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mein Handgelenk und ich spüre meinen Herzschlag durch die Adern pulsieren. Ich habe Gefühle, das stimmt. Aber das macht mich noch lange nicht zu einer Emotionalen! Ich kann meine Gefühle zurückstellen, sie je nach Notwendigkeit unterdrücken. Habe ich das nicht bewiesen, als Mum uns verließ?

      Elias schiebt mir die Hälfte von seinem Schokoriegel zu, und ein Stromschlag durchfährt mich, als unsere Hände sich berühren. Ich bin keine Emotionale. Ich darf es nicht sein, denn wenn die Testung in zwei Jahren mit einem E auf meinem Handgelenk endet, dann werden wir zwangsläufig in verschiedenen Welten landen. Als Emotionale müsste ich vor jedem Verlassen der Nationen einen Antrag stellen, zu meinem eigenen Schutz, während Elias in jedes Land der Erde reisen, forschen und die spannendsten Dinge lernen würde. Wir könnten niemals richtig zusammen sein. Selbst wenn wir es wollten.

      Wenn ER es wollte, korrigiere ich mich in Gedanken.

      Elias neigt seinen Kopf zur Seite, und mein Blick bleibt an dem herzförmigen Muttermal hängen, das unter dem Kragen seines Uniformhemdes sichtbar wird. Hätte ich doch nur die Gewissheit, dass ich meinen besten Freund mit der Wahrheit über meine Gefühle nicht verlieren würde …

      »Colins Kommentar vorhin war bestimmt nicht so gemeint«, sagt Elias und tunkt eine Pommes in Ketchup.

      Erstaunt sehe ich ihn an und begreife, dass er glaubt, es wäre der blöde Spruch über meinen Vater, der mich beschäftigt.

      »Doch, das war er«, erwidere ich kühl. Allein die Andeutung, dass ich Vorteile haben könnte, weil mein Vater im Parlament sitzt, ist ungeheuerlich.

      »Du weißt doch, wie er ist. Colin kann es nicht leiden, ausgestochen zu werden. Und du bist nicht nur schneller als er, sondern auch noch klüger. Ich meine, deine Prüfungsergebnisse …« Elias zieht grinsend einen unsichtbaren Hut, doch seine nett gemeinten Worte fühlen sich bitter an, als wäre mein Erfolg auf einmal etwas Schlechtes.

      »Selbst Colin sollte mittlerweile gemerkt haben, dass die Vereinigten Staaten von Amerika der Vergangenheit angehören«, sage ich. Er sollte wissen, dass mit der Gründung der Gläsernen Nationen nicht nur Sexismus und Rassismus von der Tagesordnung verschwunden sind, sondern auch Korruption und Vetternwirtschaft. Wir trennen nicht mehr zwischen Schwarz und Weiß oder Frauen und Männern und allein durch persönliche Beziehungen kommt erst recht niemand mehr nach oben. »Nur die Traits bestimmen, wozu wir fähig sind«, fahre ich wütend fort, »und nicht einmal Idioten wie dein bester –«

      »Du hast recht«, unterbricht mich Elias. »Und wenn wir erst einmal auf die Cremonte gehen, wird Colin wissen, dass er sich mit dir nicht anlegen sollte.« Als ich nicht reagiere, greift Elias über den Tisch und nimmt meine eiskalte Hand. »Aber es ist nicht bloß Colin, oder?«

      Er folgt meinem Blick zu dem Bildschirm über der Essensausgabe, auf dem sich die CCN-Seite mit dem Tagesmenü abwechselt. Das Bild einer Hand, die einen Doktorhut in die Luft wirbelt, strahlt auf die Schlange von Schülern herab. Auf dem Handgelenk des Studenten ist ein fein gestochenes R zu sehen.

      »Wir beide wissen doch schon längst, wer wir sind«, sagt Elias leise. »Und kein Konsilium der Welt könnte anders entscheiden.« Ich betrachte die feinen Linien der Adern, die unter der Haut meines Handgelenks verlaufen wie blaue Flüsse.

      »Glaubst du, es tut weh?«, frage ich. »Das Traitmark.«

      »Bestimmt nicht.« Elias steht auf. »Und immerhin fahren wir zusammen ins Athene-Zentrum, wenn also am Ende bei der Zeremonie jemand deine Hand halten soll …«

      Ich werfe ihm einen vernichtenden Blick zu und die bedrückte Stimmung zwischen uns verschwindet wie Wolken an einem Sommerhimmel.

      »Sehen wir uns nach dem Training?«, frage ich.

      Elias nickt. »Versuch, heute auf den Beinen zu bleiben.«

      Ich strecke ihm die Zunge raus, während ich mir meine Tasche über die Schulter schwinge und die Cafeteria mit dem Rest meines Sandwiches in der Hand verlasse.

