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Bilde des Narren, der mit demütigem Gesicht und einem höhnischen Lächeln um die verkniffenen Lippen, niederschaute zu der letzten Wulffenberg, vor deren Ahnen er einst in dem Gewand aus grün und lila Dreiecken seine Possen hatte treiben müssen.

      Um so tollere Possen, je mehr ihm das Herz im Leibe wehe getan.

      Lange, lange war das her.

      Damals gehörten den Fürsten Wulffenberg noch dreissig Dörfer oder mehr und Dutzende von Höfen. Heute schenkte der Nachkomme des Narren der letzten Wulffenberg einen Ring.

      Es war ihr erster und einziger Ring, den sie besass, denn es gab keinen Schmuck mehr in der Familie, ausser der kleinen Krone, von der sie ja heute erst erfahren.

      Margarete nickte dem Bilde zu.

      „Darfst so höhnisch lächeln, wie du willst, Kaspar Westfal, das Glück ist jetzt auf Seite deiner Enkel. Die Enkel von denen, die dich einst quälten, sind arme Weibsleute, der Name, vor dem du dich ducken musstest, ist schon im Mannesstamm erloschen.“

      Margarete war es, als blicke Kaspar Westfal jetzt zufriedener.

      Sie sann allerlei, träumte mit offenen Augen in dem flimmernden, durch die hohen Scheiben brechenden Mittagssonnenschein, und dann fielen ihr die Lider zu.

      Da bewegte sich plötzlich die Gestalt im Rahmen, wie es ihr schien, und stieg mit gravitätischer und sehr komisch anmutender Wichtigkeit nieder. Die kleinen blanken Schellen am zackiggeschnittenen Kragen fingen an zu läuten, die Schellen an der Narrenkappe verstärkten das Geräusch, das so klang, als ob ein Schlitten nahe

      Margarete wollte aufspringen, wollte fliehen, doch vermochte sie kein Glied zu rühren vor Angst und Staunen.

      Der Narr stand nun dicht vor ihr.

      Er rückte mit den Schultern und da schwand sein Höcker und er war gerade gewachsen, genau wie Hans, sah ihm auch plötzlich zum Verwechseln ähnlich und jetzt sprach er auch mit der Stimme von Hans.

      „Ich bin für dich der liebste Mensch, den du kennst und du bist mir das Liebste auf der weiten Welt, denke stets daran, Gretel.“

      Durch die halbgeöffnete Tür des Pavillons blickte das frische hübsche Gesicht Fräulein von Steins.

      Sie sah die Prinzessin in anscheinend tiefen Schlaf versunken.

      Leise trat sie näher, fasste sie sanft an der Schulter.

      „Gretel, wach auf, wach auf!“

      Die grauen Blauaugen öffneten sich, blickten verständnislos umher.

      Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Prinzessin begriff, dass sie eingeschlafen gewesen.

      Sie schaute zu dem Bilde empor.

      Der bucklige Narr, Kaspar Westfal, war nach wie vor in den schweren, schwarzen Rahmen gebannt.

      Else von Stein lachte.

      „Schlafmütze! Hast doch nicht etwa deinen Besuch verschlafen?“

      Margarete schüttelte den Kopf, zeigte der Aeltesten den Ring.

      „Mein Konfirmationsgeschenk!“ erklärte sie glücklich, „aber Grossmama darf es nicht sehen, sie ist so grenzenlos stolz und würde mir verbieten, von Hans Westfal Geschenke anzunehmen, denn bei ihr beginnen die Menschen erst beim Adeligen.“

      Else von Stein nickte.

      „Den Ring darfst du der Fürstin nie zeigen. Er ist überdies ziemlich kostbar. Doch nun komm, es ist gleich Tischzeit und wir dürfen Ihre Durchlaucht nicht warten lassen.“

      Eilig gingen beide Mädchen dem Schlosse zu.

      Else von Stein dachte, dass dieser Ring, wenn er der Fürstin vor die Augen käme, für Margarete eine böse Stunde heraufbeschwören würde.

      Ob Hans Westfal der Prinzessin den Ring wohl in aller Harmlosigkeit gegeben hatte, oder ob da schon, wie sie vermutete, heimliche Wünsche mitsprachen, heimliche Zukunftswünsche?

