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Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann. Jakob Wassermann
Читать онлайн.Название Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann
Год выпуска 0
isbn 9788027208593
Автор произведения Jakob Wassermann
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Ptolemäos berichtete, daß die Chaldäer ihm hätten sagen lassen, er möge Alexander vor dem Einzug in Babylon warnen. Alexander möge die Stadt meiden, nichts Gutes stehe ihm dort bevor.
Alexander stutzte. Er sah mit einem vollen und finstern Blick ins Weite. Die Finger der rechten Hand spielten in der Mähne des Pferdes. »Die Chaldäer wollen die Einkünfte des Beltempels weiter genießen, und meine Anwesenheit ist ihnen unbequem,« erwiderte er endlich mit gemessener Ruhe. »Seit sechs Jahren weigern sie sich, mit dem Wiederaufbau zu beginnen, umgehen listig meine Befehle, und nicht einmal der Schutt ist berührt, weil sie das Geld nicht herausgeben wollen. Das ist der wahre Grund ihrer Warnung. Verächtlich sind mir solche Propheten.«
Im Lager angekommen, beschloß Alexander, ungeachtet der vorgerückten Abendstunde die Gesandtschaft der Karthager zu empfangen. Vielleicht fürchtete er die Schlaflosigkeit, oder er wollte seinen Geist durch äußern Pomp betäuben. Kurz vor Mitternacht kamen die erstaunten Gesandten zum großen Zelt der Audienzen. Alexander, in morgenländischer Kleidung mit der Tiara, Gewand und Gürtel mit Edelsteinen und Perlen beladen, saß inmitten eines Kranzes von Fackeln. Sein unbewegliches Gesicht ruhte maskenhaft über der Versammlung. Der älteste Gesandte trat vor, kreuzte die Arme über der Brust, kniete nieder, und beugte den Rumpf, bis er mit der Stirn den Teppich berührte. Seine Gefährten schlossen vor Scham die Augen.
Da erschallte ein spöttisches Gelächter.
Erschrocken fuhren alle zusammen. Der Karthager erhob sich halb. Alexander schnellte von seinem Sitz empor.
»Wer hat gelacht?« fragte er mit heiserer Stimme.
Keine Antwort. Ein schwacher Wind wehte durch die offenen Türen, strich über die Fackelbrände und streute aus jedem eine Anzahl Funken wie kleine feurige Blumen zur Erde.
Langsam stieg Alexander die Stufen der Estrade hinab. Mit verzehrendem Blick schaute er zuerst nach rechts, dann nach links. – Die Wache senkte die Speere, die Gesandten wichen scheu zurück. Sein Aussehen war entsetzlich. Der Mund war voll Schaum. Er atmete rasch und laut wie ein wassersuchender Hund.
»Wer hat gelacht?« fragte er noch einmal flüsternd; seine Augen verdrehten sich konvulsivisch.
Die Reihen der makedonischen Edlen an der Rückwand des Zeltes bewegten sich, und zögernd, so weiß im Gesicht wie ein Aussätziger, trat Arrhidäos in die schmale Gasse.
Unfähig den fliegenden Atem zu beherrschen, starrte ihn Alexander an. »Warum?« fragte er endlich leise, »warum lachst du?«
Arrhidäos’ Blick suchte zu entkommen. Dann entgegnete er, und ein Zittern durchlief seine Gestalt: »Ich lache, weil du, Alexander, ein Hellene, Schüler der Akademie, ein Mensch wie wir alle, dich anbeten läßt wie ein asiatisches Götzenbild.«
Alexander ging einen Schritt vor, packte Arrhidäos bei den Haaren, riß seinen Kopf so stark nach abwärts, als ob er ihn von den Schultern zerren wollte, und schlug ihn mit aller Gewalt dreimal gegen den Pfosten des Zeltes.
Der Gezüchtigte richtete sich langsam auf. Er sah aus wie eine Leiche. Sein Auge schillerte fahl. Nicht Haß allein, Scham oder Schmerz lag darin, sondern unermeßliches, unvergeßliches Grauen.
Ruhig unterhielt sich Alexander mit den befangenen Gesandten, dankte für die Geschenke und verließ bald darauf das Zelt.
Am andern Morgen kam Apollodor, der militärische Kommandant von Babylon ins Lager und wurde zu Alexander geführt. Nachdem er seinen Bericht über die Truppen abgelegt hatte, erzählte er mit selbstgefälliger Weitschweifigkeit, er habe von den Weissagungen der Chaldäer gehört; er habe seinen Bruder Peithagoras, den Wahrsager, gebeten, über Alexanders Schicksal heimlich die Opfer zu beschauen. Das habe Peithagoras getan und die Leber des Opfertieres sei ohne Lappen gewesen.
