sich immer auf Spanisch. Sie verbrachten genauso viel Zeit im Kafka wie Svala. Mit seinen dunklen Haaren und braunen Augen sah Antoine echt süß aus. Svala hatte mitbekommen, dass er sich in Amanda verliebt hatte, die wie Maggan hier bediente. Unentwegt verfolgte er sie mit sehnsüchtigen Blicken, wenn sie die Tabletts durch das Café balancierte und den Gäste ihre Getränke brachte. Amanda warf dann ihre langen blonden Haare zurück und lächelte ihm zu, aber nach der Schicht holte ihr Freund sie ab und Antoine verkroch sich deprimiert in seine Ecke, um ihr auf Schwedisch liebestrunkene Gedichte zu schreiben.
Plötzlich wurde die wütende Stimme des Mädchens am Fensterplatz lauter. Das Gespräch war offensichtlich bei einem neuen Thema angelangt.
Svala kauerte sich auf dem Sofa zusammen und belauschte wieder den Streit.
»Spinnst du total?«, zischte das Mädchen, die ihr Haar zu zwei kurzen Zöpfen geflochten hatte und einen grauen Strickpulli mit Kapuze trug. »Die freizulassen, schadet uns doch nur ...« Ihre Stimme wurde so leise, dass Svala kein Wort mehr mitbekam.
Ihr Begleiter trug eine Strickmütze, die er weit über die Stirn gezogen hatte, und eine braune, abgewetzte Cordjacke. Er sieht zornig aus, stellte Svala fest, als sie verstohlen zu ihnen rüberlinste, ohne sich anmerken zu lassen, wie gespannt sie zuhörte.
»Eins sag ich dir, wir haben keine Nerze auf Tynningö freigelassen. Mit der Aktion haben wir nichts zu tun. Mir ist genauso klar wie dir, dass die öffentliche Meinung jetzt gegen uns ist. Nee, das muss eine andere Gruppe gewesen sein.«
»Emilie meint, dass vielleicht die aus Nacka dahinterstecken«, sagte das Mädchen in einem leicht entschuldigenden Tonfall.
Nerze, dachte Svala. Das Kafka war ein beliebter Treffpunkt für eine Gruppe von Veganern. Sie achteten hysterisch genau darauf, was sie aßen und tranken, und man konnte ihnen ansehen, dass sie zusammengehörten. All ihre Klamotten sahen aus, als wären sie secondhand. Sie trugen Strickmützen, abgewetzte Jacken und grobe Baumwollpullis. Kein Leder, nicht einmal Wolle.
Von mir aus, dachte Svala. Hauptsache, sie kommen nicht auf die Idee, mich zu missionieren.
Vom Ende der Sechsten bis zum Anfang der Siebten war sie Vegetarierin gewesen, allerdings eher aus Protest, weil das Leben vor der Scheidung ihrer Eltern so chaotisch gewesen war. Svala hatte mitbekommen, dass zu Hause irgendwas nicht stimmte, wusste aber die Ursache nicht. Zwischen Jan und Aisa herrschte ein höflicher, aber eiskalter Umgangston.
Da ließ sich die Stimmung am besten anheizen, indem Svala das Essen verweigerte, wenn Jan wieder einmal seine notorischen Lammsteaks gebraten hatte. In solchen Momenten ließen ihre Eltern ihren Frust an Svala aus, und das war immerhin besser als das unerträgliche Schweigen.
Der Gedanke an Lammsteaks ließ Svala das Wasser im Mund zusammenlaufen. Sie schnappte ihren schwarzen Rucksack, stopfte ihre Baskenmütze hinein und warf sich ihr langes schwarzes Halstuch über ihre abgewetzte schwarze Lederjacke. Hoffentlich war Pétur zu Hause, damit sie gemeinsam kochen konnten.