      Es war doch merkwürdig, dass dieser Einundzwanzigjährige noch immer so treu die eigenartige Kinderfreundschaft hielt.

      Seit den zwei Jahren, die sie im Schlosse lebte, versäumte Hans Westfal es nie, bei seinen Ferienbesuchen ein paar Plauderstündchen mit Margarete im Pavillon abzuhalten.

      Wenn das so weiterging, gab es eines Tages mit der Fürstin einen ordentlichen Tanz, darauf durften sich Hans Westfal und die Prinzessin schon heute gefasst machen.

      Und falls sie selbst dann noch im Hause war, würde ihr die alte Dame die Hauptverantwortung zuschieben.

      Und eigentlich nicht mit Unrecht.

      „Else?“ Margarete blieb stehen.

      „Was denn, Gretel?“

      „Du, Hans Westfal ist wirklich der liebste Mensch, den ich kenne, ich habe ihm das heute auch gesagt.“

      „Hmm!“ machte Else von Stein ganz lang gedehnt. Sie war doch sieben Jahre älter als die Prinzessin, und in diesem lang gedehnten Hmm! lag eine Menge Lebensweisheit, die Fräulein von Stein aber lieber für sich behielt.

      Zwei Tage später liess Margarete den jungen Studierenden der Technischen Hochschule wieder in den Pavillon ein.

      Hans Westfal sah so freudig erregt aus, dass es dem jungen Mädchen sofort auffiel.

      Er lief im Pavillon umher, schien zu unruhig, um sich zu setzen.

      „Ich kann nur ein paar Minuten, höchstens eine Viertelstunde bleiben, Gretel. Professor Tauber hat mir telegraphiert, er lädt mich nach München ein, wo er sich zurzeit aufhält. Er will von dort aus eine Umreise durch Bayern unternehmen, verschiedene technische Sehenswürdigkeiten will er beschauen und prüfen. Er möchte mich überallhin mitnehmen. Er strahlte. „Du, das ist eine grosse Auszeichnung, um die mich alle Studiengenossen beneiden würden. Ich reise natürlich! Heute schon fahre ich. In zwei Stunden muss ich fort und habe noch nicht gepackt. Mutter unterdrückte eine Träne, weil ihr Aeltester sie so bald wieder verlässt, aber sie begreift die Vorteile für mein Studium, meine Zukunft.“

      Margarete neigte ein wenig den Kopf. Es tat ihr bitterleid, dass Hans schon wieder fort musste, dass es nun schon wieder vorbei war mit den reizvollen Zusammenkünften, aber es war ja für Hans gut, so in der Gunst seines Professors zu stehen.

      Es bewies, dass Hans ein besonders Tüchtiger sein musste.

      Sie hob den Kopf.

      „Es ist schade, dass deine Ferien für mich schon zu Ende sind, aber ich freue mich mit dir über die Auszeichnung.“

      Sie sahen sich beide an und in Hans Westfals Brust wuchs der hoffende Gedanke: Du willst dir das schmale Mädel erringen!

      Wenn aus dem Backfischchen eine junge Dame geworden sein würde, dann musste er es geschafft haben, dann musste er es soweit gebracht haben, dass die hochmütige Fürstin ihm, wenn Margarete ihn liebte, die Hand der Enkelin nicht verweigern durfte.

      Er trat ganz nahe an die Prinzessin heran.

      „Nun werde ich erst im Spätherbst, vielleicht auch erst Weihnachten, wiederkommen. Frage nur um die Ferienzeiten bei meiner Mutter nach. Und dann Gretel, vergiss mich nicht, ich möchte dein bester Freund bleiben. Immer! Ich möchte für dich der liebste Mensch auf der Welt beiben! Immer!“

      Margarete Wulffenberg hatte plötzlich Tränen in den Augen.

      „Diesmal warst du gar zu kurz hier, wir haben uns gar nicht richtig ausplaudern können wie sonst,“ klagte sie, „das tut mir so leid.“

      Er zog ein kleines Batisttuch aus der Brusttasche, fuhr ihr lächelnd über die Augen.

      „Die kleine Gretel heult!“

      Er wollte selbst über das Abschiedsweh hinwegkommen.

      Nun lachte sie auch, lachte unter Tränen zu ihm auf.

      „Lass es dir gut gehen, Hans, und auf frohes

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