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Stark wie die Mark. Rudolf Stratz
Читать онлайн.Название Stark wie die Mark
Год выпуска 0
isbn 9788711507179
Автор произведения Rudolf Stratz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Die Türe zum Saal öffnete sich. Man hörte einen Augenblick eine Stimme, die gleich wieder erstarb.
„Wer spricht denn?“
„Immer noch Virchow, Exzellenz!“
„Pah!“ sagte der alte Herr von Bornim und rauchte. Er war gealtert in diesen letzten drei, vier Jahren. Immer noch leuchteten seine blauen Blücheraugen kriegerisch in die Welt. Aber das Gesicht war kleiner geworden und, in all seiner gefurchten Strenge, verfallen. Diese schwere Erkältung bei der siegreichen Septennatswahl, gerade jetzt vor einem Jahr ... wozu waren eigentlich die Esel von Ärzten auf der Welt, wenn sie einen alten Mann wie ihn seitdem nicht mehr wieder recht auf die Beine brachten?
Um ihn herum Parteigenossen. Herren von altem Schrot und Korn. Stützen des Throns. Der Abgeordnete Dr. von Pfeiffendorf-Pfiffel, der erst diesen Morgen von seinen schlesischen Gütern in die Stadt gekommen war, beugte den wettergebräunten Kahlschädel vor und erkundigte sich besorgt und halblaut: „Wie ist das mit dem Befinden von Majestät?“
Ein allgemeines, vielsagendes Kopfschütteln. Hier wusste man mehr und wusste es früher als bei den anderen Parteien ...
„Der plötzliche Tod seines Enkels in Baden ... Majestät kommt nicht darüber hinweg ...“
Ein nachdenkliches Schweigen. Vielleicht würde es ja auch wieder besser ...
Der Fürst Hunold von Elch-Altelch, ein riesenhafter, blonder Mann, blieb im Vorbeikommen stehen.
„Wissen Sie vielleicht: Ist Moltke im Haus?“
Jawohl. Der Feldmarschall war da. Innen im Saal. Hörte gewissenhaft den Rednern zu, als die Verkörperung preussischen Pflichtgefühls. Immerhin erschien er nur bei grossen Anlässen. Dazu war heute kein Grund. Allerdings: Bismarck war in Berlin. Man konnte nie wissen, wann sich um die Ecke herum, von der ganz nahen Wilhelmstrasse her, Blitz und Donner entlud.
Durch die Glastüre der Wandelhalle erschien ein junger, schlanker, hochaufgeschossener Leutnant im Überrock der Gardeinfanterie, zu Mitte der zwanzig, einen dunkelblonden Schnurrbart in dem dienstlich-straffen, lebhaften und hochmütigen Gesicht. Er hatte eine zwingende Selbstverständlichkeit an sich, mit der er die Einwendungen des Türhüters durch eine lässige Handbewegung abschnitt, und der alte Herr von Bornim sprach erfreut zu den anderen: „Da kommt mein Jüngster!“
Achim von Bornim trat heran. Er verbeugte sich mit der lächelnden Wohlerzogenheit eines korrekten jungen Offiziers vor den Herren. Der Alte stellte ihn vor und sagte dann: „Ich hab’ dich kommen lassen ... ich muss etwas mit dir besprechen ... setz dich einstweilen ... ich bin gleich so weit ...“
Dabei eilte er auf einen kleinen, im Saal auftauchenden Herrn mit viel zu grossem Kopf und dem Gesicht eines geistvollen Froschkönigs zu, dem viele Blicke folgten. Er winkte: „Einen Augenblick, Kollege!“ Windthorst blieb stehen, und die beiden kleinen Exzellenzen, die sich trotz ihrer getrennten Lager in bibelfestem Glauben trafen, vertieften sich in ein eindringliches Wispern ...
Achim von Bornim war inzwischen, straff aufgerichtet, den Säbel zwischen den Knieen, bei den anderen Abgeordneten sitzen geblieben. Der Fürst von Elch, dem der junge Leutnant gefiel, zog ihn wohlwollend ins Gespräch.