      Elias hat recht. Obwohl wir unsere Traits erst mit achtzehn zugewiesen bekommen, benehmen wir beide uns schon ganz von allein wie Rationale. Wir wählen Naturwissenschaften und Leistungssportarten anstelle von Kunst und Sozialwissenschaften. Wir sind zielstrebig, weil wir wissen, dass wir das Potenzial haben, die Gläsernen Nationen mitzugestalten. Beweist das nicht, wer wir wirklich sind? Ich streiche noch einmal über mein Handgelenk und stelle mir das feine R vor, das man mir in zwei Jahren mit weißer Tinte dort stechen wird. Dann wird uns nichts mehr im Weg stehen.

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      Sie kommt in ihrer Sporthose aus der Kabine und wirft sich hastig eine Jacke über. Das Training der Laufmannschaft ist also schon vorbei, früher als gewöhnlich. Skyes sonst so blasses Gesicht ist gerötet, und sie kaut auf ihrer Unterlippe, als würde sie irgendetwas beschäftigen. Ich seufze innerlich. Mein Auftrag ist auch ohne Teenager-Probleme schon kompliziert genug!

      Wenn man vom Teufel spricht, denke ich, als der Junge mit den breiten Schultern am Tor auftaucht. Die beiden verbringen jede freie Minute zusammen, obwohl sie sich anstrengen, ihre offensichtliche Zuneigung zueinander zu verbergen. Darin sind sie ungefähr so gut wie Romeo und Julia, doch ihre vorsichtige Zurückhaltung wundert mich nicht. Ihre Familien mögen zwar nicht gerade verfeindete Clans sein, aber als Tochter eines Parlamentariers weiß Skye, was von einer Rationalen erwartet wird. Und dass sie glaubt, zum kalten Trait zu gehören, ist sonnenklar. Ich entfalte das Blatt Papier, das Beth mir gegeben hat, und streiche es glatt.

      »Glaubst du diesem Coach?«

      Auf meine skeptische Frage hin hatte Beth genickt. Sie war dünner geworden, noch dünner als beim letzten Mal, als sie mich zurück in ihr modriges Gefängnis rief.

      »Sie werden sie holen. Es ist zu früh dafür, aber wir müssen Verse vertrauen. Er arbeitet nicht erst seit gestern als Informant für den Ring.« Sie sah mich scharf an. »Ich verlasse mich auf dich.«

      Ich stecke die verhängnisvolle Nachricht zurück in meine Hosentasche und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf meinen Auftrag. Skyes Schultern hängen unmerklich herab, als sie neben dem Jungen durch das Schultor geht und über die Straße läuft. Während ich den beiden in einigem Abstand folge, wünschte ich auf einmal, sie warnen zu können. Skye hat es nicht verdient, derart ins kalte Wasser gestoßen zu werden. Sie hat nichts von dem verdient, was geschehen wird, denke ich bitter. Keiner von uns beiden hat das. Doch ich tue, was Beth von mir verlangt, und lasse mich zurückfallen. Heute Abend wird Skye es sowieso erfahren, meine Warnung würde ihr bloß die letzten sorgenfreien Stunden stehlen. Zumindest rede ich mir das ein, um den kümmerlichen Rest, der von meinem Gewissen übrig geblieben ist, zu beruhigen.

      Anstatt in die grüne Buslinie nach Upperlake zu steigen, gehen Skye und der Junge an der Haltestelle vorbei, die Straße hinab in Richtung Innenstadt. Auch das noch! Hastig klappe ich mein altes Motorola-Handy auf. Die Dinger werden kaum noch verkauft, aber ich sammle sie auf Flohmärkten und in kleinen, verstaubten Eckläden, die irgendwo im letzten Jahrzehnt hängen geblieben sind. Im Gegensatz zu Smartphones ist es beinahe unmöglich, sie zu orten. Ich drücke auf die Kurzwahltaste, passe nicht richtig auf und stoße prompt mit einem Mädchen zusammen. Sie trägt eine ordentlich gebügelte Uniform, ohne Zweifel eine Studentin. Trotz des Kaffeeflecks auf ihrem Shirt, den ich verursacht haben muss, wirft sie mir ein Lächeln zu, das ich nicht erwidere.

      »Ich bin’s«, sage ich gepresst, als am anderen Ende abgenommen wird, und wechsle die Straßenseite. »Planänderung. Ich brauche jemanden am Times Square, und zwar jetzt. Ja ja, ich meine das Spiegelkarree.« Ich klappe das Handy zu und schiebe es fluchend zurück in die Brusttasche meiner Lederjacke. So langsam läuft mir die Zeit davon.

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      Elias hat keine Fragen gestellt, als ich ihn gebeten habe, statt der zwanzig Minuten langen Safari im Schulbus heute die U-Bahn zu nehmen. Nach zwei Stunden Ausdauertraining, bei

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