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Schlimmste für sie alle war, daß sie in Stücke gerissen waren, getroffen von den Stahlblättern der Turbinen. Er konnte es schmecken, ihr Blut und ihre Galle. Sie trieben als Aas ans Ufer, wo sie sich zwischen Steinen verkeilten, während ein fauliger Gestank sich über dem Wasser ausbreitete. Ihm wurde übel. Es kostete ihn große Anstrengung, sich nur in seine Geistergestalt zu verwandeln und den entkräfteten Fluß zu verlassen.

      Später, als er sich ans Ufer gesetzt hatte, um auszuruhen, kam ein Geist durch das Gras auf ihn zugegangen. Er wußte instinktiv, daß es Tumor war, weil nur Tumor diese Aura von Unvorhersehbarem um sich hatte. Weiterhin strahlte Tumor eine in Foss Augen eigentümliche Kraft aus, die eine reiche Variation von Ausdrücken annehmen konnte. Er hatte jetzt, so wie er es immer hatte, seit der Zeit, als der Geist der Menschen sich plötzlich in ihren Kreis eingereiht hatte, ein starkes Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber allem, was Tumor betraf, und was er nicht verstand, und er fühlte, sich nicht wehren zu können. Er blieb ganz still sitzen, während Tumor sich näherte.

      " Sei gegrüßt, mein Bruder Foss," sagte Tumor beiläufig. Ohne besondere Einladung setzte er sich auf einen Stein neben Foss und seufzte tief. Er ließ den einen Fuß über dem Wasser hin - und herschaukeln, saß da und starrte nachdenklich auf ein Spiegelbild, das er nicht fand. Foss betrachtete ihn aus den Augenwinkeln.

      " Du siehst müde aus," bemerkte Tumor, ohne ihn anzusehen. Aber seine Stimme klang besorgt.

      " Mein Fluß ist müde," antwortete Foss mit einem Flüstern.Tumor sah auf den Fluß hinaus. Sein Blick blieb am Damm in der Ferne hängen, gleichzeitig breitete sich ein Lächeln über sein Gesicht. Es war etwas hochmütiges in seiner ganzen Haltung, etwas, das Foss bemerkte, aber nicht verstand.

      Tumor drehte ihm sein Gesicht mit einem plötzlichen Ruck zu, und starrte ihn mißtrauisch an.

      " Wo bist du gewesen?" fragte er. " Ich habe dich lange Zeit nicht gesehen." Er sah ihn durchdringend an.

      " Hier und da," antwortete Foss ausweichend. Er versuchte, Tumors festen Blick zu erwidern, aber im Innersten fühlte er sich schwach beim Zusammentreffen mit Tumor.

      " Und wo sind die anderen?" blieb Tumor bei mit zusammengekniffenen Augen.

      " Hier und da," antwortete Foss wieder.

      " Hmm," murmelte Tumor. Einen Augenblick sagte er gar nichts, saß da und sah aus, als ob er über dieses oder jenes nachdachte. Dann wandte er sich wieder an Foss.

      " Ihr verheimlicht etwas vor mir." Er reckte das Kinn vor. " Aber ich werde noch herausfinden, was es ist. " Er erhob sich und streckte seine Geisterglieder.

      Da es nun den Anschein hatte, als wolle er gehen, sah Foss zu ihm auf und sagte:

      " Was ist das für eine Mauer?" Er hatte die Hand gehoben und zeigte auf den Damm in der Ferne. " Und wo ist Deer?" Er hatte ein leichtes Zittern in der Stimme. Tumor bemerkte das auch, und beobachtete ihn kurz. Darauf verzog er die Lippen zu einem verschwiegenen Grinsen. Ohne zu antworten, drehte er sich um und wanderte weg, hinein in den Wald.

      Foss blieb zurück und folgte ihm mit den Augen. Sein ganzer Körper zitterte ungehemmt und in seinen Geisteraugen, die die blubbernde, sprudelnde, aber auch blinde Hingabe für das Leben um ihn herum auszudrücken pflegten, brannte ein glühender, wahnsinniger Zorn auf den, den er im Gehölz verschwinden sah.

      Irgendwann im Laufe der Nacht war seine Schwester, die Geistfrau des Mondes, zu ihm gekommen. Sie hatten sich gegenüber auf Steinen gesessen, ohne daß einer von ihnen etwas gesagt hatte. Dark hatte völlig still dagesessen und auf den Fluß geschaut, der im Mondlicht dahinfloß. Foss, der ihr Gesicht beobachtet hatte, war sicher, daß ein Hauch von Schmerz in ihrem Blick war. Später hatte sie sich erhoben und war in den schwarzen Nachthimmel zu den Sternen fortgezogen.

      Er liebte Dark. Dark und Liv waren die Geister der Sterne. Sie hatten derartig schwer durchschaubare Kräfte, daß selbst die übrigen Geister ihr Schaffen nicht erklären konnten. Sie sprachen nie darüber. Sie waren in der Lage, viele Dinge vorauszusagen, und ihre Weissagungen schlugen niemals fehl. Foss wußte, daß auch Tumor versuchte, etwas über diese Kräfte herauszufinden; er wußte von Nebel, daß die Menschen nach einem Weg zu dieser Weissagungskraft suchten, die versteckt lag im gegenseitigen Spiel der Kräfte der Sterne im kosmischen Raum.

