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Die Sache, die man Liebe nennt. Lise Gast
Читать онлайн.Название Die Sache, die man Liebe nennt
Год выпуска 0
isbn 9788711509111
Автор произведения Lise Gast
Издательство Bookwire
»Das Haus ist wunderschön – das Haus ist – Himmel, daß einem alle Worte immer abgegriffen erscheinen, wenn man mal einen Superlativ anwenden möchte«, sagte Uli, ärgerlich über sich selbst. »Schon Super – jeder denkt an Supermarkt oder sonst was Dämliches. Und ich suche ...«
»Lassen Sie es, Uli«, sagte Jochen, und eine rührende Fröhlichkeit klang aus seinen Worten, »suchen Sie nicht. Wozu Worte suchen? Wir haben ein Haus gefunden.«
Das Kaminzimmer war möbliert. Alte Bauernstühle, eine bunte Truhe neben der Holzlege, ein blauer Schrank mit roten Herzen und weißen Tauben. Jochen ging hinaus und kam mit einem Bündel Reisig wieder, legte es in den Kamin und entzündete es mit seinem Feuerzeug.
»Setzt euch, Holz zum Nachlegen ist da, es wird gleich warm. Und etwas zu trinken hab’ ich auch da. Wir müssen doch Brüderschaft trinken, Uli, Sie und ich! Sie sind doch Alexandras beste Freundin.«
Er war wie umgewandelt, der gute Jochen. Gar nicht mehr der gute Jochen, dem man vieles nachsah, sondern ein toller Mann – in einem tollen Haus ...
»Und ich glaube und glaube es nicht«, sagte ich nach einer Weile. Es klang bockig, ich merkte es. Ich hatte einen Whisky getrunken und hielt das Glas mit einem zweiten in der Hand. Sogar an Gläser hatte Jochen gedacht. »Es ist ein Traum oder eine Geschichte, die einem auch der Leser nicht recht abnimmt – also, so dick aufzutragen brauchte der Autor nicht! ›Etwas glaubwürdiger bitte‹, würde der Verleger sagen. ›Streichen Sie oder schwächen Sie wenigstens ab.‹ Oder der Lektor. Oder der Kritiker, wenn es wirklich die Druckerschwärze überstünde.«
»Und keine Treppen!« erinnerte Uli, ungerührt von meinen Darlegungen, sie sieht alles mit praktischen Augen an. »Alles zu ebener Erde, einfach das Haus, das sich jeder seit eh und je gewünscht hat. Ich jedenfalls.«
»Und du? Du auch?« fragte Jochen und sah mich von der Seite an. Ich erwiderte seinen Blick und nickte, stumm, aber nachdrücklich. Später ging er hinaus und blieb eine Weile weg.
»Sei ehrlich: Hättest du das gedacht?« fragte ich schließlich, mich aufraffend. Uli schüttelte den Kopf. Sie verstand genau, was ich meinte.
Geborgenheit, Freundlichkeit, einen guten Verdienst, gleichmäßig liebevolle Behandlung – dies alles konnte man von einem Mann wie Jochen erwarten. Solch ein Haus aber ...
»Na bitte, und wer hat immer geunkt!« konnte ich mir doch nicht verkneifen zu sagen. Uli hätte jetzt leicht mit »Mal abwarten« oder »Noch nicht verheiratet« oder ähnlichem Alte-Tanten-Quatsch kommen können, sie tat es jedoch nicht. Sie streckte die Beine der trocknen Feuerluft entgegen, lehnte den Kopf zurück und breitete die Arme aus.
»Nie wieder werde ich unken! Nie wieder werde ich – hach! Du mußt ein Glückskind sein, ein Götterliebling, Lex, wahrhaftig. Bist du an einem Sonntag geboren, oder besinnst du dich nicht mehr?«
»Doch. Mutter hatte einen dritten Sohn erwartet und verlor eine hohe Wette, weil ich nur ein Mädchen war. Der Sohn sollte Alexander heißen und erst vierzehn Tage später auf der Bildfläche erscheinen. Bis dahin wollte sie noch die ganze Wohnung durchputzen, Vaters Doktorarbeit abtippen, zwei Mäntel für meine schon vorhandenen Brüder nähen und den Ertrag des Obstgartens einkochen. Sie hatte dies alles für besagte vierzehn Tage geplant und aufgespart, ›um ausgelastet zu sein‹. Ich spielte ihr aber den Possen, zu zeitig zu kommen und die erste, gottlob in ihrer Art einzig bleibende Tochter zu sein, häßlich wie die Nacht. Ich hatte schwarze Locken am Hinterkopf und vorn eine Glatze – Mutter erzählt das noch heute – und brüllte vierundzwanzig Stunden. Als die Hebamme am nächsten Morgen wiederkam, sagte sie: ›Sie schreit ja schon wieder.‹ – ›Noch‹, seufzte Mutti. Sie hat bis heute über mich geseufzt. Und sehr oft zu Recht.«
»Jetzt wird sie aufhören«, sagte Uli apodiktisch.
