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      Immer wieder heißt es: »Ich war sehr aufmerksam und gab mir viele Mühe, zu erfahren, ob Gold vorhanden sei«; oder: »Ich vernahm, daß im Süden ein König sei, der große Gefäße aus Gold besitze.« Auf Haiti bringt ihm ein Kazike ein handgroßes Stück Gold; er ist hochbeglückt und wendet sich im Gebet an Gott: »Möge der Allmächtige nach seiner Barmherzigkeit mir beistehen, daß ich die Minen finde, aus denen dieses Gold gewonnen ist.« Er verkauft den Indios kupferne baskische Trommeln: für Gold; er läßt ihnen Sirup verabreichen: für Gold; das meiste Ergötzen bereiteten den verspielten Naturkindern die kleinen Schellen aus Messing, die die Spanier als Tauschartikel mit sich führten; der Admiral überschwemmte die Bahama-Inseln, Kuba, Española und später die Küste des Kontinents zu Tausenden mit Klingelschellen: und bekam Gold dafür. Er schreibt: »Meine Leute sahen einen Indio, der ein Goldstück von der Größe eines kastilianischen Talers trug, und ich machte ihnen Vorwürfe, daß sie es nicht gekauft hatten.« An anderer Stelle: »Ganz gewiß ist es Gold, was ich sah, und ich hoffe mit Hilfe unseres Heilands den Ort zu finden, wo es wächst.« Oder: »Ich werde den König dieser Insel sehen, dessen Kleider, wie ich höre, mit Gold bedeckt sind.« Oder: »Ich werde auf dem Weg nach Bohio alle Eilande besuchen und, je nachdem ich Vorräte von Gold und Spezereien finde, beschließen, was ich zu tun habe.« Am 23. Oktober: »Ich sehe davon ab, die Insel Kuba zu besuchen, die ganz gewiß Zipangu sein muß, weil ich glaube, daß es dort keine Goldminen gibt.« (Er ändert aber dann seinen Entschluß.) Am neunundzwanzigsten kommen sechzehn Kanoes auf das Schiff zu, beladen mit gesponnener Baumwolle; der Admiral schärft seinen Leuten ein, nichts davon zu nehmen, damit sie merken, er suche nichts als Gold (wörtlich). Am 6. November: »Die mich begleitenden Indios sagen, auf der Insel Baneque sei so viel Gold, daß man es unter einer dünnen Erdschicht erkennen könne.« Am 25. November: »Der Admiral ging an den Fluß und sah dort viele goldgefleckte Steine glänzen.« Die gierigen Sinne täuschen ihn, es ist gewöhnlicher Kalkspat oder Glimmerschiefer, wie sich später bei der Untersuchung in Spanien erweist.

      Er denkt und träumt nichts anderes als Gold. Es ist seine Qual, sein Stachel, seine Manie, seine Hoffnung. Ich habe von der Bestätigung gesprochen, nach welcher Don Quichote verlangt und nach der Art seines aller Wirklichkeit zutiefst entfremdeten Geistes schmerzlich verlangen muß. Ein Mittel zur Bestätigung ist auch das Gold, aber es öffnet sich da noch ein Abgrund: Ein Mann, der mit solcher Besessenheit vom Gold spricht, nach Gold lechzt, ein Mann von reifen Jahren, verrät damit, daß er sein bisheriges Leben in Dürftigkeit und Entbehrung hingebracht hat, und nicht allein das, auch die allgemeinen sozialen Bedingungen müssen die engsten, bedrückendsten, kümmerlichsten gewesen sein, die höfischen, die bürgerlichen, die des ganzen Volkes, ja des ganzen europäischen Kontinents. Und das trifft kulturgeschichtlich zu. Da ist keine Lockerheit, kein Behagen, nicht der schüchternste Lebensgenuß, und für die Kargheit und Strenge, die das private Dasein in Fesseln schlug, entschädigten nur prunkvolle Massenaufzüge, religiöse Ekstasen und blutige Orgien.

      Aber auch das genügt nicht zur Erklärung, man muß noch tiefer gehen. Zuallertiefst ist immer die Angst.

      Gewiß, den handgreiflichen Beweis muß er haben, daß er nicht der sterile Phantast gewesen, als den ihn seine Gegner verhöhnen; mit einem Schlag kann er die Zweifler zum Schweigen bringen, die ihm soviel Kummer und Zurücksetzung verursacht haben und deren Stimmen, Mienen, störrische Widerrede und boshafte Nachrede seinen Schlaf mit Unruhe erfüllen; er braucht nur ein Dutzend Säcke Gold vor ihre Füße zu schütten, und sie müssen an ihn glauben, sie müssen gestehen, daß er ein überlegener Geist ist, ein Mann, dem sie bitteres Unrecht zugefügt haben. Er genießt schon zum voraus ihr Erstaunen, ihre Beschämung, ihre demütigen Entschuldigungen, denn arme Schlucker, wie die meisten von ihnen sind, können sie nur durch den Augenschein des Goldes, dieses unwiderleglichsten aller Argumente, zur Anerkennung seiner Verdienste gezwungen werden. Seine Vergangenheit, sein Charakter und alle seine Äußerungen lassen annehmen, daß er ein Mensch der unausrottbaren kummervollsten Ressentiments war.

