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und zog die Tür zu. „Laß, ich bring schon alles in Ordnung!“ rief sie zu Vater hinaus. Er brummte, sie horchten alle drei, aber dann ging er doch weiter. Gott sei Dank!

      Sigrid sah großartig aus, fand Imme, wie sie so dastand, mit vor Aufregung und Ärger roten Backen. Sie hatte ihr Lodenkostüm an und die hohen Stiefel, und ihre dunklen, krausen Haare hingen voller Schnee. „Was fällt euch nur ein!“

      Sie hatte das Licht angedreht und kam jetzt an die Wanne heran, in die die beiden schnell gestiegen waren. „Seid ihr wenigstens sauber?“

      „Du lachst ja, Sigrid“, sagte Imme und lachte auch.

      „Gar nicht lach ich, du freches Stück!“ antwortete die große Schwester und wollte schimpfen, aber es lachte doch aus ihr heraus, jung und froh. Sigrid lachte in letzter Zeit so viel, ganz ohne Anlaß.

      Sie war ja selbst noch jung, aber von Zeit zu Zeit versuchte sie doch, streng zu sein. Die Zwillinge trieben es manchmal auch zu arg. Imme war ein Ausbund, und Ute machte mit, ob sie wollte oder nicht.

      „Dir schadet es ja nichts“, schalt Sigrid jetzt und fischte nach dem Waschlappen, „mit nassen Haaren! Ihr könnt euch zu Tode erkälten. Wollt ihr morgen im Bett liegen? Los, Haare abspülen und raus aus dem Wasser! Warum läßt euch Auguste auch allein!“

      Beim Abendbrot, zu dem die Mädchen allein im Kinderzimmer saßen, hustete Ute natürlich bereits.

      „Da habt ihrs. Jetzt sofort ins Bett und heißen Tee trinken! Verstanden? So heiß wie es geht!“ befahl Sigrid.

      Ute jammerte und heulte, weil sie sich die Zunge verbrannte. Ihr war scheußlich zumute, und sie hatte doch gar nicht mittun wollen.

      Imme saß in ihrem Bett und betrachtete die Schwester ziemlich ungerührt. Sie kannte es nicht anders, als daß Ute leicht krank wurde. Ihrer Meinung nach kam das nur davon, daß man sie viel zu sehr verhätschelte. Und daß sie krank sein wollte. Imme spürte genau, daß Ute in einer Art glücklich war, wenn sie wieder einmal im Bett bleiben mußte, wenn Sigrid bei ihr saß und ihr vorlas und wenn sie, Imme, sie nicht ärgern konnte.

      Sigrid kam, um Gutenacht zu sagen, obwohl es noch ziemlich zeitig war. Als sie das Licht gelöscht hatte, lag Imme noch eine Weile wach und dachte, wie sie es morgen anstellen könnte, mit zur Jagd zu gehen. Wenn sie doch ein Junge wäre! Jungen durften in ihrem Alter immer mit, auch solche, die sie glatt untergekriegt hätte. Ach, sie wollte so gern, so gern morgen dabei sein!

      Sonnabends hatten sie nur zwei Stunden Schule, aber diese zwei Stunden zerrissen ihr den ganzen Vormittag. Sie mußte –; während ihr allerhand Pläne durch den Kopf gingen, schlief sie ein.

      Am Morgen hatte Ute wirklich Fieber und mußte im Bett bleiben. Imme lief mit der Entschuldigung, die Sigrid geschrieben hatte, geradenwegs zu Herrn Störmer, noch ehe die Schule begann. Die ersten Schlitten mit den Jagdgästen begegneten ihr, und sie wußte auf einmal, wie sie unbedingt um die Schule herumkommen würde. Herr Störmer saß beim Frühstück. „Na, was bringst du?“

      Imme knickste und lächelte ihn an, so freundlich sie konnte.

      „Meine Schwester schickt mich, Ute ist krank, und weil wir doch heute Jagd haben –“

      „Hm! Ute ist wieder mal krank ...“, er besah die Entschuldigung und blickte dann wieder auf. „Und du?“

      „Ja. Ob ich nicht auch – es ist doch so viel zu tun“, sagte Imme eifrig. „Sigrid kann natürlich nicht bei Ute bleiben, und Auguste ist in der Küche. Ob ich da nicht –“

      „Sie brauchen dich wohl?“ fragte Herr Störmer.

      „Mein Vater –“

      „Na da lauf halt! Wenn ohne dich die Jagd nicht möglich ist.“

      Imme knickste wieder. Daß es so leicht ging! Sie hatte nicht einmal geschwindelt, hatte nur gefragt, und alles was sie gesagt hatte, war wahr.

