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      Rudolf Stratz

      Samum

      Novelle

      Illustriert von Chr. Speyer

      Saga

      Samum

      © 1900 Rudolf Stratz

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711506998

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

      1.

      Ach Gott, ja!“ Die kleine Frau gähnte herzhaft, streckte die Arme aus, stützte dann wieder den Kopf auf die Hände und die Ellbogen auf die Kniee und schaute, auf dem Felsblock kauernd, hinaus in die Sahara.

      Unermesslich dehnte sich da unten vor ihren Blicken die Wüste, ein sturmbewegtes Meer hochaufgebäumter Sanddünen, in fahlen, leichenfarbenen Wellen von den äussersten Grenzen des Südens heranrollend, nur selten da und dort von kleinen blauschwarzen Flecken, den Palmenhainen der Oasen, durchsprenkelt.

      Andere Palmen schwebten darüber umgestülpt in der zitternden Luft, verkehrte weisse Minarehs, ein tiefblau spiegelnder kleiner See dazwischen — das Gespensterbild der Fata Morgana, wie es vom Morgen bis zum Abend zwischen Himmel und Erde über der glühenden Wildnis spielt.

      Im Westen flammte der Himmel und die Erde in feuriger Pracht. Die Sonne ging unter, in einem Bade blutroter brennender Farbenwellen, die weithin das Ockergelb des Sandes mit ihrem überirdischen Brandschein überstrahlten und das blinzelnde Auge blendeten, und schwand langsam in einem starren Todesschweigen, durch das nur zuweilen der Südwind in flüchtig zusammen-gewirbelten Sandsäulen heissen Atems dahinfegte.

      Die kleine Frau schloss die Augen. Ihr graute vor der Wüste, die sie doch nun schon so lange tagtäglich von den Felsabstürzen des Atlas, in denen sie kampierten, zu ihren Füssen liegen sah. Und auch wenn sie die Wimpern schloss, stand doch das Bild der Sahara in seiner einförmigen Grösse vor ihr — die bald schwefelgelben, bald fahlgrauen wildzerrissenen Sandkämme, die ewig blaue Wölbung darüber und bei Tagesanfang und -ende im Osten oder Westen der in blutiger Pracht steigende und sinkende Sonnenball ...

      „Monsieur Abd-el-Kader!“ rief sie plötzlich, ohne sich umzudrehen.

      Aus der geräumigen Felshöhle hinter ihr trat ein alter Araber, hager und hochgewachsen, unter der Zipfelkapuze des malerisch umgeschlagenen weissen Burnus ein kühnes Antlitz mit funkelnden Augen.

      „Madame?“

      „Was rumpelt denn da in der Höhle?“

      „Es lösen sich ganz hinten einzelne Steine und stürzen herunter.“

      „Am Ende uns auf den Kopf?“

      „Damit hat es noch keine Gefahr. Wir müssen ja doch fort und so rasch als möglich auf die Strasse zurück.“

      „So — müssen wir? Wer sagt Ihnen denn das?“

      „Das Wetter sagt es mir, Madame! Es wird immer schwüler, obwohl die Sonne schon untergeht, der Südwind verstärkt sich — wir bekommen Sturm! Sehen Madame nur ins Gebirge! Man erblickt heute die Lagerfeuer der anderen Jagdexpeditionen nicht, wie sonst jeden Abend. Sie sind schon auf dem Rückweg begriffen, und wir müssen auch zurück.“

      Die kleine Frau stand auf. „Ob wir das müssen oder nicht, darüber hat nur mein Mann zu bestimmen. Und ich wollte, er käme endlich von der Jagd zurück! So lange ist er noch nie ausgeblieben.“

      Abd-el-Kader schwieg und seine Herrin musterte, der Sahara den Rücken zudrehend, ihr kleines Reich mit dem prüfenden Blick der jungen Hausfrau, die sich ihrem Gatten gegenüber für Ordnung und Sauberkeit im Lager verantwortlich fühlt. Sie lächelte dabei verstohlen. Obwohl sie nun schon seit vier Wochen jagend und forschend und faulenzend die wilden Atlashänge hinzogen — dies Gewirr kahler Steinhalden und Berggipfel, öder Hochsteppen mit bleichen, vogelwimmelnden Salzsümpfen und spärlichen, von weidenden Kamelherden belebten Grasflächen — obwohl ihr dies abenteuernde Leben unter dem Zelt und unter dem freien Himmel schon beinahe selbstverständlich erschien, kam es ihr doch plötzlich wieder wie ein Traum vor, dem in kurzem das Erwachen folgen musste.