      Foss überlegte, was er von Darks sorgenvollem Blick halten sollte, bis der Tag graute und die Sonne über der Welt aufging.

      Als die Morgensonne sich über den Horizont hob, saß er immer noch in derselben Stellung da. Sein Blick richtete sich stetig auf die Stelle im Gehölz, wo Tumors Geistergestalt verschwunden war.

      Später, als er nocheinmal seine Geistergestalt verlassen hatte, und mit dem kraftlosen Strom durch die Stadt floß, fühlte er, daß alles sich verändert hatte. Er war krank. Er zog durch alles, was die Menschen in ihn hineinpumpten, anders konnte er nicht.

      Rauch von Industrieschornsteinen trieb schwarz hinunter auf den Fluß - aber es war das, was aus den Rohren unter der Erdoberfläche hinausfloß, das drohte, ihn zu ersticken.

      Er horchte danach, wie er nach Tumors Stimme gelauscht hatte. Er war nicht länger imstande, solch ein Leben zu führen, aber er war gezwungen es zu führen. Das in ihm, das lebendig gewesen war, das in ihm, das Deers Seele hatte - war in ein fauligstinkendes Gift verwandelt worden, das ihn schwächte. Ein Gift, das er mitsichführte, und das er gezwungen sein würde, seinem großen Bruder Ozean weiterzugeben.

      Auch seine lebensfrohe Schwester Gro, die auf dem Boden dieses Deltas gelebt hatte, war vernichtet. Blasen von erstickenden Gasen aus dem leblosen Schlamm, flossen langsam auf ihn zu.

      Da hörte er das Brüllen seines Bruders Ozean, der in der Ferne gegen den Kontinent hämmerte. Er wurde von einer kraftlosen Freude durchrieselt, gepaart mit Bitterkeit, weil er sich in dieser Verfassung zeigen mußte. Kurz darauf floß er tötlich vergiftet in Ozeans Arme. Sein starker Bruder nahm ihn auf und gab ihm Kraft. Auch der Geist der Luft erwartete ihn. Er hob ihn zur Sonne empor, wo er ihn in seine Geistergestalt kleidete, damit er leben konnte.

      3. Kapitel

      Sie wanderte durch den Dschungel. Sie blieb stehen, um den Duft der Millionen von Planzen einzuatmen, die alle der Grund für ihre Lebensfreude waren. Es war feucht, wunderbar feucht. Und es bebte vor Leben. Einen Augenblick glaubte sie, daß sie Deer hier finden müßte. Eine kurze Sekunde konnte sie deren summende Stimme hören. Sie rief.

      " Deer..."

      Gro war auf einer kleinen Lichtung zwischen Bäumen stehengeblieben. Schatten fiel auf sie, wie auf einen von tausenden. Sie drehte sich langsam, während sie intensiv lauschte. Von einer Stelle nicht weit weg, kam das Rauschen eines Wasserfalls zu ihr herüber, durch das dichte Gehölz. Sie drehte sich wieder und das Rauschen verschwand. Nachdem sie eine Weile so dagestanden hatte, sah sie ein, daß sie sich geirrt hatte. Sie wollte gerade die Lichtung verlassen, als ein neues Geräusch an ihr Ohr drang.

      " Gro..." Eine Stimme rief ihren Namen. Zuerst erkannte sie sie nicht, denn sie hörte sich fremd und verzerrt an.

      " Gro..." Die Stimme sprach wieder zu ihr, flüsternd. Diesmal unmittelbar in ihrer Nähe. Sie wandte sich in die Richtung, aus der sie kam. Tumor beobachtete sie im Schatten eines großen Baumes. Er stützte sich mit einer Hand auf eine herunterhängende Liane, während er sie mit leicht geneigtem Kopf betrachtete. Dann trat er auf die Lichtung und überquerte sie, auf Gro zu. Als er ein paar Meter von ihr entfernt war, blieb er stehen und warf ihr einen abschätzenden Blick zu. Etwas an seiner Erscheinung gab ihr die erste Warnung. Sie vermochte es nicht zu verbergen. Er lächelte ein wenig, als er dies entdeckte, und nickte vor sich hin. " Es ist deine Art, mich abzulehnen, der so teuflisch anziehend ist," flüsterte er heiser. Er schüttelte den Kopf mit einem ungläubig, verzerrten Gesicht. Sie verstand nicht ganz, was er damit sagen wollte, oder wollte es auch nicht verstehen.

      Tumor trat einen Schritt vor und streckte ihr die Hände entgegen. Sie fühlte ein furchtsames Prickeln in ihrer Brust. Instinktiv wehrte sie sich mit beiden Händen. Er lachte leise. Er war jetzt ganz anders, im Vergleich dazu, als sie ihn kennengelernt hatte, als er das erstemal zu ihnen in das Reich

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