„Wie lange sind Sie schon Offizier?“
„Drei Jahre, Durchlaucht!“
„Und es gefällt Ihnen?“
„Famos, Durchlaucht!“
„Gehen Sie denn auch viel aus?“
„Jawohl, Durchlaucht! Diesen Winter war ich auch zu Hof befohlen!“
„Nun — da haben Sie wohl Einladungen genug?“
„Zu Befehl, Durchlaucht! Beinahe in allen Ministerien und Botschaften!“
„Und das macht Ihnen Spass — wie?“
„Sehr, Durchlaucht!“
„Er ist nicht fürs Kasinohocken!“ sagte Exzellenz von Bornim, von seiner Unterredung mit der Perle von Meppen zurückkehrend, und klopfte seinem Sohn auf die Schulter. „Er weiss, dass man von Skat und Bier nur dick und dumm wird ... Und dumm ist er nicht! Ja, schau nur so scheinheilig drein, mein Sohn! Dich kennt man! ... Du bist ’n geölter Aal! Um dich ist mir nicht bange ...“
„Hans Christoph lässt grüssen, Papa!“ sagte Achim, sofort mit einem instinktiven Takt das Gespräch von sich abwendend. „Ich war gestern mit ihm zusammen und mit ’nem Haufen anderer Diplomaten. Ich glaub’, ein paar von denen wissen mehr von ihm als er selber. Sie machten so Anspielungen, als würde er nächstens nach Südamerika verschickt. Er hat aber nichts davon gemerkt!“
„Ach, er merkt ja nie etwas!“ meinte Exzellenz von Bornim trocken. Der Fürst von Elch-Altelch erkundigte sich leutselig: „Sie sind viel mit Diplomaten zusammen, Herr von Bornim?“
„Ja, Durchlaucht! ... Man hört doch mal was anderes als den Kommiss. Es rostet einem ja auch sonst das Englisch und Französisch ein ... Ich hatte vorige Woche den Vorzug, einem Neffen Eurer Durchlaucht während seines Berliner Aufenthalts als Begleiter dienen zu dürfen.“
„Ach ... der kleine Belgier! ... Der Christoph Bergham!“
„Jawohl, Durchlaucht! ... Seine Hoheit war sehr gnädig!“
Der Leutnant von Bornim sass straff und ehrerbietig da. Seine ganze Haltung drückte unauffällig das volle Gefühl der Ehre aus, sich im Gespräch mit einem Manne wie dem Fürsten Elch, dem allmächtigen schlesischen Magnaten und dreissigfachen Millionär, zu befinden. Herr von Pfeiffendorf, der derbe Landjunker, sagte unverblümt zu dem alten Bornim: „Hätten Sie lieber den da Diplomat werden lassen, Exzellenz, statt Ihres Ältesten!“
„Der Hans Christoph übernimmt doch einmal das Gut. Wieviel Seide er inzwischen im Auswärtigen Amt spinnt, ist schliesslich egal. Und der Bengel da — der beisst sich schon durch! Der verschimmelt nicht in der Kaserne. Den seh’ ich schon als prinzlichen Adjutanten oder zu einer auswärtigen Botschaft kommandiert. Vor dem liegt die Welt offen!“
Neben ihm lachte der sonst so würdevolle, riesige Fürst laut auf und meinte: „Woher wissen Sie denn nur um Gottes willen, in welchem Wahlkreis ich gewählt bin, Herr Leutnant von Bornim?“
„Oh, Durchlaucht — das interessiert mich doch — Ich hab’ die Wahlen voriges Jahr genau verfolgt, wo sie doch so kolossal anständig ausgefallen sind! Ich bin auch oft auf der Tribüne und hör’ zu!“
Der Magnat stand auf und drückte dem jungen Offizier die Hand: „Hat mich sehr gefreut, Herr von Bornim! ... Lassen Sie sich mal bei mir sehen, hier in Berlin!“
„Ich danke gehorsamst, Durchlaucht!“
Achim von Bornim verbeugte sich tief vor dem sich entfernenden Grossen des Landes. Sein Vater warf den anderen einen Blick zu: ‚So macht er’s! Wickelt sich die Leute um den Finger!‘ Dann rückte der junge Gardeoffizier seinen Ledersessel zu ihm heran und lachte vergnügt: „Zwei Fliegen mit einer Klappe, Papa! ... Von neulich her krieg’ ich todsicher einen belgischen Piepmatz versetzt — na, wenig, aber mit Liebe — und heute die Einladung zu den Elchs ... Bei denen in der Vossstrasse verkehrt, was gut und teuer ist ... Nächste Woche bin ich zum letzten Hofball befohlen. Nee: der Winter war wirklich tip-top ... hat mich kolossal vorwärtsgebracht ...“
„Nächsten Mittwoch ist unsere grosse Volksversammlung!“ sagte hinter ihm ein Herr zu den Abgeordneten. Er trug einen dunklen Kaisermantel und hielt seinen Schlapphut in der Hand, ein Zeichen, dass er nicht zu den Reichsboten selbst gehörte. „Kommen Sie nur hin, meine Herren! Entdecken Sie Berlin! Was wissen Sie hier von der Not des Nordens?“
Er sah in seiner straffen Haltung, mit seinem schnurrbärtigen energischen