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der? War er unter der Menge?«

      »Warte! warte! Jetzt sind wir bei ihm! Es war am dritten Tage, da kam eine kleine Person, ohne Pferd und Wagen, fröhlich gerade auf das Schloß zu marschirt; seine Augen glänzten wie Deine; er hatte schönes langes Haar, aber sonst ärmliche Kleider.«

      »Das war Kay!« jubelte Gerda. »O, dann habe ich ihn gefunden!« und sie klatschte in die Hände. »Er hatte ein kleines Ränzel auf dem Rücken!« sagte die Krähe.

      »Nein, das war sicher sein Schlitten!« sagte Gerda; »denn mit dem Schlitten ging er fort!«

      »Das kann wohl sein,« sagte die Krähe; »ich sah nicht so genau darnach! Aber das weiß ich von meiner zahmen Geliebten, daß er, als er in das Schloßthor kam und die Leibgardisten in Silber sah und die Treppe hinauf die Lakaien in Gold, nicht im mindesten verlegen wurde; er nickte und sagte zu ihnen: »Das muß langweilig sein, auf der Treppe zu stehen; ich gehe lieber hinein!« Da glänzten die Säle von Lichtern; Geheimräthe und Excellenzen gingen mit entblößten Füßen und trugen Goldgefäße; man konnte wohl andächtig werden! Seine Stiefel knarrten gar gewaltig laut, aber ihm wurde doch nicht bange.«

      »Das ist ganz gewiß Kay!« sagte Gerda. »Ich weiß, er hat neue Stiefel an; ich habe sie in der Großmutter Stube knarren hören!«

      »Ja freilich knarrten sie!« sagte die Krähe. »Und frischen Muths ging er gerade zur Prinzessin hinein, die auf einer großen Perle saß, die so groß wie ein Spinnrad war; und alle Hofdamen mit ihren Jungfern und den Jungfern der Jungfern, und alle Cavaliere mit ihren Dienern und den Dienern der Diener, die wieder einen Burschen hielten, standen rings herum aufgestellt; und je näher sie der Thür standen, desto stolzer sahen sie aus. Des Dieners Burschen, der immer in Pantoffeln geht, darf man kaum anzusehen wagen; so stolz steht er in der Thüre!«

      »Das muß gräulich sein!« sagte die kleine Gerda. »Und Kay hat doch die Prinzessin erhalten?«

      »Wäre ich nicht eine Krähe gewesen, so hätte ich sie genommen, und dessen ungeachtet daß ich verlobt bin. Er soll eben so gut gesprochen haben, wie ich, wenn ich die Krähensprache spreche: das habe ich von meiner zahmen Geliebten gehört. Er war fröhlich und niedlich; er war nicht gekommen zum Freien, sondern nur, um der Prinzessin Klugheit zu hören; und die fand er gut, und sie fand ihn wieder gut.«

      »Ja, sicher! das war Kay!« sagte Gerda. »Er war so klug; er konnte die Kopfrechnung mit Brüchen. – O, willst Du mich nicht auf dem Schlosse einführen?«

      »Ja, das ist leicht gesagt!« antwortete die Krähe. »Aber wie machen wir das? Ich werde es mit meiner zahmen Geliebten besprechen; sie kann uns wohl Rath ertheilen; denn das muß ich Dir sagen: so ein kleines Mädchen, wie Du bist, bekommt nie die Erlaubniß, hinein zu kommen!« »Ja, die erhalte ich!« sagte Gerda. »Wenn Kay hört, daß ich da bin, kommt er gleich heraus und holt mich!«

      »Erwarte mich dort am Gitter!« sagte die Krähe, wackelte mit dem Kopfe und flog davon.

      Erst als es spät am Abend war, kehrte die Krähe wieder zurück. »Rar! Rar!« sagte sie. »Ich soll Dich vielmals von ihr grüßen, und hier ist ein kleines Brot für Dich, sie nahm es aus der Küche, dort ist Brot genug, und Du bist gewiß hungrig. – Es ist nicht möglich, daß Du in das Schloß hineinkommen kannst: Du bist ja barfuß. Die Gardisten in Silber und die Lakaien in Gold würden es nicht erlauben. Aber weine nicht! Du sollst schon hinaufkommen. Meine Geliebte kennt eine schmale Hintertreppe, die zum Schlafgemach führt, und sie weiß, wie sie den Schlüssel erhalten kann.«

      Sie gingen in den Garten hinein, in die große Allee, wo ein Blatt nach dem andern abfiel: und als auf dem Schlosse die Lichter ausgelöscht wurden, das eine nach dem andern, führte die Krähe die kleine Gerda zu einer Hinterthür, die nur angelehnt war.