      Erwachen im Elternhaus — in der kleinen deutschen Landstadt — wieder erwachen als junges Mädchen mit der ewigen Frage: wie wird er sein, wie wird er heissen und aussehen, dem du dereinst dein Leben in die Hand giebst? — nein — sie lachte und schüttelte energisch den hübschen Kopf: das lag hinter ihr! Und sie war auf der Hochzeitsreise — anders freilich, als sie sich das früher wohl geträumt hatte. Aber gerade darum schön! In Italien und Tirol konnte jeder und jede die Flitterwochen vertändeln! Wer einen Mann gewonnen wie sie, der durfte sich nicht wundern, sondern stolz sein, wenn er sie auf wilde, unbetretene Pfade abseits der grossen Menge in neue Welten und ein neues Leben führt.

      Es leuchtete warm auf in ihren blauen Kinderaugen, während sie sich im Halbkreis umsah. Wie hübsch war es doch — wie eigenartig und traulich zugleich, ihr selbstgeschaffenes Heim vor und unter der grossen Felswölbung am letzten Absturz des Atlas zur Sahara!

      Hart am Eingang der Höhle, durch die Steinwände gegen den Tau und kalten Hauch der Wüstennacht geschützt, stand der Glanzpunkt des Lagers, das Zelt, einem riesenhaften, halb aufgeklappten Regenschirm nicht unähnlich. Es erforderte eine gewisse Uebung, durch den Spalt zwischen den sonnengebleichten und staubbefleckten Leinwandfalten hineinzukriechen, ohne durch Erschütterung der innen aufgepflanzten Stange den Bestand des Ganzen in Frage zu bringen — aber wie behaglich ruhte es sich innen auf den schmalen Feldbetten, wie traulich knisterte das frische Stroh unter den Binsenmatten des Bodens, wie heimelig begleitete einen das Raunen des Nachtwindes draussen, fernes Schakalgejanke und das Schnarchen der Beduinen um das rötlich durch die Zeltwand schimmernde Lagerfeuer hinüber in die Träume — ja wirklich, „Raum ist in der kleinsten Hütte“ — weiter kam sie gewöhnlich ihrem Manne gegenüber mit dem Citat nicht. Es ging in einen Kuss über.

      Hinter dem Zelt, weiter nach dem Innern der Höhle, waren die Lebensmittel aufgestaut, Büchsenfleisch, Thee und Kaffee, Salz und Pfeffer, Brotlaibe und Dattelsäckchen, Reis und Erbswurst — eine richtige, auf alles gerüstete Speisekammer, wie sie die Urgrossmütter auf dem Lande besassen. Ganz im kühlen Hintergrund endlich, wo die Sonne nicht mehr hinreichte, war der Keller, Cognac, Rotwein und eine grosse Menge Vichywasser in Flaschen, wohl sechzig oder mehr, eine ganze Maultierladung voll. Denn wo sich hier in der Wüste Wasser fand, war es salzig und für Europäer ungeniessbar, wenn auch die derben Magen der Araber und ihres Viehs das brakige Nass ohne Schaden vertrugen.

      Gegenüber dem Zelt erhoben sich zwei aufgeschichtete Steinhaufen mit Wolldecken überkleidet, je ein Feldstuhl vor jedem, ein Tintenfass, ein paar Bücher, Photographieen und eine Handarbeit darauf, das Arbeitszimmer des Hausherrn und das Boudoir seiner Gemahlin — beide durch Kreidestriche am Boden sorgfältig voneinander, wie von dem Schlafgemach und dem Keller getrennt, damit keine Verwechselungen und Uebergriffe stattfinden konnten.

      Rechts vom Eingang der Höhle hatte sich Abd-el-Kader, der vielgewandte, französisch sprechende Wüstenführer, einen Herd aus Steinen aufgebaut, an dessen Glut er mit den beiden Maultiertreibern, in Wolldecken eingewickelt, zu nächtigen und zugleich mit Hilfe eines mageren gelben Steppenhundes seine Herrschaft zu bewachen pflegte. Auf der anderen Seite bleichten die Jagdtrophäen in der afrikanischen Sonne, zierliche Gazellenkrickel, lyraförmig gewölbte grosse Antilopengeweihe, dicke krummgebogene Mufflonhörner, rosige Flamingobälge, Hyänen- und Schakalschädel und pralle, mit Sand ausgestopfte und mit roten Halsbändchen geschmückte Wüsteneidechsen.

      Hier befanden sich auch in einem kleinen Käfig die lebend zum Zeitvertreib

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