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habe nun ausgelernt. Da hat dieser mit lauernder Miene gefragt, ob er ihn wirklich auch alles gelehrt habe. Dies hat Herr Zuckermahn bestätigt. Plötzlich hat der Fremde dann ein Doppelpistol hervorgezogen und beide Läufe auf den Hexenmeister abgedrückt, denn er begehrte, diesen aus der Welt zu schaffen, um allein der beste Hexenmeister im Lande zu sein. Herr Zuckermahn hat dazu nur ein wenig gelächelt, und nachdem sich der Pulverdampf verzogen hatte, hat er in jeder Hand zwischen Daumen und Zeigefinger eine der Pistolenkugeln gehalten, dem Fremden dann eine zierliche Verbeugung gemacht und gesagt: »Dies eine Stück hatte ich mir vorbehalten, Herr Graf!«

      Dieser ist in großem Zorn in den Gasthof zum »Goldenen Löwen« gelaufen, hat anspannen lassen und ist davongefahren. Glaubwürdige Leute sagen, er sei aus allen vier Toren der Stadt gleichzeitig davongejagt. Aber an allen vier Toren hat zur selben Zeit auch Herr Zuckermahn gestanden und sich spöttisch vor der vorüberfahrenden Kutsche verbeugt.

      Solcherlei Geschichten und noch vieles andere erzählte man sich, und allgemein hegte man solche Furcht und Scheu vor ihm, daß selbst die kecksten Gassenjungen nicht wagten, ihm nachzuspotten, obgleich ihnen dies bei dem verwunderlichen Aufzuge, in dem er sich auf den Straßen sehen ließ, schwer genug werden mochte. Einem, der ihm einmal die Zunge ausgestreckt und eine Nase gedreht hatte, war es schlecht bekommen; denn den ganzen Tag lang hat er die Zunge nicht wieder in den Mund und die Hand nicht von der Nase bringen können, bis sich endlich mit Sonnenuntergang dieser Zauber löste. Solche allgemeine Furcht hinderte aber nicht, daß abends in der Dämmerung mancherlei Leute in besonderen Anliegen an seine Tür klopften; denn Herr Zuckermahn war sehr geschickt in der Herstellung von allerlei Zauber- und Geheimmitteln und verkaufte gegen teures Geld in kleinen, seltsam geformten Gläserchen Liebestränke und andere Flüssigkeiten von narkotischem Duft, so gegen allerlei Krankheit und Plagen gut waren. Auch verstand er Räucherpulver zu bereiten, dessen Geruch den Menschen angenehm, jeglichem Ungeziefer aber ein Greuel war. Ward nun mit einem Prislein dieses Wundermittels das Haus durchräuchert, so erhob sich ein Winseln und Wehklagen aus allen Ecken, und Ratten und Mäuse, Wanzen und Schaben und sonstiges Ungeziefer rannten Hals über Kopf davon, ließen sich auch in vielen Jahren nicht wieder sehen. – Ferner war es ein wunderliches Ding, daß Herr Zuckermahn niemals Einkäufe machte, weder auf dem Markte, noch bei dem Bäcker und Schlächter, noch bei dem Weinhändler, dabei doch ein recht schleckerhaftes Leben führte und sich nichts abgehen ließ. Eine alte Frau, die ein Tränklein für ihre kranke Kuh holte, hatte einmal einen Blick in die geöffnete Küche geworfen und dort gesehen, wie sich ein Hase über dem Feuer von selbst am Spieße drehte, während in einer Pfanne leckere Schmalzküchlein brodelten. Auf dem Küchentische habe aber der Affe des Meister gesessen, mit einer reinlichen Schürze angetan, und habe zwei fette Schnepfen gerupft. Auch hatte der Kuhhirt, der einst in der Nähe der Stadtmauer, wo sie Herrn Zuckermahns Garten begrenzte, seine Herde weidete, ein seltsames Ding erzählt: Einmal sei plötzlich aus dem Walde ein Hase in vollem Jagen gelaufen gekommen und gleich einer Katze, wie es in dieser Tiere Art und Vermögen doch gar nicht liegt, die steile Mauer hinaufgeklettert und in des Hexenmeisters Garten hinabgesprungen.

      Wendelin

       Inhaltsverzeichnis

      In derselben Stadt Winkelburg lebte in einem engen Giebelstübchen eine Witwe mit ihrem einzigen Sohne Wendelin. Obwohl sich diese arme Frau gar kümmerlich durch Waschen und Spinnen ernährte, so erübrigte sie doch so viel, den kleinen Wendelin immer sauber und anständig zu kleiden und ihn in eine gute Schule zu schicken. Als aber der Sohn fünfzehn Jahre alt war, ward die Mutter von einer schweren Krankheit ergriffen und starb. Die Begräbniskosten verzehrten das wenige, das sie hinterließ, und Wendelin stand allein und ohne Schutz in der Welt. Zwar hatte sich ein Weber, für den seine Mutter oftmals Garn geliefert hatte, erboten, ihn in die Lehre zu nehmen, allein Wendelin hatte einen Abscheu vor solchem Gewerbe, das er in dumpfen Stuben von blassen Menschen betreiben sah; er wäre lieber Gärtner geworden, der mit Blumen und Bäumen in der frischen Luft verkehrt. Aber der Hunger tut weh, und schließlich wäre er doch wohl ein Weber geworden, wenn nicht ein anderes Ereignis dazwischengetreten wäre. Eines Tages, da schon die letzten Vorräte aus der dürftigen Speisekammer seiner Mutter verzehrt waren und ihn der Hunger nicht wenig plagte, ging er in trübseligen Gedanken durch die Straßen, und da er müde ward, achtete er, versunken in die Betrachtung seiner traurigen Lage, wenig darauf, wo er sich niederließ. Er setzte sich auf einen Stein vor dem Hause des Hexenmeisters, an einen Ort, der sonst von den Bewohnern Winkelburgs ängstlich gemieden wurde, und das Gefühl seiner Armut und Verlassenheit kam also über ihn, daß er sein Haupt auf die Knie legte und bitterlich schluchzte. Es war gerade um die Mittagszeit und die Straßen leer und sonnig. Aus allen Schornsteinen stieg kerzengerade ein behaglicher Rauch in die stille Luft und gab Kunde, daß dort gesotten und gebraten wurde, aber ach, auf keinem Herde etwas für den armen, verlassenen Wendelin.

