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wem soll ich mich hüten?« fragte dieser.

      »Sie wollen deine Seele verkaufen!« sprach der Vogel.

      Als nun Wendelin fragte, was das bedeuten sollte, erzählte ihm die Elster Schackerack seltsame Dinge.

      »Der Hexenmeister«, sagte sie, »hat mich durch List in seine Gewalt gebracht, ob er gleich über uns Elstern nicht solche Macht hat wie über die anderen dummen Tiere, die blindlings in seine Schlingen laufen. Er weiß, daß ich den Ring des großen Magiers Girandola, den einst mein Urahn entführte und der sich in unserer Familie von Geschlecht zu Geschlecht forterbte, in sicherem Versteck halte. Diesen Ring zu erlangen, ist sein höchstes Streben, denn der Besitzer dieses Juwels gebietet über die Geister der Erde, der Luft, des Feuers und des Wassers und ist dadurch der größte Magier der Welt. Tagtäglich liegt er mir in den Ohren und quält mich, daß ich ihm den Ring ausliefern soll, allein noch immer blieb ich fest, denn ich hasse diesen Hexenmeister. Er hat mir gedroht, mich in den Zwölften, wenn die richtige Zeit ist, zu töten und Pulver gegen die fallende Sucht aus mir zu brennen; allein ich lache darüber, denn er wird nicht mutwillig die einzige Hoffnung auf den Besitz des Ringes zerstören wollen. Meine Hoffnung auf Befreiung habe ich nun auf dich gebaut, um so mehr, da ich dir als Gegengabe einen großen Dienst leisten kann und du ohne meine Warnung verloren wärest. Gestern war der unsichtbare Gast wieder hier. Weißt du, wer das ist? Es ist der oberste der Hexenmeister, der alte Urian selbst. Ihm hat Zuckermahn für seine Künste die Seele verschrieben, und am Ende dieses Jahres ist die Zeit abgelaufen. Aber noch zehn Jahre Verlängerung der Frist kann er verlangen, wenn er dem Urian eine neue Seele zuführt, und dazu bist du bestimmt. Unrettbar wärest du ohne meine Warnung verloren gewesen, denn du bist jung und unerfahren und leichten Sinnes und ungewappnet gegen die Künste des Teufels und die Gewalt böser Tränke, die den Sinn verwirren. Gib mir jetzt die Freiheit, und als Lohn will ich dich auf ein Jahr in den Besitz des magischen Ringes setzen. Wenn du diesen bei dir trägst, brauchst du den Hexenmeister nicht zu fürchten, denn keine Macht der Welt kann dir etwas anhaben.«

      Wendelin war über die Maßen erschreckt und verwundert, allein er zögerte noch und fragte und wollte mehr wissen, jedoch die Elster rief: »Die Zeit ist kostbar, in einer Stunde wird Herr Zuckermahn zurück sein und fast so viel Zeit brauche ich, den Ring zu holen.«

      Halb betäubt und ganz verwirrt öffnete Wendelin die Tür des Käfigs und das Fenster; im Augenblick war die Elster draußen und schoß in hastigem Bogenfluge davon. Bald war sie hinter der Stadtmauer verschwunden, und nun befiel Wendelin eine tiefe Reue über seine Tat. Wer bürgte ihm dafür, daß die schlaue Elster ihn nicht betrog, und welche Sicherheit hatte er, daß sie ihr Wort halten würde?

      Wie entsetzlich langsam schlich die Zeit dahin. Alle Augenblicke fuhr er zusammen, denn er glaubte die Schritte des zurückkehrenden Zuckermahn zu hören. Bald lief er ans Vorderfenster und schaute angstvoll in die stille sonnige Straße hinab nach ihm aus, bald wieder nach hinten und starrte in die blaue Sommerluft. Der Pendelschlag der Uhr klang so träge, und die Zeiger rückten so langsam vor; er hätte sie schieben mögen, wenn das nur etwas geholfen hätte. Dreiviertel Stunden waren so endlich vergangen, und seine Angst ward immer größer, denn von der Elster war noch immer nichts zu entdecken. Da kamen schlürfende Tritte die Straße herunter, es war Herr Zuckermahn, Wendelin kannte seinen Tritt. An allen Gliedern zitternd, stand der Knabe da, und Leichenblässe bedeckte sein Gesicht. Nun ging die Tür auf, und alle Glöckchen klangen. Schon wollte Wendelin aus dem Fenster springen, durch den Garten rennen, über die Stadmauer klettern und davonlaufen in die weite Welt – da im letzten Moment, als Herr Zuckermahn schon nach dem Türdrücker tastete, rauschte ein Flügelschlag, die Elster saß auf dem Fensterbrett und ließ den Ring aus dem Schnabel fallen. Wendelin steckte ihn rasch zu sich, die Elster rief noch:

      »Nur den Ring am Finger drehn!

       Und du wirst die Geister sehn!«

      und schwang sich in dem Moment, da der Hexenmeister in die Tür trat, mit lautem Gelächter davon. Dieser stürzte in voller Wut auf Wendelin zu: »Du hast die Elster fortfliegen lassen!« schrie er.