Alexander schwieg. Der Mann gefiel ihm nicht. Er hatte etwas Hinterhältiges, etwas ungeschickt Heuchlerisches an sich. Mit bitterem Mißtrauen sah ihn Alexander an, als wolle er sagen: wozu deine übertriebene Sorge? welche Belohnung erwartest du? Er befahl, daß man Peithagoras rufe. Der Wahrsager kam, blaß wie das schlechte Gewissen. Er wand sich hin und her unter den Fragen und gestand endlich zu, daß die Leber des Tieres ohne Kopf gewesen sei. »Warum hast du es verheimlicht?« fragte Alexander. Er habe dem Opfer nicht getraut, antwortete der Wahrsager. »Aber Hephästions Tod hast du zuvor gewußt,« mischte sich Apollodor eifrig ein, der um jeden Preis die Rolle von Alexanders ängstlichem Freund fortsetzen wollte.
Jetzt sprang Alexander auf. »Opfere gleich!« befahl er.
Peithagoras wählte einen jungen wilden Esel. Zwei Sklaven zerrten das widerstrebende Tier zu einem Altar aus Backsteinen. Mit einem geschickten Axthieb tötete es der Wahrsager und schnitt den Bauch auf. Die Begleiter Apollodors traten neugierig hinzu, als die mit Räuchereien vermischte Flamme emporloderte und prasselnd die Gallen empfing. Während Peithagoras die Eingeweide betrachtete und die schwarze Leber kaum zu zeigen wagte, stand Apollodor mit dem Leibwächter Lysimachos etwas abseits und sie flüsterten zusammen. »Seid ihr schon einig?« fuhr Alexander sie mit finster zusammengezogenen Brauen an. »Was habt ihr beschlossen? nach welchen Provinzen gelüstet euch? ist euch Babylon zu klein? Laßt uns feilschen, vielleicht geb ich Ägypten dazu. Seht nur, das Feuer qualmt und duckt sich, ein schlechtes Zeichen, nicht wahr? Aber mit den Göttern, die ihr erkennt und fürchtet, getrau ich michs noch aufzunehmen.« Er stieß mit dem Fuß den Haufen der Gedärme beiseite, daß das Blut den Umstehenden ins Gesicht spritzte.
Da kam der Mundschenk Jollas aus einer Zeltgasse gelaufen. »Die Chaldäer kommen!« schrie er.
Alexander machte eine heftige Handbewegung und schüttelte leidenschaftlich den Kopf. »Sie sollen kommen,« sagte er, »morgen zieht das Heer nach Babylon.«
Das Jubelgeschrei der in der Nähe befindlichen Soldaten antwortete ihm. Mit Windeseile verbreitete sich die Nachricht.
Zwischen den königlichen Zelten tauchte eine Schar von merkwürdigen Gestalten auf. Es waren sieben alte Männer mit langen Bärten. Sie ritten seitlings auf weißen Eseln, die mit Henna gefärbt waren und rote Schwänze und rote Ohren hatten. Sie trugen baumwollne Unterkleider und weiße Oberkleider. Ihre Gesichter zeigten einen steinernen Ernst. Der Ausdruck ihrer Augen glich dem von Leuten, die sich monatelang in der Finsternis aufgehalten haben; es waren blicklose Augen. Die olivenfarbne Haut über Gesicht, Hals und Händen war dürr, eingeschrumpft, ledern. Sie hatten untereinander eine so auffallende, halb lächerliche, halb grauenhafte Ähnlichkeit, nicht als ob sie Brüder, sondern als ob sie die siebenfachen Schatten eines einzigen, ehemals lebendigen Menschen wären.
Es waren die Obersten der Chaldäer von Borsippa.
Die Sonne lag schwer und heiß auf dem Gras, im rötlichen Sand der Straße, glitzerte im Wasser der Kanäle, auf den gläsernen Flügeln der Insekten, rann, von flüchtigen Blätterschatten der Palmen bewegt, über die weißen, roten, blauen Dächer der Zelte.
Die Chaldäer glitten von den Tieren herab und näherten sich zu Fuß. Auch ihr unhörbarer Gang hatte etwas Schattenhaftes. Dicht vor Alexander warfen sie sich gleichzeitig zur Erde, mit dem ganzen Körper und mit ausgestreckten Armen. Dann erhob sich einer, und seine gelblichen Augensterne belebten sich nicht, während er sprach. »Der große Hundsstern war verhüllt in dieser Nacht. Kehre um, Alexander.«
Der zweite richtete sich auf und sagte: »Möge sich das Verhängnis verziehen, möge es wieder hell um mich werden, ich komme als Bote des Herrn, als Bote des mächtigen Herrn. Kehre um, Alexander.«
»Asien ist groß,« sagte der dritte. »Lege dein Haupt anderswohin, aus reinen Gefäßen trinke reines Wasser, geh nicht auf den Pfad, wo man im Finstern wandelt.«
Alexanders Augen schlossen sich,