      O, wie Gerda's Herz vor Angst und Sehnsucht pochte! Es war als ob sie etwas Böses thun wollte; und sie wollte ja doch nur wissen, ob es der kleine Kay sei. Ja, er mußte es sein; sie gedachte so lebendig seiner klugen Augen, seines langen Haares; sie konnte sehen, wie er lächelte, wie damals, als sie daheim unter den Rosen saßen. Er würde sicher froh sein, sie zu erblicken; zu hören, welchen langen Weg sie um seinetwillen zurückgelegt; zu wissen, wie betrübt sie Alle daheim gewesen, als er nicht wiedergekommen. O, das war eine Furcht und eine Freude!

      Nun waren sie auf der Treppe; da brannte eine kleine Lampe auf dem Schranke; mitten auf dem Fußboden stand die zahme Krähe und wendete den Kopf nach allen Seiten und betrachtete Gerda, die sich verneigte, wie die Großmutter sie gelehrt hatte.

      »Mein Verlobter hat mir so viel Gutes von Ihnen gesagt, mein kleines Fräulein,« sagte die zahme Krähe; »Ihr Lebenslauf, wie man es nennt, ist auch sehr rührend. – Wollen Sie die Lampe nehmen, dann werde ich vorangehen. Wir gehen hier den geraden Weg, denn da begegnen wir Niemand.«

      »Es ist mir, als käme Jemand hinter uns her,« sagte Gerda; und es sauste an ihr vorbei; es war, wie Schatten an der Wand: Pferde mit fliegenden Mähnen und dünnen Beinen, Jägerburschen, Herren und Damen zu Pferde.

      »Das sind nur Träume« sagte die Krähe; »die kommen und holen der hohen Herrschaften Gedanken zur Jagd ab. Das ist recht gut, dann können Sie sie besser im Bette betrachten. Aber ich hoffe, wenn Sie zu Ehren und Würden gelangen, werden Sie ein dankbares Herz zeigen.«

      »Das versteht sich von selbst!« sagte die Krähe vom Walde.

      Nun kamen sie in den ersten Saal; der war von rosenrothem Atlas mit künstlichen Blumen an den Wänden hinauf, hier sausten an ihnen schon die Träume vorbei; aber sie fuhren so schnell, daß Gerda die hohen Herrschaften nicht zu sehen bekam. Ein Saal war immer prächtiger als der andere; ja, man konnte wohl verdutzt werden. Nun waren sie im Schlafgemache. Hier glich die Decke einer großen Palme mit Blättern von kostbarem Glas, und mitten auf dem Fußboden hingen an einem dicken Stengel von Gold zwei Betten, von denen jedes wie eine Lilie aussah; die eine war weiß, in der lag die Prinzessin; die andere war roth, und in dieser sollte Gerda den kleinen Kay suchen. Sie bog eins der rothen Blätter zur Seite, da sah sie einen braunen Nacken. – O, das war Kay! – Sie rief laut seinen Namen, hielt die Lampe nach ihm hin – die Träume sausten zu Pferde wieder in die Stube herein – er erwachte, drehte den Kopf um und – es war nicht der kleine Kay.

      Der Prinz glich ihm nur im Nacken; aber jung und hübsch war er. Und aus dem weißen Lilienblatte blinzelte die Prinzessin hervor und fragte, wer da wäre. Da weinte die kleine Gerda und erzählte ihre ganze Geschichte und Alles, was die Krähen für sie gethan hatten.

      »Du armes Kind!« sagte der Prinz und die Prinzessin; und sie lobten die Krähen und sagten, daß sie nicht böse auf sie seien; aber sie sollten es ja nicht öfter thun. Uebrigens sollten sie eine Belohnung erhalten.

      »Wollt Ihr frei fliegen?« sagte die Prinzessin. »Oder wollt Ihr feste Anstellung als Hofkrähen haben, mit Allem, was in der Küche abfällt?«

      Und beide Krähen verneigten sich und baten um feste Anstellung, denn sie gedachten des Alters und sagten: »Es wäre schön, etwas für die alten Tage zu haben,« wie sie es nannten.

      Und der Prinz stand aus seinem Bette aus und ließ Gerda darin schlafen, mehr konnte er nicht thun. Sie faltete ihre kleinen Hände und dachte: »Wie gut sind nicht die Menschen und die Thiere!« – Dann schloß sie ihre Augen und schlief sanft. Alle Träume kamen wieder herein geflogen, sie sahen wie Engel Gottes aus und zogen einen kleinen Schlitten, auf welchem Kay saß und nickte; aber das Ganze war nur ein Traum, und deshalb war es auch wieder fort, sobald sie erwachte.

      Am folgenden Tage wurde sie vom Kopfe bis zum Fuße in Seide und Sammt gekleidet; es wurde ihr angeboten, auf dem Schlosse zu bleiben und gute Tage zu genießen; aber sie bat nur um einen kleinen Wagen mit einem Pferde und um ein Paar Stiefelchen; dann wollte sie wieder in die weite Welt hinausfahren

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