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erste Thronstufe setzte, ohne seine Königin bleiben? Dieser Gedanke erzeugte Betrübnis und Bitterkeit in der hier versammelten auserwählten Gesellschaft der verschiedensten Nationen. Wenn es noch eine beliebige Pharaonin gewesen wäre! Aber es handelte sich hier doch um Nofretete selber — die weltberühmte schöne Nofretete!

      Neben mir stand in diesem Augenblick der wohlbekannte deutsche Gelehrte, Herr Bechtold, und erläuterte mir: „Der Sonnen- und Ketzerkönig Amenophis, den jener Gentleman verkörpert, legte sich den Herrschernamen,Die Sonne ist zufrieden‘ bei. Er war zufrieden, weil er mit seiner Gemahlin Nofretete und seinen sieben Töchtern das glücklichste Familienleben führte. Oft standen sie beisammen auf dem Balkon und warfen dem Volk unten Geschenke zu, und man kennt noch in Hieroglyphen das alltägliche Morgengebet der Nofretete an die aufgehende Sonne: ‚Du Sonnenscheibe! Du lebendiger Gott! Verleihe dem Herrn des Landes, dem Pharao, dass er lebe mit dir vereint in Ewigkeit und dass ich, sein Weib, die Königin Nofretete, möge leben immerdar und ewiglich an seiner Seite!‘“

      Wo bist du, Nofretete?

      Dein Thron ist leer!

      In den Scharen der Gäste Pharaos entstand ein ungeduldiges Brausen und schwoll an. Sie erinnerten mich an ein Bienenvolk. Sie suchten auch ihre Königin. Der Pharao aus U.S. zuckte die Achseln. Er war nun einmal Strohwitwer. Er wollte zu dem Thron hinauf. Aber der Totengott Anubis stand vor ihm und fletschte die Schakalszähne und faltete bittend die Hände, als wollte er sagen: Ich schaffe dir ja deine Nofretete — irgendwo aus den Jahrtausenden her!

      Aus der altägyptischen Menge wurden zurufe laut: „Nofretete!“ und verstärkten sich. Ladies und Gentlemen wetteiferten in ihrem Ungestüm. Sie klatschten taktmässig in die Hände. Sie riefen dazu in demselben eindringlichen, immer wiederholten Gleichmass: „No—fre—te—te! No—fre—te—te!“

      Herr Sanders, der Pharao, stutzte. Er begriff, dass dieser Abend eine Königin, eine Königin am Nil, forderte. Er wandte feinen schönen, durch die Sonnen- und Schlangenkrönung seltsam bedeutungsvollen und düsteren Kopf nach seiner Frau. Sein Blick fand sie in einer Gruppe seitwärts um den sekttrinkenden Widdergott Chnum. Mrs. Sanders war keine Spielverderberin. Selbst ihr Nilpferdkopf hatte einen leutseligen Zug um die Backenfalten. Sie nickte mit diesem ungefügen Haupt und klatschte wie die andern in die Hände. Ihr lag vor allem daran, ihre Gäste zufriedenzustellen. Es scholl immer dringlicher und hallte an der Steindecke des Tempels wider: „Nofretete!“

      Herr Sanders hörte es immer wieder. Er sah sich suchend um. Er war durch den Mittelhof mit seinem Gefolge eingezogen. In der Haupteingangswölbung, vom Grossen Hof her, erschien jetzt eben eine Göttin mit einem Schlangenkopf. Diese unheimliche Dienerin geleitete einen verspäteten Gast in den Tempel des Ammon. Es war eine junge Lady in der Tracht einer Pharaonin, und ein allgemeines „Oh!“ ging bei ihrem Anblick durch den Saal.

      Diese Miss — oder eine Deutsche, wie es hiess —, ein Fräulein Ritter, war gross und schlank und von Kopf bis zu Fuss in ein golddurchwirktes Gewand gehüllt, unter dem die goldenen Schuhe sichtbar waren. Ein Gürtel aus Lapislazuli-Steinen raffte in der Taille die leuchtenden Stoffwellen, die malerisch an ihr herniederflossen. Goldene Spangen schmückten ihre blossen weissen Arme. Sie trug über ihrem auffallend hübschen Antlitz eine Perücke aus unzähligen kleinen, schwarzen Ringellocken, die ein goldenes Stirnband zusammenhielt. Darüber schatteten als Zeichen ihrer Königswürde zwei Fuss hoch die rote und die weisse Straussenfeder Ober- und Unterägyptens und gaben ihren mädchenhaft verwirrten und doch ungläubig-glücklichen Zügen einen strengen Herrscherausdruck.

      „Nofretete! — Nofretete!“ Es hallte stürmisch zwischen den Göttersäulen: „Nofretete ist gefunden!“ Es war, als sei sie just für diesen Augenblick aus dem Dunkel altägyptischer Geheimnisse aufgetaucht. Amenophis, dem Strohwitwer, blieb keine Wahl. Man sah auch, dass die Wahl Herrn Sanders nicht schwerfiel. Er schritt auf seine Pharaonin zu.