      Zu Hause warf sie den Ranzen in die Ecke bei der Garderobe, dort fand ihn niemand. Dann lief sie in die Küche.

      „Sind sie schon fort, Auguste?“

      „Ja, jetzt eben. Willst du nach?“

      „Ja, ich muß. Gib mir bitte noch ein Brot!“

      Es lagen noch einige von den eingepackten da, von denen die Jagdherren sich welche für unterwegs einzustecken pflegten. Imme roch hinein, ha, Schinken! Sie stopfte zwei Packen in die Taschen ihrer Trainingshose.

      Der Weg, den die Treiber genommen hatten, war nicht zu verfehlen. Man sah die Spuren im frischgefallenen Schnee. Sehr bald hörte Imme auch das Klappern der Stöcke, das „Hoh!“ und „Heh!“ und „Alleh!“, mit denen sie das Wild scheuchten. Imme kroch durch das Gebüsch und war bald mitten zwischen ihnen.

      Der alte Herfurt leitete das Treiben.

      Imme war stets ein paar Schritte voran, sie zappelte vor Aufregung und Begeisterung.

      „Bleib zurück, zum Donnerwetter! In der Reihe bleiben!“ schimpfte der Alte. „Du kriegst sonst noch was ab.“

      „Ach wo.“

      Imme drückte sich etwas beiseite, um aus dem Bereich des Alten zu kommen. Die andern hatten ihr nichts zu sagen. Plötzlich sah sie etwas ...

      Es huschte über den Schnee, ganz anders, als Hasen hoppeln, niedrig, rot – ein Fuchs. Gerade hier öffnete sich der Wald, aber der Fuchs wollte nicht hinaus, er wollte zurück, zwischen den Treibern durch – er war ein alter und kluger Fuchs.

      Imme schnitt ihm den Weg ab. Das Knallen der Gewehre war jetzt ganz nah. Sie rannte – der Fuchs drehte wirklich um, und sie schoß hinter ihm her aus dem Dickicht heraus. Im nächsten Augenblick knallte es ganz nah, wie ihr schien, und sie fühlte, wie ihr die Beine unterm Leib wegrutschten. Sie saß im Schnee, und irgend etwas brannte ganz verteufelt in ihrer Sitzgelegenheit.

      Langsam stand sie auf und tastete. Als sie die Hand aus der Hose zog, sah sie Blut daran. Ach du Himmel! Sie wußte, daß es manchmal vorkommt, daß Treiber angeschossen werden und daß das weiter nicht schlimm ist. Nur erfahren durfte es natürlich keiner, die Schmerzen waren Nebensache.

      Sie überlegte. Es ging schon auf Mittag zu, allzu lange dauerte das Treiben nicht mehr. Wenn sie sich ins Jagdhäuschen verzog? Dort gab es „Zusammengekochtes“, einen „Eintopf“ für die Schützen. Auguste brachte es immer in zwei großen Töpfen mit dem Pferdeschlitten hin. Sie mußte zu Auguste, ehe die Männer kamen, Auguste würde ihr helfen.

      Es lief sich scheußlich, aber das half nun nichts. Imme stöhnte und kletterte über vereiste Baumstämme und durch niedriges Gesträuch. Endlich sah sie das Jagdhäuschen durch die Bäume schimmern.

      „Auguste, hast du was da? Sie haben mich –“, platzte sie herein.

      „Was denn?“

      „Hier!“ Imme zog die Trainingshose herunter, und Auguste schlug entsetzt die Hände zusammen. „Angeschossen?“

      „Ja, aber nicht schlimm.“

      Es war wirklich nicht schlimm, wie es sich herausstellte, nur drei oder vier Schrotkörner, die nicht tief saßen. Nur blutete es sehr. Auguste hatte schon manchen angeschossenen Treiber verarztet, sie griff schnell und geschickt zu. Es tat scheußlich weh, als sie die kleinen Kugeln herauspuhlte. Imme biß die Zähne zusammen. Auguste verpflasterte die blutenden Stellen mit Hansaplast, und als es überstanden war, kam sich Imme ganz großartig vor. Sie hatte da doch wiedermal was erlebt. Was würde Ute sagen!

      „Aber du erzählst es niemandem, liebste, beste Auguste, nein? Bitte nicht!“ bettelte sie.

      „Fräulein Sigrid muß es wissen“, sagte die Alte zögernd, „der sag ich’s; nein, auf jeden Fall. Sie kommt ja eher als die Herren.“

      „Aber nicht jetzt! Ich sag es ihr bestimmt heute abend“, bat Imme. „Ich helf dir auch schön, liebe, gute Auguste!“

      Sie hatte die Arme um Augustes Hals gelegt

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