Скачать книгу

Abneigung des Altadels gegen geistige, musische (und dabei gefürchtete) Disziplinlosigkeit steckte, wie sie seit langverschollener Zeit dem kämpferischen Ritterwesen gegenüber dem geistigen, geistlichen Stand eigen war, wurde der Mutter nicht bewußt.

      Die hockenden Buchstabenknechte in den Klöstern, denen, weil sie lesen und schreiben konnten, Bildung und Gelehrsamkeit anvertraut waren, empfand man als die gegebenen Kontrastfiguren des Herrn, des Kriegers, des beweglich Einsatzfrohen, Mutigen; sie waren untergeordnete Dienstleute, die allenfalls Tradition aufschrieben und festhielten, aber nicht aus eigener Kraft schufen.

      Freilich waren inzwischen die Uradeligen belesene, gebildete Leute.

      Doch gab es auch solche, die sich »ritterbürtig« dünkten, ohne es eigentlich zu sein, solche, die ihre Vornehmheit durch Geist zu ersetzen glaubten, den sie besser Geistreichelei genannt hätten. –

      Adelig war die Frau von Bornstedt, von der nichts anderes zu erwarten war, als daß sie sich irgendwann einmal an Annette heranmachte und sich an ihrer »Dichterei« – wie sie sagte – zu wetzen versuchte. – Eine im Grunde törichte, unbedeutende Person, die mit ihrer Beckmesserei und ohne Gefühl für Echtheit das allgemeine Urteil in den Kränzchen und Teezirkeln bestimmte und die mit ihrem Genörgel der Frau von Droste keine Ruhe ließ, ehe sie nicht noch einmal und diesmal durch die Mehrheit, ihr Urteil bestätigt sah, ihr Urteil, daß Annette ein unlogisches, willkürliches, verschwommenes Gebilde für Dichtung ausgebe, und daß sie besser schwiege.

      Annette schwieg ohnehin. Sie bat die Mama, nie mehr irgendeins ihrer Gedichte öffentlich preiszugeben, sie nahm ihr bitter übel, daß sie das schon Schlüter gegenüber ohne ihre Zustimmung getan hatte, aber sie war töchterlich-gehorsam genug, um auch diese Bitten nur schüchtern und angedeutet zu äußern.

      Frau von Droste verstand bei aller liebevollen Einsicht nicht allzuviel von den Versen ihrer Tochter, nichts schwang da mit, nichts blieb als untilgbare Melodie in ihren Ohren, nichts als unvergängliche Erschütterung, als Erkenntnis, als Signum für das Bedrohend-Ungenannte in ihrem Sinn, so scharf ihr Verstand, so hell ihre Logik auch waren. – Ihr fehlte die Melodie, das Sensorium, das schlafend als Empfindung in ihres Mannes skurrilen Spielereien lebte.

      Annette verlangte nach Widerhall, nach Antwort und Kritik. Aber das »Walter-Epos«, ihr erstes größeres Werk, ein Rittergedicht, das sie 1812 verfaßte, war von Schlüter abgetan worden. Sie verlangte nach der Zustimmung der verehrten Mama, aber die gab sie nur halbherzig. Ihr war nicht wohl bei den ekstatischen Aufschwüngen, den brennenden Augen der vorlesenden Tochter.

      Annette selber fand schließlich einen Weg für ihr unstillbares Verlangen: In Bökendorf lebte die Stiefgroßmutter, die man in den Dörfern eine Heilige nannte, und die ihre große Kinderschar mit einer immer gelassenen Zuversicht regierte, die sie aus ihrer starken Frömmigkeit zog.

      Da ihre jüngeren Kinder im Alter der Hülshoffschen waren, las sie auch Annette aus der Bibel vor, und ihre ehrfürchtige Gläubigkeit machte der empfänglichen Annette tiefen Eindruck.

      Diese Großmutter von Haxthausen, Maria Anna, wies das Mädchen auf ein Thema hin, das es beschwingte: Annette sollte das »Geistliche Jahr« in Versen verklärend beschreiben, alle Kirchenfeste und das Erleben der Gläubigen schildern, ein großes Epos oder einen ausgedehnten Gedichtzyklus gestalten.

      Annette verehrte die Großmutter herzlich. Ihr Anliegen nahm sie willig auf und begann, das Kirchenjahr in Versen auszudeuten. – Und diese Verse endlich erschlossen Schlüter den Weg zu Annettes Dichtertum.

      Erwacht! der Zeitenzeiger hat

      Auf die Minute sich gestellt;

      Dem rostigen Getriebe matt

      Ein neues Rad ist zugesellt;

      Die Glocke bebt, der Hammer fällt.