»Sie wird nie aufhören. Nie.« Plötzlich wußte ich, daß die Sorgen von Mutti um ihre einzige Tochter noch nie so berechtigt gewesen waren wie gerade jetzt. So bedrohlich ernst. Ich wollte es nicht wissen ...
›Wenn ich schon im Begriff bin, etwas Vernünftiges zu tun‹, rebellierte ich. ›Nein, nun ist es entschieden. Seid stille alle miteinander!‹
Es hatte ja niemand etwas gesagt. Aber ich hatte es sehr deutlich gehört.
Jochen kam wieder herein, setzte sich ans Feuer, rieb sich die Hände. Uli gab ihm einen Whisky herüber. Er sah nachdenklich die klare Flüssigkeit an, ehe er das Glas an den Mund hob.
»Auf das Haus. Auf unser Haus«, sagte er dann leise und trank es aus. Später erzählte er, daß er hinüber in die Telefonzelle gegangen sei und den Kauf des Hauses perfekt gemacht habe. Zugesagt, endgültig.
»Schön, Alexandra?«
»Traumhaft schön, Jochen.«
Plötzlich war etwas Neues da. Etwas Ungeahntes, Überraschendes, etwas, das eine bisher vorhandene Lücke füllte. Was aber? Ich wußte es nicht, vermochte nicht, es zu benennen, fühlte es nur, das aber sehr stark. Dankbarkeit – nicht für das Haus, für etwas viel Kostbareres –, Rührung, Hochachtung, Zuneigung – dies alles war dabei, aber nicht nur dies. Liebe? Ich wagte nicht, dieses Wort zu benützen. Ich sah Jochen an, voll dieses neuen Gefühls – tief angerührt, ja, aufgerührt, und etwas beschämt: Ich bin es nicht wert ...
»Ja, Jochen, traumhaft schön«, sagte ich nochmal, und dabei wurden meine Augen naß. Das war ein Ja, ich merkte es, indem ich es aussprach. Das Ja. Und mir war gar nicht mehr zweifelnd zumute, sondern so, wie man sich in einem warmen Bad ausstreckt: glücklich, gelöst. Ich hatte so etwas noch nie erlebt.
›Die beiden müßten jetzt allein sein‹, fühlte Uli sehr genau und grübelte, welchen Grund, sofort wegzumüssen, sie sich in Windeseile aus den Fingern saugen könnte. Aber ihre Phantasie ließ sie im Stich, es saß sich allzu köstlich hier.
›Wie gut, daß Uli da ist‹, dachte ich, ›auf diese Weise halte ich wenigstens den Mund. Wenn ich das sagte, was ich eben feststellte – nein, das bring’ ich nicht fertig. Jochen – wer hätte das gedacht.‹
»Bedauerlich, daß man nicht mehr das alte Germanentum des Brautraubes pflegt‹, dachte Dr. Joachim Schneider, ›sondern die Zeit des Aufgebotes abwarten muß.‹ Dieser verwegen revolutionäre Gedanke war zweifellos der absonderlichste in diesem Haus, das noch keiner bewohnt hatte. Und daß er ausgerechnet diesem Mann kam, zeigt, wie sehr der Mensch von seiner Umwelt geprägt wird.
Das dicke Ende kam nach. Als wir heimkamen, lag ein Zettel da, ich solle Mutti anrufen. Mir schwante nichts Gutes. Solche Zettel sind meist Anzeichen von »catastrophe, catastrophe!«, wie unser französischer Austauschstudent zu sagen pflegte, sooft Mutti angebraust kam: »Du mußt aber sofort ...«
Ich tat also sofort. Jochen war weggefahren. Er hatte Uli und mich treu nach Hause gebracht und sich dann wohlerzogen verabschiedet. Zu zeitig, wie man sah. Ein anderer – einer von unsern Jungen etwa, die in unserm Alter und oft in ähnlichen Schwierigkeiten sind wie wir – wäre noch mit raufgekommen.
Nun sah es bei uns, zugegeben, nicht übertrieben ordentlich aus, man erinnere sich an den Spiegel. Insofern war es ja gut, daß er nicht hereinsah. Es ist gewiß unklug, künftige Ehemänner unnötig zu schocken. Aber er hätte den Zettel miterlebt und das anschließende Gespräch.
Mutti war sehr froh, daß ich anrief.
»Ronald hat sich das Schlüsselbein gebrochen, du mußt dich mal um ihn kümmern«, sagte sie, »ich kann nicht weg, wirklich nicht. Vater muß nach der letzten Attacke gehütet werden wie ein kleines Kind, ich kann ihn nicht eine Stunde allein lassen. Aber du hast ja den Wagen und bist nicht weit von Lauterbach.«
»Ich hab’ den Wagen nicht mehr, Mutti ...«, ›und ich bin mit Jochen Schneider verlobt und ziehe in ein wunderbares Haus ...‹ Komisch, es kam nicht über meine Lippen. Aber Lauterbach, Lauterbach!
»Verkauft? Wie dumm. Könntest du nicht trotzdem ...« Mutti ist es gewöhnt, daß ihre Kinder, Söhne wie Tochter,