Als Svala vom Kafka aufbrach, stritt sich das Paar am Fenster immer noch. Es ging wieder um die Nerze. Svala fand es merkwürdig, dass man verliebt sein und sich gleichzeitig dauernd streiten konnte. Sie musste an Kalle denken. Nach Weihnachten, als ihre Eltern fortgegangen waren, hatte sich Svala total nach Wärme und Nähe gesehnt. Kalle war Anarchist und versuchte Svala ständig davon zu überzeugen, dass die bürgerliche Gesellschaft längst in ihren Fugen knackte und bald zusammenbrechen würde. Am Anfang hatte Svala an seinen Lippen gehangen und fasziniert seinen feurigen Blick angeschaut, wenn er von Revolution redete. Inzwischen hatte sie allerdings bemerkt, dass seine Augen längst nicht so glühten, wenn er über sie beide sprach. Hätte sie doch bloß eine beste Freundin, mit der sie alles bereden könnte!
Wenn Svala mit Pétur wegging, kam sie sich immer vor wie das fünfte Rad am Wagen, weil er ständig mit Linda oder irgendeinem anderen Mädel auf Konzerten abhing. Einmal hatte Svala Andeutungen darüber gemacht, aber Pétur hatte nur geantwortet, wenn sie sich nach einem kuscheligen Familienleben sehne, könne sie ja zu Mama ziehen.
Und dann hatte er gemeint, wenn sie etwas mehr Wert auf ihr Äußeres legen würde, bräuchte sie auch nicht allein zu Hause zu sitzen. Das fand Svala ungerecht. Sie war schon lange nicht mehr so moppelig wie früher. Weil sie ihr Haushaltsgeld nicht nur in Lebensmittel investierten, hatten Pétur und sie ziemlich abgenommen.
Übrigens verschwanden sexy Linda und die anderen Girls meistens schnell wieder von der Bildfläche, wenn Pétur merkte, dass er mit ihnen nicht groß reden konnte. Das war ein festes Muster bei ihm, stellte Svala fest, und mit der Zeit wurde es immer deutlicher.
Im Winter waren Svala und Pétur monatelang ziemlich gut miteinander klargekommen. Aber in der letzten Zeit war Pétur nur noch mit seinen Kumpeln und seiner aktuellen Freundin unterwegs.
Als sie am Eingang des alten, gelben Mehrfamilienhauses im Malmgårdsvägen angekommen war, drückte Svala wie gewohnt den Türcode und lief die Treppe hoch zur Wohnung.
Ein gähnend leerer Kühlschrank
Schon im Treppenhaus drangen Svala die vertrauten Klänge des jüngsten Meisterwerks von Refused ans Ohr. Es war der letzte Song, den die Band vor ihrer Auflösung veröffentlicht hatte. Dass die Lieblingsband der Veganerszene aus den Lautsprecherboxen dröhnte, war ein sicheres Anzeichen dafür, dass Oskar sich wieder mal bei Pétur eingenistet hatte. Svala stand lustlos vor der Wohnungstür mit dem Namensschild Svala Aisadottir & Jan & Pétur Mörk. Sie atmete tief durch.
»Hallo! Da bin ich wieder.« Sie pfefferte ihre zerschlissene Lederjacke auf den Fußboden im Flur und stieg über einen Haufen aus Stiefeln, Turnschuhen und Jacken.
Vom Wohnzimmer drangen Gesprächsfetzen herüber, die von der lauten Musik übertönt wurden. Svala steckte ihren Kopf in die Tür.
Pétur nickte ihr müde zu. Abgesehen von ein paar Leuten, die sie nicht kannte, hatten sich Oskar und Ervin mal wieder häuslich auf ihrer Wohnzimmercouch eingerichtet.
»Gibt es was zu essen?« Svala versuchte, Péturs Aufmerksamkeit zu erhaschen, aber ihr Bruder zuckte nur mit den Schultern.
»Ist wenigstens Geld zum Einkaufen da?« Sie ließ