      Wie den Soldaten auf der Wacht

      Die Ronde schreckt aus dumpfer Ruh’,

      So durch gewitterschwüle Nacht

      Ruft uns die Glockenstimme zu:

      Wie nennst du dich? Wer bist denn du?

      Ist es ein schwacher Posten auch,

      Auf den mich deine Hand gestellt:

      So ward mir doch des Wortes Hauch,

      das furchtlos wandelt durch die Welt,

      Ob draus es dunkelt oder hellt.

      Der Weckruf, den Annette in diesen Versen gestaltet und der sie so mächtig getroffen hatte wie er den erstaunten, erschütterten Schlüter berührte, kam aus ihrem Innern, ihrem religiösen Leben, dem Schlüter mehr und mehr aufhelfen wollte; er sah in solcher Hilfe die Rettung für ihre Unruhe, für ihr Genie, das ihm immer deutlicher aufging, und zugleich einen Weg im Sinn ihrer frommen Mama.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4AAQSkZJRgABAgAAAQABAAD/2wBDAAgGBgcGBQgHBwcJCQgKDBQNDAsLDBkSEw8UHRofHh0a HBwgJC4nICIsIxwcKDcpLDAxNDQ0Hyc5PTgyPC4zNDL/2wBDAQkJCQwLDBgNDRgyIRwhMjIyMjIy MjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjL/wAARCBAnDBwDASIA AhEBAxEB/8QAHwAAAQUBAQEBAQEAAAAAAAAAAAECAwQFBgcICQoL/8QAtRAAAgEDAwIEAwUFBAQA AAF9AQIDAAQRBRIhMUEGE1FhByJxFDKBkaEII0KxwRVS0fAkM2JyggkKFhcYGRolJicoKSo0NTY3 ODk6Q0RFRkdISUpTVFVWV1hZWmNkZWZnaGlqc3R1dnd4eXqDhIWGh4iJipKTlJWWl5iZmqKjpKWm p6ipqrKztLW2t7i5usLDxMXGx8jJytLT1NXW19jZ2uHi4+Tl5ufo6erx8vP09fb3+Pn6/8QAHwEA AwEBAQEBAQEBAQAAAAAAAAECAwQFBgcICQoL/8QAtREAAgECBAQDBAcFBAQAAQJ3AAECAxEEBSEx BhJBUQdhcRMiMoEIFEKRobHBCSMzUvAVYnLRChYkNOEl8RcYGRomJygpKjU2Nzg5OkNERUZHSElK U1RVVldYWVpjZGVmZ2hpanN0dXZ3eHl6goOEhYaHiImKkpOUlZaXmJmaoqOkpaanqKmqsrO0tba3 uLm6wsPExcbHyMnK0tPU1dbX2Nna4uPk5ebn6Onq8vP09fb3+Pn6/9oADAMBAAIRAxEAPwD0X5T1 pcDtTQDnmlJxxXlHUJjmkPFHNOAz1oAcqKBnvSqOaQLQv3qAHEc0oGKCMHNLkEUAJuFAbB68Uhz7 UzigCRmA6d6ZuwOKbkHrQDigBwJPWnEkVGz+lLkmgBw+brSlBTAcUpNAxpSkA5pxPHUUm4DmgQFR vHFPAz0ppfJzSBjmhAOZTTelLuJpWx3BpgAUEUhAFJupMg0CDnPtTgg696bnnFL1FABIAByMmmxk 4INO38baZjB4pDHH5eaQkngGlHzdaYV2tkGhCHbcDJ60xju4pGbc3FKnA5FMByDAqQVEMnkU5SSc Uhj8U3FLuGOopuR65oAcKUDGaQHNLu5xg8UAL91TUZwDmnlh6GmqAxpoQMi9c803bnqadn0xmmiR gcECgB4QD71IQD0pu/f1pM44BpDF207BCdKj3c4p4kKjB6UAIFBWlC9qdkleBTN/bnNAC7NozTev NG4k+1Jgk8UADErSA7qOhwacW28YoAdyeD0pDjPFNDHv0oJAoAXaTQE7g03zDQp54zQA7nv2pcEj cKTljx260MxHAoAYWOacppgOT0NSqOKAFBHpQSScDpS8j0o3YoAaDzg07PpSEgj3pCxzQAYOcnpQ adjjNNNAABjk9KCc9OlKvoelKwwOKAGe1G3b+NPAFIwJoAjYULUhXjNMoAQ88UmAppdu7vQQB0oA lVlIprDPSkUg9etKfagBhBBpVBxQQPWm8g8UgHkkrilVGUDmkB5pxAPOaAAnIxSqKReRgdadgigA JAoVyaa3XmjO3pQArYpdoxSDBpzFduB1oAhYAUKBjOKeU3U9Bt4PSgCHaeaYWAOKlcAnjNQvGetA xwHIx3qVMjK561

Скачать книгу