      Die aber, die ihm Beistand geleistet und Opfer gebracht haben, die müssen erst recht überzeugt werden. Käme er mit leeren Händen, so würden sie seinen Erfolg allerdings nicht leugnen, seine Tat sicherlich preisen und ihm die schuldige Ehre nicht versagen, aber womit soll er ihnen lohnen? Nur wenn er sie schadlos halten, das aufgewendete Kapital mit Zins und Zinseszins zurückerstatten, ihnen solchen Überfluß zeigen kann, daß das, was sie beigesteuert, zu einem unbedeutenden Scherflein wird gegen den Ertrag, den sie dafür einheimsen, nur dann kann er ihnen als gleichgeordnet entgegentreten, Herr gegen Herr, Hofmann und Grande wie sie selbst.

      Da steht vor allem groß und heischend das königliche Paar vor seinem inneren Auge. Es ist von dringlichster Wichtigkeit, ihnen zu beweisen, daß sie Gunst und Vertrauen an keinen Unwürdigen verschwendet haben. Die kalte Geringschätzung des Königs hat er noch nicht verwunden. Er kann stundenlang kauern und sich ausmalen, wie der Monarch ihm freundlich zunicken, sich von seinem Sitz erheben und ihm sagen wird: Ich habe mich in Euch geirrt, Don Cristobal Colón, Ihr seid wahrhaftig ein großer Mann. Und ihr, der Königin, der hochherzigen Helferin, treuen Magd der Kirche, unermüdlichen Gottesstreiterin, der er die Befreiung des Heiligen Grabes zugelobt, der schwesterlichen Beschützerin, als die er sie trotz seiner sklavischen Demut insgeheim empfindet, deren Gnade ihm den Lebenstriumph ermöglicht hat: ihr muß er mit Schätzen danken können, wie sie kein Fürst der Christenheit sonst aufzuweisen vermag, schon damit sie noch unbedingter an ihn glaube, sich noch inniger ihm verbünde.

      Da sind unermeßliche blühende Länder: wahrhaftig Geschenke, die einer Königin durchaus würdig sind. Wie soll man ihr aber einen Begriff von der Schönheit und dem natürlichen Reichtum der Gebiete geben, die nun ihr gehören? Durch das Wort, die armselige Beschreibung? Verzweifeltes Beginnen. Er versucht es ja, er findet kein Ende mit entzückter Schilderung: »Es war ein wunderbares Ding um die köstliche Luft, die Herrlichkeit der Bäume, die beide Ufer des Flusses umsäumten, um die klaren Wasser und die von einer Menge von Vögeln belebte Landschaft. Alles bot einen so wunderbaren Anblick, machte den Ort so bezaubernd, daß der Admiral sich kaum loszureißen vermochte. Er sagte zu seiner Umgebung, es wären tausend Zungen nötig, um dem König und der Königin einen kleinen Begriff von diesem Feenreich zu geben.« Oder beim Anblick des Hafens von Baracoa: »Der Admiral kann die Schönheit des Landes nicht genug rühmen. Die Ebene breitet sich gegen Südost aus, und große Flüsse entströmen ihr, was ganz herrlich anzusehen ist.« Und später, über die Insel Española: »Aller Boden ist bepflanzt und das Tal von einem Fluß durchzogen, mit dessen Wassern die ganze Insel getränkt werden kann. Die Bäume sind grün und voller Früchte, die Gräser von Blumen untermengt und sehr hoch, die Luft balsamisch wie in Kastilien im April. Der Gesang der Nachtigall ist so lieblich wie das Klima, allerorten hört man Grillen und Frösche. Ich flehe Eure Hoheiten an, zu glauben, daß die Insel so gut und fruchtbar ist, daß nur der davon sprechen kann, der sie mit Augen gesehen.« Oder: »Ich versichere Eure Hoheiten, daß es in der ganzen Welt kein besseres Land und keine besseren Leute gibt. Sie lieben ihren Nächsten wie sich selbst, sie haben eine wahrhaft gewinnende Art zu reden und stets ein freundliches Lächeln bereit.«

      Armseliges Gestammel, armselige Augen, die nur die roheste Materie sehen, nicht die Seltsamkeit der neuen Formen, die exotische Üppigkeit der Farben, die Penetranz des Lichts, die silberne Flüssigkeit der Atmosphäre, arme Feder, die keine Worte hat für das Glück der Erstmaligkeit, traurig abhängiger, in niedrigen Erwägungen befangener Geist, der diese neue Menschenwelt denkfaul ins Schema seiner engsten Begriffe preßt und während er ihr Leben, ihre Seele, ihr Tun und Lassen platt schematisiert, nichts von ihrer geheimnisvollen Kompliziertheit, ihren uralten sozialen und religiösen Regelungen und sittlichen Gesetzen begreift und wahrnimmt. Das ist ein Kaufmann, der seine Ware anpreist und keine Möglichkeit sieht, sie dem Besteller zu zeigen, damit er auch wisse, was er bekommt. Immerhin ein phantasievoller Kaufmann, der seinen Kredit überspannt hat und den die Erwartung des Gewinns nicht mehr schlafen läßt. Er sehnt den Augenblick herbei, wo er sein Glück verkündigen, wo er sich Glauben verschaffen kann, denn ihm selbst, ob er es gleich lebt, ist alles noch so sonderbar unglaubhaft. Ungeduld mündet stets in die Angst; er hat Angst, der europäischen Welt könne seine Entdeckung vorenthalten bleiben; der Ozean ist noch zu durchfahren; die Stürme, denen er auf der Herreise entgangen ist, werden ihn vielleicht auf der Rückreise vernichten; aber auch wenn sie

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