      Sie wusste noch gar nicht, wie ihr geschah. Dann begriff sie. Eine plötzliche Röte färbte ihr hübsches, von der Sonne gebräuntes Gesicht. Sie hob abwehrend die Hände. Sie wollte protestieren. Irgend etwas sagen, dass das zuviel der Ehre für sie sei. Oder was man bei solchen Gelegenheiten sagt. Aber man liess sie gar nicht erst zu Wort kommen. Herr Sanders, der Pharao, nahm ihre Hand in seine und stieg die Stufen hinauf, und sie an seiner Seite, offenbar noch ganz betäubt und verwirrt, und so setzte sie sich in den niedrigen Sessel neben ihm. Es war ein schönes Paar.

      Alles jubelte. Die Trompeten bliesen. Die Krieger schlugen an ihre Schilde. Die Götter winkten. Die Hohenpriester lachten. Die Tempelmädchen harften und schrien. Die Halle der Pharaonen leuchtete in Licht und Lärm und Leben. Neben mir sprach der deutsche Gelehrte Bechtold:

      „Sehen Sie, wie die beiden sich gleich in die Augen schauen, als hätten sie sich schon lange gekannt! Was sind dreitausend Jahre? Was ist Tod und Leben? Amenophis und Nofretete haben sich wieder einmal gefunden!“

      12

      Fortsetzung des Berichts Mr. Nothombs

      Viel haben gewiss diese Tempel von Karnak im Wandel der Jahrtausende gesehen, aber solch ein Fest vielleicht noch nie. Am Himmel stand geisterhaft und riesig der Vollmond und leuchtete strahlend das Südliche Kreuz vor dem Sternengewimmel. Unten in den heiligen Ruinen waren die Fackeln längst erloschen. Nur Chonsu-Thot, der Mondgott, herrscht und verklärt mit mildem Schimmer ein Bild, das die seit Jahrtausenden durch Querschnitt gespaltene Schöpfung nicht mehr kennt — ein Bild aus den Zeiten, da das Weltall ein grosses Eins war.

      Götter und Menschen und Tiere — was lebt und webt —, wo beginnt ihr — wo endet ihr? Ihr borgt voneinander Gestalt und Sinn, ihr schmelzt ineinander und trennt euch, und Hochmut ist euch fern. Was da ist, wandert ewig in immer neuer Form und erkennt sich in jedem Wesen wieder. Die Sonne missachtet den Mistkäfer nicht. Der Pharao, der Herr der Welt, kniet vor dem wiederkäuenden Apisstier, so heilig ist das Ichneumon wie der Hausvater für die Mumienbalsamierer der Totenstadt.

      So eint sich auch da in der mondhellen Halle alles in der geheimnisvollen Gleichheit aller Dinge. Das Krokodil tanzt mit der Isispriesterin, Geier und Gans hüpfen als Mutter und Sohn, Ibis, der Geist des Weltalls, wirbelt mit dem heiligen Hundskopfaffen, die Göttermutter Nut gibt dem kriegsgefangenen Hettiterhäuptling den nächsten Foxtrott, und am unermüdlichsten tollt und tummelt sich das quecksilberne Nilpferd, Mrs. Meg Sanders selbst.

      Kleinbürgerliche Regungen von Eifersucht sind dieser geborenen Gesellschaftskönigin fern. Sie freut sich, für ihr Fest und für ihre Gäste, dass da oben an ihrer Stelle eine schöne junge Königin sitzt, und läuft mehr als einmal die Thronstufen hinauf und schüttelt dem Fräulein aus der Fremde die Hände und versichert ihr, wie vorteilhaft sie sogar neben einem so schönen Mann wie Mr. Sanders wirke.

      In der Tat: die beiden sind, unterstützt durch die Pracht ihrer Gewandungen, eine Augenweide in dieser pfefferundsalzfarbenen Welt, und das um so mehr noch, als ihre Gesichter so warm von innen heraus belebt sind. Sie sprechen eifrig miteinander. Sie haben sich eben erst kennengelernt und doch sofort miteinander als der Pharao und seine Pharaonin gefunden. Sie spielen ihre Rolle des königlichen Paares meisterhaft. Das Gebet der Nofretete schwebt über den beiden Menschengestalten, deren Lippen lächeln, deren Augen glänzen: „Dass ich, sein Weib, die Königin Nofretete, möge leben immerdar und ewiglich an seiner Seite . . .“

      Es ist ein Gedränge um die Königsthrone. Jeder will das Herrscherpaar begrüssen. Der Raum reicht nicht. Aber der Grosshofmeister Snophi, der Sohn der Schlange“, morgen wieder unser guter alter indischer Oberst im Ruhestand Bircham, weiss Rat. Die Krieger bringen eine Sänfte. Sie werden Amenophis und Nofretete durch die ganze Länge des Tempels tragen, damit sie die Huldigung ihrer Untertanen, statuenhaft aufrecht sitzend, in feierlicher gnadenstarrer Ruhe, entgegennehmen.

      Da nun störte dieser gespenstige Zwischenfall auf kurze Zeit die frohe Festlaune. Es war die Schuld der eingeborenen Torwächter an den Tempeleingängen. Sie hätten keinen Unbefugten hereinlassen dürfen. Sie behaupteten, sie hätten es im guten Glauben getan, dass diese wandelnde Mumie auch zu der Gesellschaft gehöre. Von wo der lebende Leichnam seines Pilgerweges kam, wussten sie nicht. Wer kann zu mitternächtiger Stunde diese ganze meilenweite Trümmerwelt

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