      »Jawohl!« sagte Wendelin ganz ruhig.

      Zuerst war Herr Zuckermahn ganz starr vor Zorn. Die Augen traten ihm aus dem Kopfe, seine Lippen bebten, und nur ein heiseres Krächzen brachte er hervor. Sodann stürzte er nach seinem Schrank, nahm ein Fläschchen mit einer goldgelben Flüssigkeit hervor, riß eine Hundepeitsche von der Wand und schrie: »Ein räudiger Hund sollst du werden, und ich will dich peitschen, bis du nicht mehr winseln kannst!«

      Dann besprengte er Wendelin mit dem Inhalt der Flasche und murmelte einige Worte dazu.

      Aber wie groß ward sein Entsetzen, als Wendelin ruhig lächelnd dastand und seine Gestalt nicht veränderte. Ein Zittern befiel den Hexenmeister, er starrte den Knaben wie ein unheimliches Wunder an; dann sank er plötzlich in die Knie und rief: »Er hat den Ring! Er hat den Ring!« Nun kroch er herzu und umfaßte Wendelins Knie und bat und flehte, er solle ihm den Ring geben. Mit Schmeicheleien und Versprechungen bestürmte er ihn. Dann lief er fort und holte einen Beutel mit Gold nach dem anderen. Er schüttete auf den Fußboden einen Haufen davon, der in der Sonne flammte und glitzterte, er holte alles herbei, was er an Kostbarkeiten besaß und legte es dazu. Alles wollte er Wendelin geben für den einen Ring.

      Da sah nun dieser wohl, wie wertvoll dessen Besitz war, er stieß den jammernden Hexenmeister von sich, nahm seinen Hut und ging zur Tür hinaus.

      Schluss

       Inhaltsverzeichnis

      Wendelin verließ die Stadt und wanderte fort bis an den nächsten Wald. Dort, in dem dichten Schatten einer Fichtenschonung verborgen, steckte er den Ring an den Finger und, da ihm doch etwas bänglich zumute war, so schloß er die Augen und drehte wohl viermal den Ring. Nun wagte er die Augen gar nicht wieder zu öffnen und horchte und lauschte anfangs ein wenig. Allein nichts war ihm bemerklich als ein Duft wie von frischem Erdreich; von der einen Seite wehte es ihn an wie ein Luftzug, von der anderen traf ihn eine Glut, wie sie eine Herdflamme ausstrahlt, und dazwischen vernahm er das rieselnde Rauschen, das einem Quellbach eigen ist. Endlich mit einem schnellen Entschluß riß er die Augen auf und sah vor sich vier wohlgekleidete junge Leute, die im mindesten nichts Grauliches oder Abschreckendes an sich hatten. Der eine war in schwarzen, buntgeblümten Stoff gekleidet und trug eine grüne Kappe, der andere war feuerfarben angezogen und sein schwärzlicher Hut mit einer grauen Feder versehen, die der leiseste Windhauch wallend bewegte. Der dritte hatte meergrüne Seide angetan und sein Haupt war von einer flockigen Mütze, kraus wie Wellenschaum, geziert, während der vierte himmelblau einherging und ein goldstrahlendes Käppchen auf leuchtendem Goldhaar trug. Alle vier standen aber in stummer Erwartung demütig da, wie vor ihrem Herrn und Meister.

      Wendelin bedachte sich nicht lange. Er ließ sich ein schönes Roß, einen kostbaren Anzug, einen wohlgefüllten Mantelsack und einen tüchtigen Beutel mit Goldstücken bringen, kleidete sich mit Hilfe dieser gefügigen Diener um und ritt wohlgemut in die Welt hinaus. So druchreiste er viele Städte und Länder, überall mit Freuden begrüßt und mit Bedauern entlassen, denn er teilte das Gold aus mit offener Hand. Die Schätze der Erde, die Perlen des Meeres, die Gewalt des Feuers standen zu seiner Verfügung, und was sein Herz wünschte, brachten aus den fernsten Gegenden eilig die schnellen Geister der Luft herbei.

      Er vergaß aber nicht, was die kluge Elster ihm mitgeteilt hatte. Nachdem er zehn Monate so in der Welt herumgezogen war, gelangte er in eine herrliche Gegend, wo es ihm ausnehmend gefiel. Dort kaufte er sich einen großen Landstrich und baute an einem See, der anmutig zwischen mächtigen Waldungen lag, mit Hilfe seiner Geister in großer Schnelle ein prachtvolles Schloß, das nirgends im Lande seinesgleichen hatte. Als es vollendet dastand, war gerade ein Jahr um, seit er den Hexenmeister verlassen hatte, und am Jahrestage dieses Ereignisses saß er gerade an einem geöffneten Fenster, wo man über den blauen See und das grüne Meer der Waldeswipfel in die blaue Ferne blickte. Wendelin spielte mit seinem Ring, zog ihn vom Finger und ließ den goldfarbigen Stein, der ihn zierte, in der Sonne blitzen.

      Da rauschte es wie Flügelschlag,

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