      Da er nun so saß und die Tränen ihm zwichen den Fingern hindurchliefen und auf das heiße Steinpflaster tropften, klirrte plötzlich ein Fenster hinter ihm, zugleich strich ein köstlicher Durft von Gebratenem und Gebackenem an ihm vorüber, und eine dünne heisere Stimme sprach: »Hast Hunger, mein Söhnchen? Komm herein, die Vöglein bräteln in der Pfanne und warten auf dich, hörst du, wie sie zirpen?«

      Wendelin sprang auf und sah Herrn Zuckermahn in der Fensteröffnung stehen und pfiffig schmunzeln. Zu beiden Seiten seines kleinen unheimlichen Vogelgesichtes hingen dünne schwarze Haare herab, und auf dem Kopf trug er ein Käppchen von rotem Sammet. Sonst war er bekleidet mit einem langen, alten Pelzrock, den er Sommer und Winter nicht von sich ließ. Dessen Farbe war einst dunkelgrün gewesen, jetzt aber so verschossen und beschmutzt, daß kein Maler sie mehr nennen konnte. An Herrn Zuckermahn vorbei aber blickte Wendelin durch die geöffnete Tür im Hintergrunde in die Küche, aus der ein lieblicher Wohlgeruch hervordrang. In den bläulichen Dunst, der jenen Raum erfüllte, malte der Sonnenschein helle Streifen, und ein behagliches Schmoren und Prätzeln drang an sein Ohr.

      Trotz seines Hungers wagte Wendelin nicht, dies Anerbieten anzunehmen, denn er teilte die Scheu, die man in der ganzen Stadt vor dem Hexenmeister empfand. Da er nun aber gar nicht wußte, was er sagen sollte, so stand er zuerst ganz verblüfft da, und dann wollte er eben fortlaufen, als der Alte weiter sprach: »Hasenfuß, wovor fürchtest du dich? Dein Gesicht gefällt mir, und ich mein’ es gut mit dir. Komm herein, du Narr, und höre, was ich dir sagen werde; nachher magst du immer noch tun, was du Lust hast. Oder willst du lieber hungern und dich in die dumpfe Stube an den Webstuhl sperren lassen? Kannst’s besser haben, besser haben im schönen Garten bei Blumen und Bäumen.«

      So redete der Alte noch mancherlei, und es war seltsam, wie sich für Wendelin sein Antlitz verschönerte, so daß ihm schien, er habe nie einen freundlicheren, angenehmeren alten Herrn gesehen, und ehe er noch recht wußte, was er tat, hatte der Knabe die Klinke in der Hand und trat in die Haustür. Eine ganze Tonleiter von Glocken erklang, als er diese öffnete, und damit noch nicht genug, denn rings im Hause bimmelte und läutete es überall und rief »Kuckuck« und »Kikeriki«, daß es ein förmliches Getöse gab. Ein kleines sonderbares weißes Hündlein von jener sparsamen Sorte, die für gewöhnlich nur drei Beine in Gebrauch nehmen, lief auf ihn zu und kläffte mit einem feinen heiseren Stimmlein ganz ungemein. Das klang aber so häßlich und bösartig, daß man wohl merkte, hätte es die Macht gehabt und wäre es nicht gar so erbärmlich gewesen, da wäre es ihm an den Hals gesprungen und hätte ihn zu Boden gerissen. Auf einmal stand Herr Zuckermahn neben dem Knaben. Dieser hatte nichts von ihm gehört, weil der Alte auf Filzschuhen ging.

      »Nun komm, nun komm!« sagte er, nahm den Knaben an der Hand und führte ihn in ein großes Zimmer, das nach dem Garten zu lag. Dies mochte wohl das Studierzimmer des Hexenmeisters sein, denn an den Wänden standen viele Reihen von in Schweinsleder gebundenen Folianten mit bunten seltsamen Figuren auf dem Rücken verziert. Oben auf diesen Bücherständen befanden sich greuliche ausgestopfte Tiere und Gerippe und mit Blasen zugebundene Glashäfen, in denen Schlangen und große Eidechsen und anderes häßliches Getier in Spiritus eingemacht waren. Ein ungeheurer grünglasierter Ofen stand an der Wand, auf dessen Kacheln allerlei abscheuliche Fratzen und Hexengesichter hervorstierten, und dergleichen Dinge mehr. In der Mitte des Zimmers war ein bereits gedeckter Tisch

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